In der kalten Jahreszeit erwärmen an den Aktienbörsen zumeist Kurssteigerungen die Anlegerherzen.
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Zum Weltspartag Ende Oktober trommelten die heimischen Finanzinstitute angesichts fast unverzinster Sparbücher unisono zum Einstieg in die Aktienmärkte. Aber ist derzeit eigentlich ein günstiger Zeitpunkt, um das Ersparte an der Börse zu investieren? Eine Frage, auf die es zwar im Vorhinein keine allgemeingültige Antwort gibt – der man sich aber auf verschiedene Arten annähern kann.

·Grundsätzliche Überlegungen Den optimalen Zeitpunkt zum Einstieg in die Aktienmärkte erwischt man als Privatanleger ohnedies nicht – oder höchstens durch reinen Zufall. Dies lässt den Umkehrschluss zu, dass es zumindest im Vorhinein auch keine offensichtlich falsche Phase für Aktienkäufe gibt – da man für Aktieninvestments ohnehin einen sehr langen Anlagehorizont einplanen sollte.

Ein Beispiel anhand des deutschen Leitindex Dax, bei dem als sogenannter Performanceindex die Dividenden einberechnet werden: Wer Ende des Jahres 2007, also unmittelbar vor der Finanzkrise und damit zum ungünstigsten Zeitpunkt, ein Dax-Indexprodukt (ETF) erworben hatte, bügelte bis Frühjahr 2013 sämtliche Verluste wieder aus und kann bis heute sogar auf einen Gewinn von 64 Prozent verweisen. Einen etwas längeren Atem benötigte man allerdings an der Wiener Börse: Der Leitindex ATX liegt auch inklusive Dividendenausschüttungen derzeit gerade einmal zwei Prozent über dem Wert zu Jahresende 2007.

·Saisonalität Eine oft strapazierte Börsenweisheit lautet: Sell in may and go away. Diese beruht darauf, dass sich die Aktienmärkte statistisch betrachtet in der warmen Jahreszeit deutlich schlechter entwickeln als im Herbst und Winter. Unter diesem Blickwinkel erscheint ein Einstieg im November als durchaus günstig. Im Oktober fallen zwar üblicherweise auch Gewinne an, allerdings ist er der Crash-Monat schlechthin – der Börsenkrach 1929 fiel ebenso in den Oktober wie jener des Jahres 1987, auch in der Finanzkrise 2008 waren die Kurse im Oktober im freien Fall. Auch wenn historische Beobachtungen freilich keine Garantie für die Zukunft darstellen: Seitens der Saisonalität gibt es grünes Licht für einen Einstieg im November.

·Großwetterlage Die zwei größten Fallstricke für Wirtschaft und Aktienmärkte erscheinen derzeit weitgehend entschärft. Beim Brexit dürfte es wohl nicht zu einem chaotischen Austritt Großbritanniens aus der EU kommen, und auch beim Handelsstreit zwischen den USA und China stehen die Zeichen auf Entspannung – derzeit zumindest. Die Notenbanken in den USA und Europa fahren wieder einen expansiveren Kurs, der üblicherweise die Aktienmärkte unterstützt. Allerdings befindet sich die weltweite Konjunktur in einer Abkühlungsphase – sollte sich dieser Trend verstärken, werden wohl auch die Börsen Federn lassen müssen.

·Bewertung Die Behauptung, Aktienmärkte seien derzeit zu teuer, bedarf einer etwas differenzierteren Betrachtung – sie trifft nämlich nicht auf alle Börsen zu. Die gängigste Bewertung für Aktienmärkte erfolgt anhand des sogenannten Kurs-Gewinn-Verhältnisses (KGV). Es gilt: Je kleiner die Kennzahl, desto günstiger sind Aktien bzw. Indizes bewertet. Beim Dax liegt das KGV knapp über 15, das 30-jährige Mittel bei 19. Sprich: Der deutsche Aktienmarkt ist derzeit günstiger als im historischen Durchschnitt.

Anders sieht es an den US-Börsen aus. Das KGV des marktbreiten S&P-500-Index liegt mit einem Wert von fast 23 derzeit um sieben Punkte über dem langjährigen Mittel. Die Wall Street ist also eher teuer bewertet. Das bedeutet aber keineswegs, dass zwangsläufig eine Kurskorrektur anstehen muss. Gerade in Zeiten starken Wachstums der Unternehmensgewinne sind höhere Werte nicht unüblich – beim S&P 500 liegt das KGV etwa seit Ende 2014 fast durchgängig über 20.

·Aktiensparen Wer laufend mit Aktien, EFTs oder aktiv gemanagten Fonds anspart, also jeden Monat für einen gewissen Geldbetrag zukauft, für den erübrigt sich die Frage nach dem Einstiegszeitpunkt ohnedies. Denn im Lauf der Zeit ergibt sich durch die steten Zukäufe ein Durchschnittskurs, zu dem das jeweilige Anlageprodukt erworben wurde. Dennoch sollte man auch beim Aktiensparen eine mehrjährige Behaltedauer einplanen, um das Risiko zu minimieren, dass beim Ausstieg der aktuelle Preis unter dem durchschnittlichen Einstiegskurs liegt. (aha, 10.11.2019)