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Von Türkis-Grün erwartet Monika Langthaler auch eine Politik, die Österreich als modernes, weltoffenes Land positioniert.

Foto: Mirjam Reither / picturedesk.com

Monika Langthaler kennt die Grünen und die ÖVP. Für die einen war die Ökologin fast ein Jahrzehnt (ohne Parteimitglied zu sein) Nationalratsabgeordnete, für die anderen war die seit 2000 selbstständige Unternehmerin Mitglied in dem von Sebastian Kurz nominierten Expertenteam, das für das türkis-blaue Regierungsprogramm 2017 Inputs lieferte. Dass ihr Name in diversen Ministerlisten kolportiert wird, überrascht denn auch nicht.

STANDARD: Ist es in Österreich jetzt Zeit für die erste Bundesregierung aus ÖVP und Grünen?

Langthaler: Aus meiner Sicht ist es absolut Zeit dafür, und es wäre genau der richtige Zeitpunkt. Ich selber beschäftige mich seit über 30 Jahren mit Umwelt- und Klimaschutz, und wenn wir uns die notwendigen Veränderungen vor Augen halten, dann braucht es von einer Regierung Maßnahmen, die alles unterstützen, was schrittweise in Richtung Klimaneutralität und Umsetzung dieser Art industrieller Revolution, die wir vor uns haben, geht. Alle Klimaforscher sagen zu Recht, wir haben noch zehn Jahre, in denen wir das Ruder herumreißen können, aber schon in den nächsten Jahren müssen Maßnahmen umgesetzt werden, die alle Lebensbereiche betreffen, vor denen man sich nicht fürchten muss, aber die halt jetzt angegangen werden müssen.

STANDARD: Sollen sich die Grünen also nach den Sondierungen trauen und mit der ÖVP offiziell in Regierungsverhandlungen eintreten?

Langthaler: Ich würde es mir als Staatsbürgerin, die hofft, dass im Klima- und Umweltschutz viel mehr weitergeht, massiv wünschen. Ja, ich würde es ihnen empfehlen. Mir ist auch bewusst, dass man dafür einen pragmatischen Zugang braucht. Aber nach 20 Jahren als Unternehmerin, gerade an den Schnittstellen zwischen Wirtschaft und Umweltschutz, weiß ich auch, dass das keine Gegensätze sind und es ganz sicher möglich ist, dass man hier von den Widersprüchen wieder zu einer gemeinsamen Politik kommen kann.

STANDARD: Was erhoffen Sie sich politisch von Türkis-Grün?

Langthaler: Zum einen ganz klare Signale, dass jene Wirtschafts- und auch Verhaltensformen, die die Umwelt schädigen, ökonomisch entsprechend bezahlt werden müssen, also dass es eine konsequente Bepreisung von allem, was diesen Planeten schrittweise kaputtmacht, gibt. Daran führt kein Weg vorbei.

STANDARD: Also muss eine CO2-Steuer ins Koalitionsprogramm?

Langthaler: Wie immer man das nennt. Es muss jedenfalls drin sein, dass jemand, der sich klimaschädigend verhält, für die Zerstörung auch entsprechend bezahlt. Darüber reden wir seit 30 Jahren. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, das muss nicht gleich Steuer heißen. Man könnte auch das Emissionshandelssystem ausweiten auf Verkehr und Gebäude. Das Zweite, was ich mir von einer türkis-grünen Regierung erhoffe, ist, dass wir insgesamt ein Bild abgeben, dass Österreich ein weltoffenes Land ist, das Menschen mit Respekt behandelt. Ein modernes Land, das weiß, wir leben nicht in einem Kokon, abgeschirmt vom Rest der Welt. Wir brauchen auch noch immer Modernisierungen im Bereich der Digitalisierung, im Ausbau einer modernen, auch grüngetriebenen Infrastruktur, die uns wettbewerbsfähig hält.

STANDARD: Jetzt kommt die ÖVP aber gerade aus einer Koalition mit der FPÖ, die man nicht unbedingt sofort mit "weltoffen" verbindet. Und auch "Menschen mit Respekt behandeln" haben Sie wohl nicht ganz zufällig angeführt. Ist diese ÖVP in diesem Sinne reif für eine Zusammenarbeit mit den Grünen? 2003 sind schwarz-grüne Sondierungen ja noch gescheitert.

Langthaler: Ich habe in den letzten 30, 35 Jahren die ÖVP schon auch als prointernational, proeuropäisch und mit einem offenen Zugang erlebt. Bei Regierungsverhandlungen müssen sich Parteien immer aufeinander zubewegen. Das ist möglich. Ich sehe darin nicht den großen Widerspruch.

STANDARD: Auf welche Fallstricke bei einer Koalitionsbildung sollten die Grünen aus Ihrer Sicht als Juniorpartner besonders aufpassen?

Langthaler: Generell ist es extrem wichtig, dass man sich Zeit nimmt, um Vertrauen zu entwickeln. Darum waren die langen Sondierungen sicher richtig. Das Beispiel Vorarlberg hat auch gezeigt, was es heißt, wenn man einander kennt und wirklich vertraut. Das ist auch der große Unterschied zu 2003. Heute haben die Grünen in einigen Bundesländern Regierungserfahrung und wissen, dass man als Juniorpartner realistisch sein muss, aber trotzdem seine Grundsätze nicht verraten darf. Aber da braucht man den Profis keine Empfehlungen geben. Die wissen schon, was sie machen.

STANDARD: Dennoch auch mit Blick auf die ÖVP gefragt, die Sie ja ebenfalls recht gut kennen: Nach Ihrer Expertise im Rahmen der ÖVP-FPÖ-Koalitionsgespräche haben Sie zuletzt über ihre Beratungsfirma vor allem via das Nachhaltigkeitsministerium unter Elisabeth Köstinger ökologische Expertise in die türkis-blaue Koalition eingespeist. Welche Schmerzpunkte bei den Grünen, die ein Koalitionsprogramm ja vom immer auch ein bisschen unberechenbaren Bundeskongress absegnen lassen müssen, sollte die ÖVP beachten?

Langthaler: Ich habe immer, auch in meiner politischen Zeit, einen pragmatischen Zugang gehabt, weil es mir wichtiger ist, Dinge umzusetzen, als jahrelang nur darüber zu reden. Aber ich will mir da keine Ratgeberrolle anmaßen, weil auf beiden Seiten politische Profis sitzen, die genau wissen, wie man da miteinander kommuniziert und welche Gelassenheit in den nächsten Wochen bei kurzfristigen Zeitungsmeldungen oder Zwischenrufen notwendig ist.

STANDARD: Sie gelten unbestritten als ministrabel und wurden etwa als Außen- oder auch als Bildungsministerin genannt, Umwelt wäre maßgeschneidert für Sie. Können Sie sich eine Rückkehr in die Politik als Ministerin vorstellen?

Langthaler: Ich fühle mich sehr geschmeichelt, aber zu hundert Prozent nein. (Lisa Nimmervoll, 9.11.2019)