Ist Peter Handke Serbe oder Österreicher? Nach dem Auftauchen seines jugoslawischen Passes muss das nun juristisch geklärt werden, unterdessen sehen seine Unterstützer in der Berichterstattung einen "Willen zum Totalitarismus".

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Nachdem bekannt wurde, dass der österreichische Schriftsteller Peter Handke im Jahr 1999 einen jugoslawischen Pass in der Botschaft in Wien bekommen hatte, nahm Handke in der serbischen Zeitung "Novosti" Stellung dazu. Er betonte, niemals die jugoslawische Staatsbürgerschaft erhalten zu haben. "Ich hatte keine jugoslawische Staatsbürgerschaft. Den Reisepass habe ich für Reisen bekommen", so Handke zu "Novosti".

Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) lässt den Sachverhalt prüfen, ein Ergebnis soll es in der nächsten Woche geben. Er habe die Landesamtsdirektion umgehend nach Bekanntwerden mit der Prüfung beauftragt, sagte Kaiser am Rande der Landeshauptleutekonferenz in Wiener Neustadt am Freitag.

Ob und welche Konsequenzen es hätte, wenn Handke damals tatsächlich um eine jugoslawische Staatsbürgerschaft angesucht hat, wollte Kaiser nicht bewerten. Zunächst müssten alle Fakten auf den Tisch, "alles andere wäre Spekulation". Fest stehe, dass Handke 1999 keinen Antrag auf Doppelstaatsbürgerschaft gestellt habe.

Kaiser war es wichtig, darauf hinzuweisen, dass Handke ein "gebürtiger Kärntner" und ein "großer Literat" sei. Das sei unabhängig von der Passcausa festzustellen. Zudem freue er sich sehr über den Literaturnobelpreis, den Handke erhalten habe.

Serbisches Innenministerium gibt keine Auskunft

Der Verfassungsjurist Bernd-Christian Funk erklärte indes, dass der Verlust der Staatsbürgerschaft durch die Entgegennahme eines jugoslawischen Reisepasses nicht zwingend erfolge. "Die Tatsache eines Reisepasses ist noch kein Beweis für die Verleihung der Staatsbürgerschaft", so Funk zur APA. Auf eine Anfrage des STANDARD an serbische Behörden, ob Handke auch einen serbischen Pass erhalten habe und ob eine Staatsbürgerschaft für den Erhalt eines Passes – sei es im ehemaligen Jugoslawien oder heute in Serbien – notwendig sei, antwortete das serbische Innenministerium lediglich, dass man aus datenschutzrechtlichen Gründen keine Auskunft zur Causa geben könne. Außerdem wies man darauf hin, dass ein Großteil der betreffenden Daten bei einem Bombardement im Jahr 1999 verlorengegangen sei.

In den 1990er-Jahren hat nicht nur die jugoslawische Botschaft in Wien Pässe an Ausländer vergeben, auch andere Botschaften aus der Region vergaben Reisedokumente. 1999, zum Zeitpunkt des Kosovo-Kriegs, als Slobodan Milosevic noch an der Macht war, brauchte man ein Visum, um nach Jugoslawien einzureisen. Kritischen Journalisten wurden solche Visa wiederholt versagt. Der serbische Journalist Milan Saric twitterte indes, dass Handke auch einen deutschen Pass besitzen soll. Er habe diesen vor zwei Jahren bei einer Passkontrolle in Belgrad gesehen, so Saric.

Kritik an der Berichterstattung zu Handke kam indes von einigen österreichischen Schriftstellern: "Die Kritik an Peter Handke hat längst den Boden vertretbarer Auseinandersetzungen unter den Füßen verloren, sie besteht nur noch aus Hass, Missgunst, Unterstellungen, Verzerrungen und Ähnlichem mehr, sie ist zu einer Anti-Handke-Propaganda verkommen, der jedes Mittel recht ist, um gegen Handke recht zu behalten", heißt es in dem Schreiben, das von Daniel Wisser, Doron Rabinovici, Julya Rabinowich, Gerhard Ruiss und Klaus Kastberger unterschrieben wurde.

