Jean Paul Marat (1743–1793) gilt als einer der radikalsten Protagonisten der Französischen Revolution. In seinem Brotberuf war er eigentlich Arzt, zudem veröffentlichte er mehrere naturwissenschaftliche Bücher. In die Weltgeschichte ging er aber vor allem als "Märtyrer der Revolution" ein, denn am 13. Juli 1793 ermordete ihn Charlotte Corday, die kurz danach selbst hingerichtet wurde und ihrerseits zur Heldin der Konterrevolution wurde.

Der gewaltsame Tod Marats wurde auch deshalb so berühmt, weil er immer wieder von Künstlern aufgegriffen wurde – so etwa im zweiaktigen Drama "Marat/Sade" (eigentlich: "Die Verfolgung und Ermordung Jean Paul Marats dargestellt durch die Schauspielgruppe des Hospizes zu Charenton unter Anleitung des Herrn de Sade") von Peter Weiss und in etlichen Gemälden.

Der Held in der Badewanne

Das berühmteste Bild, das den toten Marat unmittelbar nach seiner Ermordung zeigt, stammt von Jacques-Louis David: Marat sitzt in einer Badewanne, unter seinem rechten Schlüsselbein ist eine Stichwunde, am Boden das Messer. Das Wasser ist von seinem Blut rot gefärbt. Dazu hält er einen Brief von Corday in der Hand:

Ein Revolutionsklassiker: Jacques-Louis Davids Gemälde des ermordeten Marat in der Badewanne. Das Schicksal des Gemäldes, das heute im Königlichen Kunstmuseum in Brüssel hängt, wäre selbst eine eigene Geschichte wert.
gemeinfrei

Warum sich Marat bei seiner Ermordung ausgerechnet in einer Badewanne aufhielt, noch dazu ausgestattet mit Papier und Schreibzeug, lag daran, dass er an einer tückischen Hautkrankheit litt, die sich vor allem durch schrecklichen Juckreiz und schmerzhafte Geschwüre bemerkbar machte.

Wegen einer Verschlimmerung seines Leidens nahm er in den letzten Wochen seines Lebens kaum noch an den Parlamentssitzungen teil, blieb aber publizistisch aktiv. In seiner Zeitschrift "L’Ami du Peuple" ("Der Freund des Volkes") rief er immer wieder zur Wachsamkeit gegenüber Verrätern, Verschwörern und so genannten Volksfeinden auf. Ihm selbst verschafften in diesen letzten Wochen einzig Bäder in kaltem Wasser eine gewisse Linderung.

Ungelöstes dermatologisches Rätsel

Marat ging davon aus, dass er sich die Krankheit in den Kanälen von Paris zugezogen hatte, wo er sich vor seinen politischen Feinden verstecken musste. Doch um welches Leiden es sich nach heutigem dermatologischem Wissen handelte, ist unklar: Manchmal ist von Skrofulose (also Hauttuberkulose) die Rede, dann wieder von einer Dermatitis herpetiformis Duhring, die mit Zöliakie zusammenhängt.

Wie aber lässt sich diese Frage heute noch klären? An biologischen Überresten herrscht Mangel: Zwar wurde Marat im Pariser Pantheón begraben, doch nach der Gegenrevolution und der Exhumierung verlieren sich die Spure seines Leichnams. Geblieben ist allein eine kleine Blutspur, die Marat bei seiner Ermordung hinterlassen hat – und zwar auf einer Ausgabe seiner eigenen Zeitschrift "L’Ami du Peuple".

Diese Ausgabe wurde von seiner Schwester aufbewahrt, war danach im Besitz mehrerer Sammler, ehe sie vor kurzem in die Nationalbibliothek in Paris gingen. Und genetische Proben dieses über 200 Jahre alten Blutflecks (konkret: Abstriche mit einem Wattestäbchen) gingen an den spanischen Genetiker Carles Lalueza-Fox (Institut für Evolutionsbiologie am CSIC in Barcelona), der als einer der weltweit führenden Experten für die Wiederherstellung alter DNA gilt.

So wurde die DNA-Probe Marats gewonnen. Es ist einigermaßen erstaunlich, was sich daraus alles ablesen lässt.
Foto: Carles Lalueza-Fox

Menschliche und nicht-menschliche DNA

Nach einem Jahr Arbeit hat das Team um Lalueza-Fox die Ergebnisse der genetischen Analyse nun auf der Plattform "bioRxiv" veröffentlicht. Sie konnten mehr als 500 Millionen DNA-Sequenzen wiederherstellen, 72 Millionen sind von Menschen und die Mehrheit davon gehört ziemlich sicher Marat. Den Forschern ist es nämlich gelungen, auf die Herkunft des DNA-Spenders zu schließen, der französische und sardinische Vorfahren hatte..

Besonders interessant waren jedoch die nicht-menschlichen DNA-Sequenzen, also jene von Viren, Bakterien und Pilzen. (Um sicherzustellen, dass diese sich im Blut Marats aufgehalten haben, machte die Forscher Gegenproben mit unbefleckten Seiten der Zeitung.) Aufgrund der Analysen könne die Forscher ausschließen, dass Marat an Syphilis, Lepra, Skrofulose oder Candidose gelitten hat, die ihm von verschiedenen Forschern zugeschrieben wurden.

Eine tückische Pilzinfektion?

Das spanische Team bringt eine andere Erkrankung ins Spiel: Seborrhoische Dermatitis, die vom Pilz Malassezia restricta verursacht wird. "Dieser Pilz lebt nur in der menschlichen Haut, und es ist ungewöhnlich, ihn in alten Zeitschriften zu finden", erklärte Lalueza-Fox gegenüber der spanischen Zeitung "El País". Die DNA deute zudem darauf hin, dass es sich nicht um eine aktuelle Variante handelt, sondern um eine, die vor etwa 200 Jahren existierte.

Das Team hat zwei weitere Mikroben gefunden, deren DNA darauf hinweist, dass sie aus der Zeit stammen können: das Bakterium Staphylococcus aureus, das Ekzeme verursacht, und das Aknebakterium. Diese sekundären Infektionen könnten zum Juckreiz beitragen haben.

Schwerwiegender sei aber die Pilzinfektion gewesen, so Lalueza-Fox. Denn damals konnte diese nicht behandelt werden. Aus diesem Grund sei es möglich sei, dass der Pilz womöglich bereits bis in Marats Blut vorgedrungen war, was zu einer Sepsis führen kann.

Sollte es tatsächlich bereits dazu gekommen sein, resümiert Lalueza-Fox, dann hätte Charlotte Corday das Leben Marats wohl nur um wenige Tage oder Wochen verkürzt. (tasch, 8.11.2019)