Foto: Bo Wang

Die Bedecktsamer sind so etwas wie die blühende Großmacht unseres Planeten. Mit über 300.000 bekannten Spezies bilden diese Blütenpflanzen die artenreichste Klasse im Pflanzenreich. Nahezu alle Pflanzen, die der Mensch nutzt, zählen dazu. Den Grundstein für ihren Erfolg dürften die Bedecktsamer in der Trias gelegt haben, vor rund 240 Millionen Jahren. Der wirkliche Durchbruch gelang ihnen aber erst viel später: Fossilien zeigen, dass es in der Kreidezeit vor rund 100 Millionen Jahren zu einer regelrechten Artenexplosion dieser Blütenpflanzen gekommen ist.

Uralter Fall von "Photobombing": Links drängt sich ein Fransenflügler ins Bild (gelb), der mit der Studie nichts zu tun hat. Analysen des Käfers dahinter zeigten, dass sich das Insekt bereits auf Blütenstaub spezialisiert hatte.
Foto: Bo Wang

"Abscheuliches Mysterium"

Schon Charles Darwin rätselte über dieses "abscheuliche Mysterium", freilich hatte der große Naturforscher auch eine mögliche Erklärung parat: Insekten, die Nektar und Pollen zunehmend für sich entdeckten, könnten die brummenden Motoren dieser spektakulären Artenbildung gewesen sein. Seit Darwins Vermutung haben sich die Hinweise auf eine zentrale Rolle von Bestäuberinsekten tatsächlich immer mehr verdichtet, direkte Nachweise durch Fossilfunde aus dieser Zeit fehlten allerdings. Bis jetzt.

Wissenschafter berichten in der aktuellen Ausgabe des Fachblatts "PNAS" vom Fund eines 99 Millionen Jahre alten Käfers, der den lange gesuchten Puzzlestein darstellen dürfte. Die Forscher um Wang Bo von der Chinesischen Akademie der Wissenschaften und David Dilcher von der University of Indiana sprechen von einem absoluten Glücksfall. Denn das Tierchen, das in einer Mine im Norden Myanmars entdeckt wurde, ist in Bernstein eingeschlossen und dadurch bestens erhalten.

Dieses 99 Millionen Jahre alte Stück Bernstein aus einer Mine im Norden von Myanmar hat sich als Zeitkapsel der besonderen Art erwiesen: Forscher fanden darin einen Käfer, der Blütenstaub aufgesammelt hat. Es ist der älteste Nachweis für die erfolgreiche Partnerschaft von Insekten und Pflanzen.
Foto: Bo Wang

Staubiger Stachelkäfer

Ihm ist seine Tätigkeit als Pflanzenbestäuber wortwörtlich anzusehen: Die Wissenschafter konnten auf dem Körper des Käfers insgesamt 62 Blütenkörner nachweisen. Das Insekt erhielt den Namen Angimordella burmitina, es stellt eine ausgestorbene Art der Stachelkäfer dar, die noch heute eine ausgeprägte Vorliebe für Blütenstaub an den Tag legen.

Dass der Käfer nur zufällig in Kontakt mit einer Blüte gekommen sein könnte, ehe er vom Harz überrascht wurde, schließen die Forscher aus. Mithilfe der sogenannten Röntgenmikrotomografie konnten sie den Körperbau im Detail analysieren und dabei eine ganze Reihe an Eigenschaften feststellen, die eindeutig für einen Pollensammler sprechen. Vor allem die Körperform und das Mundwerkzeug zeugen davon, dass sich A. burmitina auf Pollenstaub spezialisiert hat.

Künstlerische Darstellung von A. burmitina bei der Arbeit.
Illustration: Ding-hau Yang

Nicht nur das: Analysen der Pollenkörner enthüllten, dass sie aufgrund ihrer Beschaffenheit geradezu ideal für das Aufsammeln durch Insekten waren. Für Dilcher ist das kein Zufall: "Abgesehen davon, dass es sich um den ersten Bestäubungsnachweis einer Blütenpflanze überhaupt handelt, zeugt dieser Fund beispielhaft von der kooperativen Evolution von Pflanzen und Tieren in dieser Phase der Erdgeschichte." (David Rennert, 12.11.2019)