Im Gastkommentar, hervorgegangen aus dem Schreibwettbewerb, den DER STANDARD gemeinsam mit dem Institut für Innovation und Digitalisierung im Recht der Universität Wien veranstaltet hat, erläutert Rechtsanwaltsanwärter Thomas Rainer Schmitt die Frage: Ist Artikel 17 der Richtlinie 2019/790/EU, der in der Öffentlichkeit unter dem Stichwort "Uploadfilter" diskutiert wurde, rechtlich gelungen? Warum (nicht)?

Wochenlang haben massive Proteste gegen die neue EU-Urheberrechts-Richtlinie die öffentliche Diskussion beherrscht. In Dutzenden europäischen Städten gingen vornehmlich junge Wähler dagegen auf die Straße, alleine in Wien demonstrierten 5000 Menschen. Dennoch wurde die Richtlinie letztlich mit einer Mehrheit von 348 zu 274 Stimmen im EU-Parlament beschlossen und ist nun in Kraft.

Umstrittenes Urheberrecht.
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Einer der größten Steine des Anstoßes ist Artikel 13 – im endgültigen Text Artikel 17. Zusammengefasst sollen Plattformbetreiber wie Youtube, Twitch und Instagram dazu verpflichtet werden, Inhalte wie Videos, Bilder und Texte nur dann online zur Verfügung zu stellen, wenn der Urheber dem zugestimmt hat. Gegner der Reform befürchteten daher teilweise sogar den "Tod des freien Internets".

Befürchtet wird konkret die Einführung sogenannter "Uploadfilter" durch die Plattformbetreiber. Dieser Begriff findet sich in der Richtlinie selbst nicht. Er wird jedoch umschrieben: Der Plattformbetreiber muss "alle Anstrengungen" unternehmen, um das zukünftige Hochladen urheberrechtsverletzender Werke zu verhindern und die Erlaubnis der Urheber für die Zurverfügungstellung von Inhalten einzuholen.

Auch die Richtlinie verpflichtet jedoch nur dann zu einem solchen Filter, wenn Urheber die "einschlägigen und notwendigen Informationen" für die Einrichtung solcher Filter bereitgestellt haben. Ansonsten besteht lediglich die Pflicht, nach Erhalt einer Beschwerde schnell zu reagieren. Liegen keine Hinweise der Urheber vor und auch keine Beschwerde über die Rechtswidrigkeit eines Inhalts, bleibt der Plattformbetreiber haftungsfrei.

Eine Reihe von Unklarheiten

Angesichts dieser Systematik stellt sich vor allem die Frage, ob die Richtlinie den Urhebern überhaupt nennenswerte Vorteile im Vergleich zur bisherigen Rechtslage bringt. Schon nach der E-Commerce-Richtlinie aus dem Jahr 2000 war der Plattformbetreiber verpflichtet, auf Meldungen von Urheberrechtsverstößen rasch zu reagieren. Gleich bleibt auch, dass keine allgemeine Pflicht zur Überwachung eingeführt werden darf.

Anders als bisher ist es jedoch der Plattformbetreiber, der nachweisen muss, dass er die gebotenen Maßnahmen ergriffen hat. Wie dieser Nachweis erbracht werden kann und was genau zu tun ist, bleibt jedoch unklar. Selbst die Erwägungsgründe verweisen lediglich auf die Einhaltung "hoher branchenüblicher Standards für die berufliche Sorgfalt". Berücksichtigt werden sollen außerdem die Größe des Dienstes, die anfallenden Kosten und die Art der Inhalte.

Hinzu kommt, dass die Richtlinie nicht unmittelbar gilt, sondern von den Mitgliedstaaten bis 2021 in nationales Recht umgesetzt werden muss. Im schlimmsten Fall erfolgt eine solche Umsetzung unvollständig oder überschießend. Im besten Fall bleiben die von der Richtlinie unbestimmt gelassenen Begriffe auch im nationalen Recht unbestimmt.

So oder so wird der Richtlinie eine lange Phase der Rechtsunsicherheit folgen und erst der EuGH wird nach und nach klären können, welche Maßnahmen als angemessen gelten. Bis dahin drohen insbesondere Eingriffe in die Meinungs- und Informationsfreiheit, weil Plattformbetreiber eine Haftung vermeiden müssen und daher rasch zu viele Inhalte vom gelöscht beziehungsweise geblockt werden können. Dieses Risiko besteht zwar bereits jetzt, es wird jedoch durch die Unklarheit der EU-Urheberrechts-Richtlinie und den Entfall des von der E-Commerce-Richtlinie den Plattformbetreibern gewährten Haftungsprivilegs verschärft.

Plattformbetreiber in der Zwickmühle

Nicht zu verachten sind auch die finanziellen Anstrengungen, die erforderlich sind, um die neuen Vorgaben zu erfüllen. Diese werden vor allem kleine und mittelgroße Plattformbetreiber hart treffen. Die Richtlinie differenziert hier nicht, sodass Plattformbetreiber ungleich behandelt werden. Die einzige Ausnahme zugunsten kleiner, maximal drei Jahre alter Plattformen ist denkbar eng und wenig sachgerecht. Ein kleines Start-Up wird sich nämlich selbst nach drei Jahren kaum teure Filtersysteme leisten können.

Doch auch große Plattformbetreiber befinden sich in einer Zwickmühle. So kann etwa das zu Google gehörige Youtube die Vorgaben der Richtlinie wohl bereits jetzt erfüllen. Dies ist ihm jedoch – technisch und finanziell – auch aufgrund seiner Marktmacht möglich. Diese Marktmacht jedoch beschwört Kritik herauf und kann weitere Auflagen durch Kartellrechtshüter nach sich ziehen.

Auch wenn das Internet trotz Artikel 13 (17) "überleben" wird, ein zeitgemäßes Urheberrecht sieht anders aus: Es setzt auf einen gerechten Ausgleich zwischen allen Urhebern, Nutzern und Plattformbetreibern statt einer einseitigen Belastung. Dafür wäre es freilich notwendig, auch die positiven Effekte der Nutzung fremder Werke anzuerkennen. Wer wurde nicht schon auf einen Film oder einen Musiktitel gerade deshalb neugierig, weil dieser im Hintergrund abgespielt wurde? Für solche Fälle werden aber wohl noch länger geeignete Instrumente fehlen. (Thomas Rainer Schmitt, 12.11.2019)