Eva Blimlinger, Leonore Gewessler und Sigrid Maurer: Drei Mandatarinnen des neuen grünen Klubs, der gerade im Aufbau ist.

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Wien – Im Windschatten des Sondierungsmarathons mit der ÖVP bis zum Wochenende versuchten sich die Grünen auch im Parlament stark aufzustellen: Denn nach ihrem Exodus aus dem Nationarat 2017 gilt es nun, gleich 26 Mandatarinnen und Mandatare bestmöglich zu positionieren. Bedeutet: Auch die Rollen der Bereichssprecher müssen verteilt und definiert werden. Mit Sigrid Maurer und Werner Kogler kehren ja nur zwei Abgeordnete aus der Zeit vor 2017 zurück. Die Karten sind also völlig neu verteilt.

Am Mittwoch fand deswegen eine stundenlange Klubsitzung statt, die aber ohne eine fertige Liste endete. Deswegen muss am Wochenende über Themenaufteilung samt Ausschussmitgliedschaften weiterberaten werden.

Für den Wiederaufbau des Klubs haben sich die Grünen schon knapp vor der Nationalratswahl Hilfe von außen geholt – bei einer systemischen Beraterin, mit der eigene Klausuren für den Neustart abgehalten wurden. Schon im Sommer, nach der grünen Listenerstellung, hielt man wiederum unter Klaus Werner-Lobo, grüner Ex-Gemeinderat in Wien und heute Coach und Clown in Personalunion, eine Veranstaltung zum Teambuilding für die Ökokandidaten mit aussichtsreichem Listenplatz ab – es sollen 27 gewesen sein.

Umwelt dominiert

Abgesehen davon gab es im Wahlkampfstress jedoch nur wenig Zeit, um den Parlamentsklub im Detail vorzubereiten. Um von späteren Koalitionsavancen der ÖVP nicht überrumpelt zu werden, kümmerte sich die Grünen-Spitze offenbar mehr um Vorbereitungen für etwaige Sondierungen als um die Aufstellung des eigenen Parlamentsklubs, was sich jetzt ein bisschen rächen dürfte.

Eine Baustelle tut sich etwa bei den Mitarbeitern der angehenden Bereichssprecher auf. Denn die Kompetenzen sollen nicht besonders ausgewogen verteilt sein: Im Umweltbereich tummeln sich sowohl bei Abgeordneten selbst als auch bei den Mitarbeitern massenhaft Koryphäen, während andere Bereiche eher dürftig ausgestattet sind – so ist beispielsweise Alma Zadic eine der wenigen Juristinnen im grünen Klub.

Bei einer etwaigen Regierungsbeteiligung der Grünen würden die wichtigsten Bereichsprecherstellen wohl wieder neu vergeben werden, gilt doch zum Beispiel Leonore Gewessler als Umweltsprecherin gesetzt. Aber ganz so sicher sind sich die Grünen ohnehin nicht, ob sie tatsächlich in einer Koalition landen werden. Mit der stetig näher rückenden Entscheidung über eine Aufnahme von Regierungsverhandlungen mit der ÖVP bereiteten sich die Ökos aber auch schon für den Worst Case vor: falls ÖVP-Obmann Sebastian Kurz früher oder später "hinschmeißt", wie man es in Ökokreisen ausdrückt.

Plan B für "Fall der Fälle"

Für dieses Szenario sieht der grüne Plan vor, dass Parteiboss Kogler "proaktiv sagt, was ist" – und zwar in den grünen Gremien und auch in der Öffentlichkeit. Im Detail soll dann darüber informiert werden, welche Agenden mit der ÖVP "auf dem Tisch lagen" und welche konkreten "Vorschläge" die Grünen dort unterbreitet – aber eben nicht und nicht durchgebracht – haben.

Hintergrund dieser Vorbereitungen sind freilich die einst mit Kurz' Vorbild und Vorgänger gemachten Erfahrungen im Februar 2003: Damals ließ ÖVP-Chef Wolfgang Schüssel nach einem einen einwöchigen Verhandlungsmarathon mit den Grünen im Morgengrauen die zuvor vielversprechenden und erstmaligen Koalitionsverhandlungen platzen – um danach im Höchsttempo erneut einen Pakt mit den Freiheitlichen zu schließen. Das wäre wohl auch diesmal möglich, lobte nicht zuletzt FPÖ-Chef Norbert Hofer stets die "gute Kooperation" mit der ÖVP.

Für das Aus mit den Grünen machte die Volkspartei damals allen voran die aufständische Wiener Landesgruppe verantwortlich – und diese Erzählung hält sich bei den Bürgerlichen bis heute. Das damalige Verhandlungsteam rund Alexander Van der Bellen, nun Bundespräsident, berichtete hingegen von einer anderen Version: Obwohl man sich in Untergruppen schon weitgehend geeinigt hatte, herrschte bei den schwarz-grünen Streitthemen Eurofighter und Studiengebühren, aber auch rund um ein alternatives Pensionsmodell und eine Grundsicherung plötzlich Stillstand – also bei der ÖVP null Bewegung. (nw, pm, fsc, 8.11.2019)