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Alle lächeln, obwohl der Druck groß ist: Annegret Kramp-Karrenbauer, Angela Merkel und Olaf Scholz.

Foto: dpa / Kay Nietfeld

Manchmal braucht es einen Blick von außen. Unter all den Analysen zum Zustand der großen Koalition in Deutschland stach diese Woche eine besonders hervor: jene des Entertainers Hape Kerkeling.

Der fasste bei den "GQ Men of the Year-Awards" seine Sicht der Dinge sehr pointiert zusammen. Über die Suche der SPD nach einer neuen Spitze meinte er: "Die, die es werden wollen, können's nicht. Und die, die können, wollen nicht."

Ähnlich sein Befund über die CDU: " Die Bundeskanzler werden wollen, können's nicht. Und die, die können, wollen's auch nicht." Nachsatz: "So wenig Kanzler wie heut war noch nie." Es gab viel Zuspruch für den 54-Jährigen.

Zwar haben sich die Groko-Partner diese Woche zur Halbzeit der Legislaturperiode selbst ein gutes Zeugnis ausgestellt und demonstrativ erklärt, dass man selbstverständlich bis zur nächsten Wahl im Jahr 2021 weiterregieren werde. Doch die Zuversicht wird eher äußerlich zur Schau gestellt.

In beiden Parteien stehen zwei schwierige Parteitage bevor. Die CDU trifft sich am 22. und 23. November in Leipzig. Als "einfacher Delegierter" des Hochsauerlandkreises wird auch Friedrich Merz mit von der Partie sein, und der hat in den vergangenen Wochen viel getan, um die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.

"Grottenschlechte" Regierung

Nach neuen Verlusten der CDU in Thüringen – ein Minus hatte es zuvor schon bei der EU-Wahl, in Sachsen und in Brandenburg gegeben – erklärte Merz, das Erscheinungsbild der Regierung sei "grottenschlecht". Das galt natürlich Kanzlerin Angela Merkel, aber auch gleich CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer, der Merz vor einem Jahr bei der Wahl zum CDU-Vorsitz unterlegen war. Sie sitzt ja auch als Verteidigungsministerin im Kabinett. Und überhaupt, so Merz, er könne sich nicht vorstellen, noch zwei Jahre mit Merkel weiterzumachen.

Auch weniger bekannte CDU-Leute (Norbert Röttgen, Roland Koch) stießen in dieses Horn, aber der Tadel von Merz wirkte natürlich am stärksten nach, zumal er auch noch ankündigte, am Parteitag eine Rede halten zu wollen.

Es gab so viele Gerüchte über einen Putschversuch, dass der Ex-Vizechef der Bundestagsfraktion dies dann mit den Worten "Das ist einfach Unsinn, die CDU stürzt ihre Vorsitzenden nicht" dementierte. Er wolle sich einfach weiter konstruktiv einbringen.

Merz liegt vor AKK

Zur Beruhigung trägt dies wenig bei, schließlich liegt Merz im "Deutschlandtrend" der ARD bei der Frage, wer Kanzlerkandidat werden solle, mit 42 Prozent weit vor AKK (19 Prozent). Und in der CDU selbst sind auch immer mehr davon überzeugt, dass Kramp-Karrenbauer keine Kanzlerkandidatin ist.

Apropos: Angesichts der desolaten Lage seiner Partei rät Norbert Walter-Borjans der SPD, auf einen Kanzlerkandidaten zu verzichten und bei der nächsten Wahl nur einen Spitzenkandidaten aufzustellen. Walter-Borjans, Ex-Finanzminister von Nordrhein-Westfalen, will mit Saskia Esken Anfang Dezember die SPD-Spitze übernehmen.

Laut einer Civey-Umfrage für den Spiegel wünschen sich 54 Prozent der SPD-Wähler das Duo Esken/"Nowabo" an der Spitze, nur 35 Prozent Finanzminister Olaf Scholz und Klara Geywitz.

Offiziell ist man im Willy-Brandt-Haus strikt neutral, es entscheiden in der zweiten Novemberhälfte per Stichwahl die Parteimitglieder. Doch die Führungsgremien der SPD möchten die große Koalition schon fortsetzen. Und der Fortbestand des Bündnisses wäre mit Esken/Walter-Borjans sehr viel unsicherer, die beiden gelten als Groko-Skeptiker. Zugeben würde es niemand, aber führende Rote hoffen daher, dass Scholz/Geywitz noch aufholen. (Birgit Baumann aus Berlin, 9.11.2019)