Das Publikum im Megaplex Gasometer stand klar auf der Seite von G2, spendete aber dem neuen Weltmeister FPX dennoch den verdienten "GG"-Applaus.

Foto: DER STANDARD/Pichler

Die jährliche Weltmeisterschaft in League of Legends (LoL) ist geschlagen. Der Fix-Termin im Kalender großer E-Sports-Events hat mit Funplus Phoenix (FPX) aus der chinesischen Liga LPL einen würdigen Sieger gefunden. Die klare Niederlage des europäischen Vertreters G2 zementiert auch den Status der chinesischen Liga als die stärkste "League"-Region der Welt. Die letzten Vertreter des einstigen Platzhirschen Korea mussten bereits im Halbfinale das Feld räumen.

Das Moderatorenteam der Veranstaltung favorisierte G2 im Best-of-Five klar und auch beim Publikum in der mehr 20.300 Besucher fassenden Accorhotels Arena in Paris sowie beim Public Viewing im Wiener Gasometer genoss G2 klaren Heimvorteil. Dass sich FPX durchsetzt erschien vielen zwar möglich. Dass der LPL-Gewinner, der der Gruppenphase nur knapp entkommen war, den LEC-Meister mit 3-0 überfährt, dürfte so gut wie niemand erwartet haben.

Zeit für eine Analyse

Es gibt allerdings drei Schlüsselfaktoren, die diese klare Entscheidung herbeigeführt haben. Dazu nun eine überblickshafte Analyse. Die Detailinspektion der einzelnen Matches und Spielerperformances werden mit Sicherheit bald auf LoL spezialisierte Seiten übernehmen.

Die Highlights des ersten Spiels.
Onivia League of Legends Highlights (LCS, LCK, LPL, LMS)

Punkt 1: FPX ist das neue G2

Was G2, wie im Halbfinale gegen SKT gut vorexerziert wurde, auszeichnet, ist eine extrem dynamische Entscheidungsfindung. Das Team ist in der Lage, sehr schnell Objectives (Türme, Drakes, Baron) zu forcieren oder Gegner, die sich einem Objective widmen, schnell zu antworten – sehr gerne mit Durchbrüchen in einzelnen Lanes. Insbesondere Ersteres hat heute vor allem FPX übernommen.

Im ersten Spiel war dies durch zwei schnelle Kills zu Beginn begünstigt, im zweiten durch individuelle Fehler von G2 (dazu mehr im nächsten Punkt). Besonders auffällig war das aggressive Spielen auf Turret-Plates für zusätzliches Gold zu Beginn des Spieles (für Nichtkenner: Zehn Minuten lang erhält man Gold für zerstörte 20-Prozent-Gesundheitsblöcke an den äußersten Türmen des Gegners).

Die Highlights des zweiten Spiels.
Onivia League of Legends Highlights (LCS, LCK, LPL, LMS)

Punkt 2: G2 ist das neue Fnatic

Immer wieder – und besonders in den ersten beiden Games – erinnerte das Spiel von G2 an jenes des europäischen Rivalen Fnatic im letztjährigen Finale und diesjährigen Viertelfinale. Gerade Support Mikyx fiel mehrfach mit einer Mischung aus Pech und Fehleinschätzungen auf, indem er mehreren Spielern von FPX in Manier von Fnatics Hylissang mutterseelenalleine in die kampfbereiten Arme lief, was insbesondere das lange recht ausgeglichene erste Game zum Kippen brachte. Fehler, die auf diesem Level einfach nicht passieren sollten.

G2-Jungler Jankos gelang es zudem nicht, auch nur ansatzweise den Einfluss auf das Spielgeschehen auszuüben, den sein FPX-Pendant Tian hatte – der absolut zurecht zum Spieler des Finales gewählt wurde.

Die Highlights des dritten Spiels.
Onivia League of Legends Highlights (LCS, LCK, LPL, LMS)

Punkt 3: Der unterschätzte Jungler

Nachdem die "fantasievolle" Botlane mit Yasuo und Gragas in Partie 2 zum sprichwörtlichen "Griff ins Klo" wurde, versuchte man es bei G2 im dritten Match schließlich mit einer "traditionelleren" Zusammensetzung und mehr Disziplin. Man scheiterte letztlich an den Folgen eines selbst initiierten Teamfights, in dem man sich aufsplitten ließ und verlor.

Eine gewichtige Rolle in jenem Scharmützel und auch schon den Spielen davor hatte Tian, der Veigar von G2 Caps ins Verderben kickte und in allen drei Games mit Lee Sin im Jungle unterwegs war. Die Finalverlierer werden sich die Frage stellen müssen, warum sie in allen drei Spielen ihre Picks und Bans vor allem auf FPX-Midlaner Doinb zuschnitten, aber nicht einmal im letzten Game Lee Sin für sich beanspruchten oder bannten. Denn mit ihm hatte Tian zum Erfolg seiner Mannschaft spielerisch erheblich mehr beigesteuert, als sein (freilich auch nicht ganz zu Unrecht) gehypter Teamkollege.

Fazit

FPX überzeugte im Finale mit hoher Aggression im Early Game, dem seine Gegner wenig entgegen zu setzen hatten. Die LPL-Champs kauften G2 allerdings nicht nur im Teamplay die Schneid‘ ab, sondern in vielen Situationen auch in Sachen individueller Klasse. Dass G2 ausgerechnet im Endspiel keine gute Tagesform erwischt, ist schade, aber eben nur ein Teil der Erklärung.

Selbst ein G2 in Hochform hätte wohl verloren, wenn auch nicht so klar. So wie die Zeichen derzeit stehen, darf man auch bei den Worlds im kommenden Jahr mit chinesischen Titelfavoriten rechnen, die dann noch dazu auf heimischen Boden um die zweite Titelverteidigung spielen werden. (Georg Pichler, 10.11.2019)