Was heute_Acker ist, könnte bald begehrter Wohnraum sein – so die Rechnung vieler Entwickler.

Foto: Robert Newald

Zum Tragen kam die neue Kategorie bisher noch nicht.

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Während in anderen Metropolen die Immobilienpreise ungehindert davongaloppieren, stieg man in Wien auf die Bremse – und setzte dafür bei den Grundstücken an. Angekündigt bereits im Sommer 2018, trat im vergangenen März die neue Widmungskategorie "Geförderter Wohnbau" in Kraft. Bei jeder Neuwidmung eines Grundstücks wird ab einer angepeilten Wohnnutzfläche von 5000 Quadratmetern nun vorgeschrieben, dass der entstehende Wohnraum zu zwei Dritteln leistbar sein muss, also eine Hauptmiete von etwa fünf Euro pro Quadratmeter nicht übersteigen darf.

Das wurde zwar nicht in der Bauordnung geregelt – dort ist lediglich von "überwiegendem" Wohnbau zu geförderten Konditionen die Rede –, wohl aber in sogenannten "Planungsgrundlagen", die vom Gemeinderat beschlossen wurden. Nur aus diesen erschließt sich, dass es tatsächlich zu zwei Dritteln geförderter Wohnbau sein muss. Eine Vorgangsweise, die im Übrigen bis heute für Konfusion sorgt.

Wie sich das aber nun auf die Preise auswirkt, kann man heute, rund ein halbes Jahr später, noch nicht sagen. Tatsächlich verordnet wurde die Kategorie nämlich bisher noch gar nicht. Erst in den nächsten Wochen sei damit zu rechnen, heißt es etwa aus dem Wohnfonds Wien. Grundstücke im Eurogate (3. Bezirk), in der Meischlgasse (23.) und der Podhagskygasse (22.) sind erste Kandidaten dafür.

Suche schwieriger geworden

Auf Grundstückstransaktionen wirkt sich die Maßnahme aber natürlich bereits aus – umstritten ist bloß, wie.

"Grundstücke, die bereits gewidmet waren, sind im Preis deutlich gestiegen", nennt Sandra Bauernfeind, Wohnimmobilienexpertin bei EHL Immobilien, eine Auswirkung, auf die sich noch alle einigen können. Dann wird es schon kompliziert. "Grundstücke, die noch eine Widmung brauchen, wechseln derzeit weniger häufig den Besitzer", sagt Bauernfeind, und diesen Eindruck haben auch Vertreter der gewerblichen Bauträger, etwa deren Sprecher in der Wirtschaftskammer, Hans Jörg Ulreich.

"Wenn zwei Drittel der zu erzielenden Wohnnutzfläche für den geförderten Wohnbau abgegeben werden müssen, reduziert sich natürlich auch der Gesamtkaufpreis um ebendiesen Wert, daher entscheiden sich derzeit viele Liegenschaftseigentümer gegen einen möglichen Verkauf", meint auch Denise Smetana, Geschäftsführerin des gewerblichen Bauträgers Haring Group. Die Suche nach Flächen für großvolumige Neubauprojekte sei schon "um einiges schwieriger" geworden.

Wenig Begeisterung

Viele gewerbliche Bauträger sind von der Regelung deshalb erwartungsgemäß wenig begeistert. Ein Immobilienentwickler, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will, hofft sogar darauf, dass die Stadt das "Experiment" beizeiten wieder beendet. Er kritisiert ganz besonders, dass die Widmungskategorie nicht zumindest nur zur Hälfte geförderten Wohnbau vorsieht, sondern dass man sich für die Zwei-Drittel-Regelung entschieden hat.

