Service für Arbeitssuchende. Unter diesem Motto steht die Arbeit des AMS, das die Aufgabe hat, Jobsuchende und Unternehmen in Österreich zusammenzubringen. Diese Mission erfüllt das AMS für hunderttausende Menschen im Land Jahr für Jahr. Doch parallel dazu ist das Arbeitsmarktservice in mehrere juristische Auseinandersetzungen verwickelt, in denen es dafür kämpft, Arbeitssuchende von einem Job fernzuhalten.

In diesen Fällen geht es um Asylwerber in Österreich und um die Frage, wann sie Zugang zum Arbeitsmarkt bekommen. Die Causa zeigt, wie das Sozialministerium – von dort kommen die Weisungen an das AMS in der Sache – juristisch alle Möglichkeiten ausschöpft, um das rigide Arbeitsrecht für Asylwerber durchzusetzen, obwohl es EU-Regeln widerspricht.

Betroffen ist eine große Gruppe. Die Zahl der Migranten, die einen Asylantrag in Österreich stellen, ist zwar seit 2015 rückläufig. Dennoch gibt es aktuell noch immer 29.000 anhängige Asylverfahren. Die Rechtslage für diese Menschen schien in Österreich lange Zeit klar zu sein.

Ein umstrittener Erlass

2004 hat der damalige Arbeitsminister Martin Bartenstein (ÖVP) einen Erlass ausgegeben, der Asylwerbern den Zugang zum Jobmarkt verwehrte. Der bis heute formal gültige Bartenstein-Erlass legt fest, dass Asylwerber nur als Erntehelfer oder als Saisonkräfte im Tourismus arbeiten dürfen, und auch da nur im Rahmen von Kontingenten für Migranten. Damit wollte Bartenstein eigentlich zumindest eine Möglichkeit für Asylsuchende offenhalten, um in den Arbeitsmarkt zu kommen.

Die FPÖ wollte 2004 den Zugang ganz kappen. Doch der Erlass hat die Grenzen so eng abgesteckt, dass bis heute Asylsuchende kaum einen Job finden. Eine Zeitlang gab es noch für Asylwerber unter 25 die Möglichkeit, eine Lehre in einem Mangelberuf zu machen. Doch im September 2018 hat die türkis-blaue Regierung diesen Weg versperrt.

Das EU-Recht geht vor

Mehrere Urteile des Bundesverwaltungsgerichts kamen in den vergangenen Monaten aber zu dem Ergebnis, dass der Bartenstein-Erlass rechtswidrig ist und die Asylwerber sehr wohl arbeiten oder eine Lehre machen dürfen. Ein Fall betrifft einen Asylwerber, der eine Elektrotechniklehre bei einem Unternehmen in Oberösterreich beginnen wollte.

Die Firma beantragte im Februar 2019 eine Beschäftigungserlaubnis für den Mann. Das AMS lehnte ab. Gegen den Bescheid legte die Firma Berufung beim Bundesverwaltungsgericht ein – und bekam im Juli recht. Warum? Hier kommt das EU-Recht ins Spiel.

Eine EU-Richtlinie legt seit 2015 fest, dass Menschen "spätestens neun Monate" nachdem sie ihren Asylantrag gestellt haben einen effektiven Zugang zum Arbeitsmarkt erhalten müssen. Das Bundesverwaltungsgericht hält in der Entscheidung fest, dass der Bartenstein-Erlass mit dieser Richtlinie unvereinbar ist, weil sie einen effektiven Zugang verhindert. Die Richtlinie hat in solchen Fällen Vorrang.

Zu demselben Ergebnis kam schon ein Verwaltungsgericht 2018. Damals ging es um einen Asylwerber aus Bangladesch, der als Restaurantleiter in Wien arbeiten wollte. Dieses Urteil ist inzwischen rechtskräftig.

Im vergangenen Jahr hat Türkis-Blau den Erlass, der Asylwerbern den Zugang zur Lehre ermöglichte, gestrichen. Gerichte lassen Asylwerber dennoch zur Lehre zu.
Amuse Bouche

Im Fall des erwähnten Elektrotechniklehrlings hat das AMS aber eine Revision beim Verwaltungsgerichtshof eingelegt.

