Die Länder sind für die stationäre Pflege (in Pflegeheimen) zuständig. Vor der Abschaffung des Pflegeregresses mussten Bewohner von stationären Einrichtungen die Kosten zum Teil selbst tragen.

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Wiener Neustadt / Wien – Die Landeshauptleute haben am Freitag in Sachen Pflegeregress neuerlich die Deckelung der Kompensationszahlungen durch den Bund auf 300 Millionen Euro für 2019 und 2020 kritisiert. Oberösterreichs Landeschef Thomas Stelzer (ÖVP) bezeichnete bei einer Pressekonferenz im Anschluss an die Landeshauptleutekonferenz in Wiener Neustadt die Diskussion als "unwürdiges Schauspiel".

Obwohl Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein Gesprächsbereitschaft signalisiert hatte, wollen die Landeschefs für die Lösung des Problems auf die neue Regierung warten, erklärte die derzeit Vorsitzende der Landeshauptleute-Konferenz Johanna Mikl-Leitner (ÖVP). Verantwortlich für die Höchstgrenze ist eigentlich ein Nationalrats-Beschluss von ÖVP und FPÖ von September.

In Wr. Neustadt findet derzeit die Landeshauptleutekonferenz statt. Dabei stehen brisante Themen wie der Ärztemangel und der Kostenersatz für den Pflegeregress auf dem Programm.
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40 Millionen mehr gefordert

Stelzer schweben jene 340 Millionen Euro vor, die die Länder in ihren Berechnungen den Bund vorgelegt haben. Diese seien "einseitig" zurechtgestutzt worden. In Oberösterreich etwa fehlten sechs Millionen. Das Geld müsse aber so, wie es gebraucht werde, zur Verfügung stehen. Schließlich habe der Bund mit der Abschaffung des Pflegeregresses in das Finanzierungssystem eingegriffen, leiste aber keinen Kostenersatz. Daher habe man einstimmig beschlossen, "sich Richtung Bund aufzumachen, um das Geld zu bekommen", so Stelzer, der sich bald wieder eine "politisch agierende Bundesregierung" wünscht.

Die Länder sind für die stationäre Pflege (in Pflegeheimen) zuständig. Der Bund hat 2017 (mit Inkrafttreten 2018) den Pflegeregress abgeschafft. Bis dahin mussten Bewohner von stationären Einrichtungen die Kosten zum Teil selbst tragen. Dafür wurden die Pension und das Pflegegeld zur Finanzierung des Pflegeplatzes einbehalten. Reichte das nicht aus, wurde auch das Vermögen der Betroffenen herangezogen. Letzteres ist Geschichte: Seit Anfang 2018 wird zumindest auf das Vermögen nicht mehr zugegriffen. Für den Einnahmenentfall wurde den Ländern Kompensationszahlungen durch den Bund zugesagt. Für 2018 erhalten sie insgesamt 295,5 Millionen Euro. Die Kritik der Länder stößt sich an der im September von ÖVP und FPÖ im Nationalrat beschlossene Höchstgrenze für die Kompensationszahlungen von jeweils 300 Millionen Euro für die Jahre 2019 und 2020, die aus dem Pflegefonds ausgeschüttet werden sollen.

Träger fordern Pflegegesamtkonzept

Die Hilfsorganisationen fordern in der Debatte über die Folgekosten der Regressabschaffung ein Gesamtkonzept im Pflegebereich. Die Abschaffung sei eine "isolierte Maßnahme" gewesen, erklärte das Hilfswerk, wenngleich man diese begrüße. Ähnlich argumentierten Volkshilfe und Diakonie.

Die Abschaffung des Regresses sei stets eine Forderung der Diakonie gewesen und sei "gut so", hieß es von der Diakonie. Gleichzeitig sei der Regress "nur eine Facette in der gesamten Thematik Pflege und Betreuung". Es brauche "schlicht ein Gesamtkonzept".

Zudem fordert die Diakonie, dass andere Pflegebereiche, etwa mobile Dienste und Tageszentren, nicht übersehen werden; auch dort gebe es nach wie vor hohe Selbstbehalte. Das "Ungleichgewicht zugunsten des stationären Bereiches" könne man jedenfalls nicht nachvollziehen.

"Isolierte Maßnahme"

Auch Hilfswerk-Geschäftsführerin Elisabeth Anselm sieht in erster Linie die Notwendigkeit eines Gesamtkonzepts. Das Hilfswerk habe bereits bei der Abschaffung des Pflegeregresses darauf hingewiesen, dass man die – grundsätzlich für richtig erachtete – Abschaffung des Pflegeregresses als "isolierte Maßnahme" sieht, ohne ein Gesamtkonzept auszuarbeiten. Es sei daher nun nicht verwunderlich, dass es eine große Diskussion darüber gibt. Außerdem müsse die Frage geklärt werden, was im Bereich der Pflege daheim zu tun ist – gerade im Abgleich zur Abschaffung des Regresses im stationären Bereich.

Volkshilfe-Geschäftsführer Erich Fenninger sagte, grundsätzlich brauche es eine Harmonisierung der in den neun Bundesländern unterschiedlichen Pflegesysteme. Daher steht auch auf seiner Wunschliste ein Gesamtkonzept ganz oben.

Die Forderung der Länder nach einer stärkeren Kompensation des Einnahmenentfalls kann Fenninger nachvollziehen. Immerhin habe ja auch der Bund die Abschaffung beschlossen. Grundsätzlich habe die Volkshilfe das Aus für den Regress begrüßt, betonte Fenninger. (APA, 8.11.2019)