Die Kritik teilen aber nicht alle im Geschäft. "Die Branche hat sich das selber zuzuschreiben, denn die Stadt kann ja nicht einfach zuschauen, wenn sich die Bauträger wie wild überbieten. Da muss man als Stadtverwaltung, insbesondere als eine mit der Wiener Wohnbaugeschichte vertraute, eben eingreifen", sagt der frühere WKÖ-Bauträgersprecher Winfried Kallinger. Für ihn sind positive Auswirkungen bereits bemerkbar, auch wenn er betont, dass der Beobachtungszeitraum noch kurz sei: "Die Gewinne für Grundeigentümer sind halt nicht mehr so hoch wie früher – aber mein Mitleid hält sich in Grenzen", sagt er.

Nun würden sich die Preise wieder normalisieren, ist er überzeugt. Eine Wiederabschaffung würde er nicht befürworten. "Es ist ja immer noch eine sehr milde Form der Grundstücksbewirtschaftung."

Für den Bauträgersprecher des Verbands der Immobilienwirtschaft (ÖVI), Klaus Wolfinger, ist eines jedenfalls klar: "Niemand kann sagen, es ist so oder so – es braucht einen längeren Beobachtungszeitraum." Und auch der Vizepräsident der Wiener Landwirtschaftskammer, Norbert Walter, sieht das so. Die Kammer hat in letzter Zeit einige Diskussionsrunden veranstaltet und Beratungsangebote geschaffen für Land wirte, die Grundstücksverkäufe erwägen. "Und die waren alle gut besucht", so Walter zum Δtandard. Es gebe schließlich immer Landwirte, die aus irgendwelchen Gründen Liegenschaften verkaufen müssen.

Verkauft wird weiterhin

Darauf weisen auch Vertreter der Gemeinnützigen hin, wenn sie sagen, es gebe nach wie vor genügend Grundstücke auf dem Markt. "Wir kaufen weiterhin", sagt Martin Orner, Geschäftsführer der EBG. Auch der Vizechef des Wohnfonds, Dieter Groschopf, betont, dass man 2019 viele neue Grundstücke – 130.000 m² – erwerben konnte. 3,3 Millionen Quadratmeter habe man derzeit auf Vorrat.

Unter den potenziellen Abgebern – Landwirte, Gärtnereibetriebe – scheinen sich zwei "Philosophien" gebildet zu haben: "Die einen verkaufen jetzt, weil sie die Gewissheit haben, nicht später einen wesentlich höheren Preis zu versäumen. Andere denken sich aber: ‚Schlechter wird’s nimma, vielleicht wird’s wieder besser‘, meint ein Branchenkenner zum Standard.

Bauernvertreter Walter sagt, es gebe weiterhin Verkäufe von sogenanntem "Bauhoffnungsland" – also Grünland mit Chancen auf baldige Umwidmung – zu hohen Preisen. Das erscheint deshalb möglich, weil es eben auf dem restlichen Drittel der Fläche weiterhin freifinanzierten Wohnbau geben könne.

Großer Hype vorbei

Dass durch die neue Widmungskategorie dieses eine Drittel, das jetzt noch erlaubt ist, teurer wird, glaubt EBG-Chef Orner aber nicht. Der große Hype bei den Grundstückskosten sei vorbei, Quadratmeterpreise von 1500 bis 2000 Euro würden am Stadtrand ohnehin der Vergangenheit angehören. Auch Groschopf weist darauf hin, dass durch die Veränderungen am Markt infolge des aktuellen Baubooms die Vermarktung freifinanzierter Projekte, insbesondere in Randlagen, schwieriger geworden sei.

"Entscheidend wird nun aber sein, wie schnell die Widmungen über die Bühne gehen", sagt Orner. Sein Unternehmen hätte Grundstücke im Süden und Nordwesten Wiens, bei denen die neue Widmungskategorie schon zur Anwendung kommen könnte, "aber das geht zu langsam". Mit zehn Jahren Laufzeit müsse man rechnen, bis ein Widmungsverfahren auf der grünen Wiese durch sei. (Martin Putschögl, Franziska Zoidl, 9.11.2019)