Handke bei umstrittener Preisverleihung

In den vergangenen Tagen wurde nicht nur der jugoslawische Pass von Handke publik, sondern auch Handkes Anwesenheit bei einer Veranstaltung anlässlich des 20. Jahrestags der Nato-Intervention im März dieses Jahres in Belgrad. Bei der Veranstaltung unter dem Motto "Nato-Aggression – Niemals vergessen – 1999-2019 – Frieden und Fortschritt statt Krieg und Armut" vom "Belgrader Forum für eine Welt von Gleichberechtigten" sprachen neben Handke auch einige Deutsche, wie Klaus Hartmann, Co-Vorsitzender des Internationalen Komitees "Slobodan Milosevic", der die "westlichen Kriegstreiber und ihre Medienmeute" kritisierte. Zugegen war auch der AfD-Politiker Rainer Rothfuß, der zuvor mit dem russisch-nationalistischen Motorradklub Nachtwölfe aufgetreten war.

Zudem ergriff der deutsche Psychologe Rudolf Hänsel das Wort. Hänsel schreibt für das verschwörungsideologische, rechtspopulistische Magazin "Compact", dessen Chefredakteur der bekannte deutsche Revisionist Jürgen Elsässer ist. Handke wurde bei der Veranstaltung in Belgrad im März laut "Compact" mit dem "Preis für Mut zur Wahrheit" geehrt.

Akademie will nicht weiterprüfen

Zuletzt hatte sein Gespräch mit den beiden Revisionisten Boris Krljic – alias Alexander Dorin – und Peter Priskil, das Peter Handke im Jahr 2011 führte, für Aufregung gesorgt. Handke distanzierte sich aber von den Aussagen in dem Interview: "Ich kann mir auch nicht vorstellen, diese Sätze in dieser Form so gesagt zu haben." Der schwedische Literaturhistoriker Mats Malm, ständiger Sekretär der Schwedischen Akademie, die den Literaturnobelpreis vergibt, schrieb auf Anfrage dem STANDARD, dass die Schwedische Akademie keinerlei weitere Untersuchungen in der Causa anstellen würde: "Nein, wir prüfen nicht weiter", so Malm.

In Bosnien-Herzegowina demonstrierten indes diese Woche Angehörige von Opfern des Kriegs vor der schwedischen Botschaft gegen die Vergabe des Nobelpreises an den Autor. Geschichtsklitterung und Revisionismus werden sowohl in Bosnien-Herzegowina als auch in den Nachbarländern von regierenden Politikern, die dem völkisch-nationalistischen Spektrum angehören, betrieben.

Zuletzt kritisierte die Menschenrechtskommissarin des Europarats, Dunja Mijatovic, dass das Verteidigungsministerium in Serbien bei einer eigenen Veranstaltung kürzlich ein geschichtsverfälschendes Buch über das Massaker in Tuzla im Mai 1995 beworben hatte. Der Autor Ilija Brankovic leugnet in dem Buch, dass das Massaker von der Armee der Republika Srpska durchgeführt worden ist. Mijatovic monierte, dass die "Verbreitung von Lügen und Fehlinformationen in einem Nachkriegskontext" gefährlich sei und "dauerhaften Frieden und Versöhnung ernsthaft untergräbt".

Treffen mit Karadžić

Und der Hohe Repräsentant der Internationalen Gemeinschaft in Bosnien-Herzegowina, Valentin Inzko bedauerte bei einer Rede in Yale, dass es immer noch Politiker und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens gebe, die behaupten, die europäischen Werte zu wahren, während sie den Völkermord in Srebrenica und andere Kriegsverbrechen in Bosnien-Herzegowina leugneten.

Inzko legt übrigens Wert auf die Feststellung, dass er im Jahr 1996 kein Treffen zwischen Handke und dem bosnischen Kriegsverbrecher und ehemaligen Präsidenten der Republika Srpska Radovan Karadžić organisiert habe. Inzko zum STANDARD über Karadžić: "Diesen habe ich im Leben nie gesehen und habe auch keinen Kontakt gehabt." Handke hatte im Jahr 2010 in einem Interview mit der "Süddeutschen Zeitung" über sein Treffen mit Karadžić gesagt: "Getroffen habe ich ihn nach einer Vermittlung von Valentin Inzko, damals österreichischer Botschafter in Sarajevo." (Adelheid Wölfl, 8.11.2019)