Der Vorstoß kommt überraschend, denn noch im vergangenen März hatte Michael Bloomberg eine Kandidatur praktisch ausgeschlossen.

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Washington – Die Frage, ob Michael Bloomberg seinen Hut in den Ring wirft, gehört seit Längerem zu den Pflichtübungen amerikanischer Präsidentschaftswahlen, fast so obligatorisch wie der Konfettiregen nach vollzogener Kandidatenkür. Schon 2008 spielte der New Yorker Unternehmer mit dem Gedanken, an den Start des Rennens zu gehen, damals im Feld der Republikaner. Seitdem kann man alle vier Jahre darauf warten, dass es wieder mal in Gerüchteküche brodelt, weil Bloomberg angeblich gründlich nachdenkt über eine Bewerbung fürs Weiße Haus. Diesmal allerdings ist es wohl mehr als nur ein Versuchsballon.

Am Freitag ließ er sich in Alabama in ein Register eintragen, um bei den Vorwahlen der Demokraten kandidieren zu können. Zwar gehen die Primaries dort erst im März über die Bühne, einen Monat nach dem Auftakt in Iowa. Doch die Meldefrist für interessierte Anwärter ist in Alabama schon jetzt, außergewöhnlich früh, abgelaufen. Indem Bloomberg gerade noch rechtzeitig den Papierkram erledigte, signalisierte er, dass er es diesmal ernst meint. Einer seiner engsten Vertrauten begleitete es mit Sätzen, die genau das unterstreichen sollen.

"Gefahr für unsere Nation"

Man müsse sicherstellen, dass Donald Trump 2020 besiegt werde, sagte Howard Wolfson, de facto der Sprecher des Magnaten. Dieser Präsident stelle eine "nie dagewesene Gefahr für unsere Nation" dar. Mike Bloomberg mache sich indes zunehmend Sorgen, dass das Aufgebot der Demokraten "nicht gut positioniert" sei, um ihn zu schlagen. "Mike wäre in der Lage, in den Kampf gegen Trump zu ziehen und ihn zu gewinnen." Spätestens am Super Tuesday Anfang März, wenn in 14 Bundesstaaten zugleich Vorwahlen anstehen, deutete der Berater an, dürfte Bloomberg mit von der Partie sein.

Der Vorstoß kommt überraschend, denn noch im vergangenen März hatte der 77-Jährige eine Kandidatur praktisch ausgeschlossen. Damals sah er in Joe Biden den haushohen Favoriten, und da der Vizepräsident der Ära Obama wie auch Bloomberg die pragmatische Mitte besetzt, wollte er ihm nicht in die Parade fahren.

Die Härte des Wahlkampfmarathons aber hat Bidens Schwächen in aller Schonungslosigkeit offenbart. Bei Debattenauftritten wirkt er oft fahrig, bisweilen wie ein leicht kauziger Greis. Davon profitiert Elizabeth Warren, die hellwache Senatorin aus Massachusetts, die eine Vermögenssteuer fordert und private Krankenversicherungen durch ein steuerfinanziertes Gesundheitssystem ersetzen möchte. Was Zentristen wie Bloomberg fürchten lässt, die Demokraten könnten sich von der Mitte weg so weit nach links bewegen, dass sie das Finale gegen Trump verlieren.

Geldaristokraten

Die Demokraten und ihr Mäzen, es ist eine komplizierte Beziehung. Zum einen weiß die Partei zu schätzen, wie er sie vor den Kongresswahlen 2018 mit opulenten Spenden unterstützte. Zum anderen haben Warren und ihr Senatskollege Bernie Sanders die stetig wachsende Einkommenskluft zwischen den reichsten Amerikanern und dem Rest der Gesellschaft zu einem zentralen Thema gemacht. An der Basis weht Geldaristokraten ein ausgesprochen heftiger Wind ins Gesicht: Einer, der Kalifornier Tom Steyer, bekommt es gerade zu spüren. Im Juli angetreten, hat der ehemalige Hedgefonds-Manager den Umfragen zufolge bislang nicht den Hauch einer Chance. Und als sich die Gerüchte in Sachen Bloomberg verdichteten, hieß ihn Warren mit satirischer Schärfe willkommen. Auf ihrer Website, teilte die frühere Harvard-Professorin mit, gebe es einen Rechner für Milliardäre. Dort könne man schon mal nachrechnen, was man unter einer Präsidentin Warren an Steuern zu zahlen hätte.

Bloomberg scheffelte ein Vermögen, nach Schätzungen des Magazins "Forbes" 52 Milliarden Dollar, weil sein 1981 gegründetes Unternehmen schnelle Finanzinformationen lieferte und er früher als andere erkannte, wie gründlich der Computer die Börsenbranche umkrempeln würde. Von 2002 bis 2013 war er Bürgermeister New Yorks. Die Stadt wurde schöner und sicherer, sie wurde wie nie zuvor zu einem Touristenmagneten, doch für Normalverdiener in etlichen Vierteln nicht mehr bezahlbar. Während "Mayor Mike" die Gentrifizierung feierte, vernachlässigte er den sozialen Wohnungsbau und blendete die Schattenseite des Booms weitgehend aus. Die Parteilinke dürfte ihn mit Sicherheit noch einmal daran erinnern – falls er nicht doch noch kalte Füße bekommt.

Dass er überhaupt eine Bewerbung erwägt, hat ganz wesentlich mit Trump zu tun – New Yorker wie er, Tycoon wie er, aber ansonsten sein Erzfeind, ein Mann, den er für einen egomanischen Aufschneider hält. Auch inhaltlich versteht sich Bloomberg in wichtigen Punkten als kompletter Gegenentwurf: engagiert für Klimaschutz und strengere Waffenkontrollen, außenpolitisch ein Fürsprecher von Allianzen, denen der Präsident sein "America first" entgegensetzt. Das Reichste an Trump sei dessen Scheinheiligkeit, hat er einmal gespottet, auf dem Kongress der Demokraten, der Hillary Clinton ins Rennen gegen den Immobilienmogul schickte. "Ich bin aus New York. Ich erkenne einen Hochstapler, wenn ich ihn vor mir habe." (Frank Herrmann, 10.11.2019)