Die Weisung dazu soll aus dem Sozialministerium gekommen sein. Das AMS argumentiert folgendermaßen: Im Wortlaut der EU-Richtlinie heißt es, dass der Zugang zum Arbeitsmarkt zu gewähren ist, "sofern nach neun Monaten noch keine erstinstanzliche Entscheidung" im Asylverfahren erlassen wurde.

Im Fall des Lehrlings wurde die Entscheidung nach neun Monaten erlassen. Sie war aber negativ, der Mann hat kein Asyl zuerkannt bekommen, wogegen er in Berufung gegangen ist. Der Fall ist also in zweiter Instanz. Gilt der Zugang zum Arbeitsmarkt in solchen Fällen auch?

Das neue Argument im Rechtsstreit

Die Anwältin des Lehrlings und der Elektrofirma, Michaela Krömer, sagt, dass das AMS im klaren Widerspruch zu den EU-Vorgaben argumentiere. Nirgends stehe geschrieben, dass nach einem negativen Entscheid in erster Instanz keine Beschäftigungserlaubnis zu erteilen ist. Die EU-Regeln besagen sogar, dass eine Erlaubnis nicht entzogen werden kann, nur weil in der ersten Instanz negativ entschieden wird.

Aber warum lässt das Sozialministerium das AMS mit diesem neuen Argument überhaupt Revision einlegen, wenn zuvor schon Gerichte in mehreren Entscheidungen die massiven Einschränkungen für Asylwerber nicht akzeptierten? Das Sozialministerium argumentiert, dass man die Rechtslage vom Höchstgericht geklärt haben will. Die Entscheidung für die Revision fiel unter der aktuellen Sozialministerin Brigitte Zarfl.

Aber geht es nur um juristische Erwägungen? Ein ähnlicher Fall zeigt, dass Zweifel an dieser Argumentation angebracht sind.

Diese zweite Geschichte dreht sich um die oberösterreichische Tischlerei Krbecek in Aschach an der Donau. Sie hat im August 2019 einen Asylwerber als Lehrling eingestellt. Der Anstellung war eine regelrechte juristische Schlacht vorausgegangen. Im Herbst 2018 lehnte das AMS den Antrag auf eine Beschäftigungserlaubnis für den Lehrling ab. Dagegen erhob die Firma Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht – und bekam recht. Auch hier wegen der EU-Regeln.

Das AMS sucht und sucht und sucht

Das AMS musste daraufhin im Jänner 2019 ein Ersatzkräfteverfahren durchführen. Dabei schaut das AMS, ob nicht ein geeigneter Österreicher oder ein schon hier lebender Migrant für die freie Lehrlingsstelle gefunden werden kann. Das war nicht der Fall. Das AMS hätte sodann per Bescheid die Beschäftigungserlaubnis für den Asylwerber erteilen müssen. Tat es aber nicht. Es wurde ein neues Ersatzkräfteverfahren durchgeführt, das Ergebnis war gleich.

Das AMS erließ aber wieder keinen Bescheid. Schließlich wurde noch ein drittes Mal nach Ersatzkräften gesucht. Wieder fand sich niemand. Michaela Krbecek von der Tischlerei erzählt, wie das AMS wieder und wieder versuchte, andere Bewerber zu finden, die aber nicht wollten, nicht konnten, weil sie kein Auto für die Anfahrt zum Betrieb hatten, oder zu Vorstellungsterminen einfach nicht erschienen. Die Tischlerei hatte zuvor schon jahrelang niemanden gefunden.

Die Anwältin des Betriebs legte in der Zwischenzeit Säumnisbeschwerde ein, weil nicht entschieden wurde. Erst nach rund sechs Monaten erteilte das AMS die Genehmigung. Warum die Verschleppung?

Das Sozialministerium bestätigt, dass es eine Weisung unter Ministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) gab, immer neu nach Ersatzkräften zu suchen. Die Vermutung liegt nahe, dass Türkis-Blau den Stopp der Lehre für Asylwerber 2018 zwar verkündete, die rechtliche Grundlage aber fehlte, was die Regierung nicht hinnehmen wollte. Im Ministerium heißt es, dass das Verfahren "tatsächlich unüblich lang dauerte", aber noch im Rahmen der gesetzlichen Fristen abgeschlossen wurde. (András Szigetvari, 11.11.2019)