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Brexit-Ultra Nigel Farage wurde beim Besuch dieses britischen Pubs nicht gescannt, wohl aber fotografiert.

Foto: Gareth Fuller/ AP

London – Wer es je gewagt haben sollte, sich an einer britischen Bushaltestelle vorzudrängen, weiß, wie unpopulär diese Tugend auf der Insel ist. Es verwundert deshalb nicht, dass ausgerechnet in einem Londoner Pub den notorischen Vordränglern ein Riegel vorgeschoben wird. In der als "KI Bar" angepriesenen Bar namens The Underdog wird mithilfe von Gesichtserkennungssoftware neuerdings am Tresen die Reihenfolge der wartenden Gäste eruiert. "Wir wollen unseren Kunden einen reibungslosen und fairen Besuch ermöglichen", sagt John Wyllie, der Manager hinter der Software des britischen KI-Start-ups Datasparq. Ebenso will man durch die ermittelten Daten besser errechnen können, wann wie viel Personal benötigt wird.

Das Prinzip im Video.
Mashable

Jedem Gast wird nach dem kurzen Gesichtsscan eine Zählnummer zugewiesen, die für Barkeeper und Gäste auf Bildschirmen offen einsehbar ist. Wurde ein Kunde bedient, löschen die Angestellten die Person aus der Reihe. Revolutionär ist diese technische Neuerung nicht wirklich, könnte man doch schließlich auch klassisch eine Nummer ziehen wie auf einem Amt. Aber das wäre dann wohl zu rückständig für eine Bar, die sich mit künstlicher Intelligenz schmückt.

Neu ist aber auch, dass man die ungefähre Wartezeit für sein Pint mitgeliefert bekommt sowie die Information, dass man die ID-Karte herrichten soll, sofern die Software denn findet, dass man jünger als 25 aussieht. Für eine etwaige zweite Bestellung merkt sich die Software das Gesicht, und so muss man sich kein zweites Mal ausweisen. Jeden Abend werden die Daten aber gelöscht, heißt es von den Barbetreibern.

Scharfe Kritik von Datenschützern

Da das natürlich dennoch das vorübergehende Speichern biometrischer Daten erfordert und mit der europäischen Datenschutzgrundverordnung nicht ohne Einverständniserklärung der gefilmten Personen erlaubt wäre, muss jeder Gast bei Betreten der Bar seine schriftliche Zustimmung geben. Auch deshalb setze man die Software derzeit nur bei speziell ausgeschilderten Events ein. Zahlreiche Datenschutzaktivisten kritisieren dennoch die aus ihrer Sicht nicht notwendige Verwertung biometrischer Daten und befürchten etwa Hackerangriffe auf das Pub.

Sie kritisieren, dass die Regeln für den Einsatz von Gesichtserkennungssoftware nicht ausreichen. Zudem befürchten sie, dass es ein weiterer Schritt ist, um Menschen die Gesichtserkennungssoftware als normal zu verkaufen. Silkie Carlo von der Bürgerrechtsorganisation Big Brother Watch warnt auf Euronews etwa davor, dass Menschen dadurch eines Tages die Scheu vor der Software verlieren und sich der permanenten Überwachung preisgeben. Ähnliches zeichne sich in anderen Weltregionen ab. "Es löst einfach kein Problem, das dringend gelöst werden sollte", dennoch müsse man dafür so sensible biometrische Daten hergeben.

Tatsächlich ist beispielsweise in China die Gesichtserkennungssoftware aus dem öffentlichen Leben nicht mehr wegzudenken. Schüler werden während des Unterrichts gescannt, um ihre Aufmerksamkeit zu messen, Bahnfahrer haben ihre Jahreskarte per Gesicht gespeichert, und bezahlt wird immer öfter mit dem Gesicht und nicht mit der Geldbörse. Was für viele Europäer utopisch wirkt, ist in China bereits Realität. (faso, 12.11.2019)