Pegasus, freches G'schau, sechs Monate alt, jüngster Überflieger in der Kolonie, spaziert gemütlich durch die matschige Wiese, die Hügelkuppe ist seit den frühen Morgenstunden in eine feuchte Nebelsuppe getaucht, ändert nach ein paar Schritten seine Richtung, steuert schließlich schnurstracks auf seinen Bauern zu, auf den Reindl-Hubert, wie alle im Ort sagen, und auf den Journalisten, der mit Diktiergerät gewappnet direkt neben ihm steht, um dann, plötzlich, wie einen dritten Flügel seine neugierige Zunge durchs Gatter zu strecken und genüsslich das technische Gerät abzuschlecken. Wagyu-Rinder, erste Lektion an diesem Morgen, haben eine ewig lange, anthrazitgraue Zunge.

Die Edel-Rinder

"Das ist eine der Besonderheiten dieser Rasse", sagt Hubert Huemer. "Denn Wagyu-Rinder sind eine sehr alte Rasse, die in Japan über viele Jahrhunderte hinweg kaum gekreuzt wurden. Aus diesem Grund konnten sich einige physische Eigenschaften wie der schlanke Körperbau und das schwarze, flauschig glatte Fell erhalten." Vor allem aber ist das Japanische Schwarzrind, so der offizielle Name dieser Unterrasse, für sein fettes, reichlich marmoriertes Fleisch bekannt. In Japan werden die Filetsteaks der Kobe-Luxusrinder um bis zu 600 Euro pro Kilo gehandelt.

"Davon sind wir weit entfernt", sagt der Nebenerwerbsbauer, der den Hof gemeinsam mit seiner Frau Diana und seinen sieben Kindern bewirtschaftet, "aber mit einem Kilogrammpreis von 229 Euro ab Hof ist das Filet auch bei uns kein Schnäppchen. Jedenfalls, wenn wir schon so ein hochwertiges Produkt halten und verkaufen, dann muss auch das Drumherum stimmen – und zwar nicht nur für die Kunden, die uns hier in Atzbach besuchen, sondern auch für uns selbst und nicht zuletzt für die Kühe." Eine goldrichtige Entscheidung. Gestern, Freitag, wurde der außergewöhnliche Stall als eines von insgesamt sechs Projekten im Architekturhaus Kärnten, Klagenfurt, mit dem Österreichischen Bauherrenpreis 2019 ausgezeichnet.

Japanischer Holz- und oberösterreichischer Sakralbau

2010 kam mit Josephine, heute zehn Jahre alt, die erste Wagyu-Kuh auf den Hof. In der Zwischenzeit ist die japanische Rindertruppe auf gut 40 Stück angewachsen. Für genau diese Anzahl entwarf der Wiener Architekt Herbert Schrattenecker, eine Empfehlung von Freunden aus dem Hausruck-Kreis, letztes Jahr einen Stall, der dem noblen Vieh alle Ehre erweisen sollte. Schratteneckers Antwort auf die Bauaufgabe ist ein rund 25 mal 15 Meter großes und acht Meter hohes Stabwerk aus massiver Fichte, das in seiner außergewöhnlichen Konstruktionsweise die Charakteristika von japanischem Holzbau und historischen Dachstühlen aus dem Sakralbau, wie sie in Oberösterreich immer wieder zu finden sind, in sich vereint.

"Ich habe schon einige historische Kirchen in der Gegend saniert und habe mittlerweile eine große Expertise in dieser Holzbauweise", sagt der Architekt. "Außerdem war mir wichtig, in Anlehnung an die Herkunft der Tiere, die japanische Holzbautradition in das Gebäude einfließen zu lassen." Aus diesem Grund besteht das Erdgeschoß wie in Japan aus vertikalen Stützen mit horizontalen Zangen ohne aussteifende Diagonalbalken, während die Heu- und Strohbühne im Obergeschoß in Dreiecke und aufgeklappte Vordächer aufgelöst ist und somit die europäische Holzbaukultur abbildet.

Viele Holzbauten nominiert

"Im Gegensatz zu den meisten Holzkonstruktionen, die heute aus industriellen Leimbindern gefertigt werden, haben wir hier bis zu neun Meter lange Vollholzbalken verwendet", so Schrattenecker. Bis auf wenige ingenieurmäßige Knoten, wo besonders große Kräfte zusammenkommen, handelt es sich bei den meisten Verbindungen um zimmermannsmäßige Zapfen, Zangen, Stirn- und Fersenversatze und klassische Falzüberblattungen. Rundherum ist die offene Konstruktion, an der man sich nicht sattsehen kann, mit Schiebeläden verkleidet, die im Hochsommer zur Querlüftung komplett zur Seite geschoben werden können.

"Für den heurigen Bauherrenpreis wurden etliche Holzbauten nominiert", erklärt Albert Kirchengast, Vorsitzender der Bauherrenpreis-Jury. "Bei diesem Projekt jedoch gehen Baustoff, Handwerk und die Liebe zum Tier eine besondere Symbiose ein. Das ist eine archaische Wohlfühlarchitektur, in der die hohe Bestellqualität der Bauherrenfamilie deutlich zu spüren ist." Der Bauherrenpreis wurde 1967 von der Zentralvereinigung der ArchitektInnen Österreichs (ZV) ins Leben gerufen und wird seitdem jährlich vergeben.

Ein Hybrid aus europäischer und japanischer Holzbautradition: Der Wagyu-Stall im oberösterreichischen Atzbach soll den 40 hochwertigen Wagyu-Rindern am Reindl-Hof ein ebenso exklusives Zuhause bieten.

Foto: Stefan Gruber

In Weingraben, Burgenland, schuf der Architekt Juri Troy diesen Streckhofzubau mit Schnapsbrennerei. Bauweise und Typologie orientieren sich am bestehenden Scheunengebäude. Bauherrschaft: Elisabeth und Claus Schneider.

Foto: Markus Bstieler

Man hatte bereits an einen Abbruch gedacht, als sich das desolate Haus obd'r Lech als ältestes Haus weit und breit herausstellte. Bauherr Clemens Schmölz entschied sich für einen Massivzubau. Architektur: Matthias Hein, Gernot Thurnher.

Foto: David Schreyer

2018 wurde die Universität für angewandte Kunst erweitert: Riepl Kaufmann Bammer Architekten wandelten das Gründerzeithaus am Wienfluss um und schufen ein Atrium mit Sichtbetongalerien. Bauherr: Bundesimmobiliengesellschaft (BIG).

Foto: Bruno Klomfar

Sägeraues Eschenholz und zweischaliger Sichtbeton prägen diese Ganztagsschule für sechs- bis 14-Jährige in Schendlingen. Architektur: Studio Bär, Bernd Riegger, Querformat. Der Preis geht an die Landeshauptstadt Bregenz, Abteilung Planung und Bau.

Foto: Adolf Bereuter

Wie baut man für sich selbst ein Büro? Das fragten sich Franz & Sue Architekten und die Bloch-Bauer-Promenade 23 Real GmbH. Die Antwort darauf ist ein archaisches Ding aus Betonfertigteilen, das auf den Namen Stadtelefant hört. (Wojciech Czaja, 09.11.2019)


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Foto: Andreas Buchberger