Ein Mentoring-Programm will dafür sorgen, dass mehr Migranten in Jobs landen, die ihrer tatsächlichen Ausbildung entsprechen.

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Am Anfang geht es meistens bergab. Zwar bringen zahlreiche Migranten, die nach Österreich kommen, hohe Qualifikationen und reichlich Berufskenntnisse mit, ihr Talent bleibt jedoch vielfach ungenutzt. Anstatt in Bereichen zu arbeiten, die ihren tatsächlichen Begabungen entsprechen, landen Migranten – gerade in der Zeit nach ihrer Ankunft – häufig in Jobs, die weit unter ihrer Qualifikation liegen: Sie fahren Taxi, jobben in Lagerhallen oder arbeiten in Aushilfsjobs.

Ein Mentoring-Programm von Wirtschaftskammer (WKO), Integrationsfonds und Arbeitsmarktservice versucht seit einigen Jahren Abhilfe zu schaffen. Für das sechsmonatige Angebot werden hochqualifizierte Migranten und anerkannte Flüchtlinge mit heimischen Unternehmern und Angestellten gematcht. Seit 2008 nahmen bereits 2.220 Mentoringpaare an dem Programm teil.

Von Bulgarien nach Wien

Katarina Dimitrova ist eine davon. Die gebürtige Bulgarin ist mit ihrer Familie nach Österreich gekommen, nachdem ihr Mann hier eine Anstellung fand. Seit drei Jahren lebt Dimitrova nun in Wien, wie sie in fast einwandfreiem Deutsch erzählt. In Bulgarien war sie nach Abschluss ihres Wirtschaftsmasters knapp zehn Jahre im Marketing tätig, und auch in Österreich wollte sie weiter in der Branche arbeiten. "Die Bürokratie und die Sprache waren große Hürden", erinnert sich Dimitrova.

Die Bulgarin hat dennoch schnell eine Anstellung gefunden. Geholfen hat ihr dabei ihre Mentorin Gerda Rosenberger, die bei der Designagentur Moodley arbeitet. "Ich habe einen Riesenrespekt vor Menschen, die in ein fremdes Land kommen und sich hier einen neuen Weg bauen", erklärt Rosenberger ihre Motivation. Sie hat Dimitrova beim Bewerbungsprozess unterstützt und versucht, ihr "informelles Wissen, das man sich nicht in Büchern oder im Internet aneignen kann", zu vermitteln.

Rosenberger hat bereits zum zweiten Mal an dem Programm teilgenommen, auch Gabriel Alarcón unterstützte sie mit Wissen aus der Branche. Der Kolumbianer war in seinem Heimatland als Grafikdesigner und Fotograf tätig, die Liebe brachte ihn schließlich nach Wien. Hier hatte er Schwierigkeiten, ohne Kontakte einen passenden Job zu finden, und schlichtete drei Jahren lang bei einem Einzelhändler Kisten. Mithilfe von Rosenberger hat er schließlich Kontakte in der Kreativbranche geknüpft und sich ein eigenes Unternehmen aufgebaut. Mittlerweile zieren seine Designs einige Shops in Wien.

Kontakt auch nach Ende des Programms

Wie die Mentoring-Paare das Programm gestalten, bleibt größtenteils ihnen selbst überlassen. Über die WKO werden allerdings Vor- und Nachbereitungen wie auch Supervisionen angeboten. "Wir haben das immer recht flexibel gehalten", sagt Rosenberger, die auch nach Ende des Programms mit ihren Mentees in Kontakt geblieben ist.

"Über 80 Prozent der Mentoren sagen danach, dass sie vom Programm profitiert haben", erzählt Margit Kreuzhuber, Programmverantwortliche der WKO. Derzeit sei man auf der Suche nach weiteren Mentoren, die Bewerbungsfrist endet am 17. November. "Gesucht wird in allen Branchen, desto breiter wir aufgestellt sind, desto flexibler sind wir beim Matchen."

Das Matching bezeichnet Kreuzhuber als "Herzstück" des Programms. Dabei werde darauf geachtet, dass die Hintergründe beider Seiten gut zusammenpassen. Rund 80 Paare will man auch heuer wieder zusammenbringen. Mentoren müssen "gut im Arbeitsmarkt verankert" sein, für Mentees gibt es einige Auflagen: Sie müssen eine abgeschlossene Berufsausbildung, Zugang zum Arbeitsmarkt und Sprachkenntnisse auf B1-Niveau mitbringen. "Und grundsätzlich motiviert sein", fügt Kreuzhuber hinzu. Beim letzten Durchgang kamen die Mentees aus 28 Ländern und waren zu mehr als 90 Prozent Akademiker.

Viele Gründe für schwierige Arbeitsmarktintegration

Gründe für die schwierige Arbeitsmarktintegration von hochqualifizierten Migranten und Geflüchteten gibt es einige, erklärt Judith Kohlenberger vom Institut für Sozialpolitik der WU Wien. Neben sprachlichen Hürden scheitere der Weg zum passenden Job vielfach an der Bürokratie: Die Nostrifizierung von ausländischen Uniabschlüssen sei langwierig, Migranten würden daher oft den erstbesten Job nehmen, um ein Einkommen zu generieren. "Die Erfahrung hat gezeigt, dass es wesentlich schwieriger ist, später in den eigentlichen Bereich zu wechseln", sagt Kohlenberger. Einerseits würden die zeitlichen Ressourcen für eine Weiterqualifizierung fehlen, manche würden sich auch einfach mit der bestehenden Situation arrangieren.

Finanzielle Hürden

Die Migrationsexpertin erzählt aber auch von finanziellen Hürden, beispielsweise im Gesundheitsbereich: "Damit ich als Pflegefachkraft in Österreich arbeiten darf, müssen Geflüchtete einen Immunstatus nachweisen – was auch durchaus Sinn macht." Geflüchtete hätten zwar in vielen Fällen die entsprechende Ausbildung, aber keinen Impfpass, weshalb sie hunderte Euro für eine Titerbestimmung oder Impfungen ausgeben müssen. Geld, das Geflüchtete zumeist nicht haben. "Oft scheitert es dann an solchen Dingen."

Auch die fehlenden Netzwerke machen es für Migranten und Geflüchtete teilweise schwer, im Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. "In einem Land wie Österreich passiert vieles über Netzwerke, viele Jobs werden gar nicht erst ausgeschrieben", sagt Kohlenberger. Nicht zuletzt sei aber auch explizite oder implizite strukturelle Diskriminierung seitens der Arbeitgeber ein Thema. (Nora Laufer, 10.11.2019)