Schließt nach dem türkisen Sondierungsmarathon mit den Grünen eine ÖVP-FPÖ-Koalition dennoch nicht aus: Niederösterreichs Landeshauptfrau Mikl-Leitner (ÖVP).

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Wien – Trotz des türkisen Sondierungsmarathons mit den Grünen bis zum Wochenende schließt Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) nicht aus, dass es doch noch zu einer Neuauflage der ÖVP-FPÖ-Koalition kommt. Im Ö1-Gespräch hielt sie am Samstag fest: "Das ist immer eine Frage der Alternativen." Derzeit wisse man noch nicht, wie es die Grünen mit Verhandlungen halten, ebenso die SPÖ – und so "gibt es noch viele Fragen, daher muss man es offen lassen".

Bei der Koalitionsbildung dominiere die Frage, wie sich die ÖVP inhaltlich durchsetzen könne, damit es mit der Republik "gut weitergeht". Im Detail verriet Mikl-Leitner, dass die ÖVP "Sonntagabend" darüber entscheidet, mit wem sie "in Verhandlungen eintreten" will. Hintergrund: Am Nachmittag befindet der erweiterte Bundesvorstand der Grünen in der Wiener Urania, ob man mit Türkis Koalitionsgespräche aufnehmen will.

Kein Wunschkonzert

Ob man Kogler & Co für einen Regierungspakt inhaltlich nicht entgegenkommen müsse, auch wenn die ÖVP stets erklärte habe, von ihrer Mitte-rechts-Politik nicht abweichen zu wollen? Darauf Mikl-Leitner zu Ö1: "Koalitionsverhandlungen sind kein Wunschkonzert."

Zumindest beim Sprachgebrauch in der Migrationspolitik plädiert die mächtigste Landeshauptfrau für eine achtsamere Handhabe, nachdem Ex-Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) einst etwa das Asylzentrum im niederösterreichischen Traiskirchen in "Ausreisezentrum" umbenannt hat: "Eine sensible Sprache" sei "wichtig, die nicht zur Spaltung der Gesellschaft führt", sagte Mikl-Leitner – "genauso wie ein respektvoller Umgang zwischen den Parteien", denn das stärke das Vertrauen in die Bevölkerung, egal zu welcher Koalition es dann komme.

Deutschklassen ein Erfolg

Zu Knackpunkten zwischen Türkis und Grün, konkret zwischen ÖVP-Chef Sebastian Kurz und Grünen-Chef Werner Kogler befragt, ließ sich Mikl-Leitner keinerlei Details entlocken: "Wir wissen von beiden Personen, dass es eine gute Vertrauensbasis gibt", sagte sie.

Zum Streitthema Mindestsicherung etwa werde sie daher den Beteiligten "nichts ausrichten" – wohl aber lobte Mikl-Leitner die von Türkis-Blau eingeführten Deutschklassen für Kinder ohne ausreichende Sprachkenntnisse: "Wir haben beste Erfahrungen damit gemacht", erklärte sie, weil die Klassen "die Kinder in den Mittelpunkt stellen, um Deutsch zu lernen." Und Deutsch sei "immerhin der Schlüssel zur Integration".

Grüne Stoisits äußert Skepsis

Skepsis gegenüber einer türkis-grünen Koalition äußert die langjährige grüne Abgeordnete und ehemalige Volksanwältin Terezija Stoisits: "Sebastian Kurz ist für mich das Gegenteil von vertrauenserweckend", sagte sie zum Nachrichtenmagazin "Profil" über den ÖVP-Chef. Auch die Menschenbilder von ÖVP und Grünen seien nicht kompatibel, denn: Kurz habe "eine Law-and-Order-Politik mit autoritären Zügen vertreten".

Fischer glaubt an Regierung um Weihnachten

Altbundespräsident Heinz Fischer geht hingegen von einer Koalition aus ÖVP und Grünen aus: "Meine Prognose ist, dass um Weihnachten herum die österreichische Regierung zum ersten Mal eine Regierung mit den Grünen sein wird", sagte er am Samstag im Rahmen der Konferenz der Internationalen Politikberatervereinigung.

Es gäbe noch immer Menschen, die diese Kombination für unmöglich halten, aber seiner Einschätzung nach werde es dazu kommen: "Eine Koalition mit den Grünen ist für (ÖVP-Chef Sebastian, Anm.) Kurz die günstigste Version, sich die Mehrheit im Nationalrat zu sichern", so das ehemalige Staatsoberhaupt.

Fischers Meinung nach sei eine Koalition aus ÖVP und Grünen besser für Österreich als eine ÖVP-FPÖ-Koalition", denn: "Haider und (Norbert, Anm.) Hofer ist dasselbe", scherzte er. Die Partei habe noch immer "Sympathien" zum Nationalsozialismus. Zwar könne man heutzutage kein echter Nazi mehr sein, es gebe aber dennoch Personen, die die Naziherrschaft relativierten. (Nina Weißensteiner, APA, 9.11.2019)