Volkshilfe-Geschäftsführer Erich Fenninger fordert eine Rücknahme der von Türkis-Blau durchgeführten Mindestsicherungsreform.

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Wien – Die Armutskonferenz hat am Dienstag zahlreiche Forderungen an die künftige Regierung gestellt. Man sei "guter Hoffnung", dass man auch gehört wird, sagten Martin Schenk von der Diakonie und Volkshilfe-Geschäftsführer Erich Fenninger. Sie forderten unter anderem ein Bundesgesetz zur Absicherung von Menschen mit Behinderung, eine Anhebung des Existenzminimums und eine Überarbeitung der "Sozialhilfe neu".

Schenk und seine Kollegen verwiesen darauf, dass 14,3 Prozent der Bevölkerung armutsgefährdet seien. 2,8 Prozent seien "erheblich materiell depriviert", diese könnten sich wesentliche Güter nicht leisten, etwa eine Waschmaschine oder das angemessene Heizen der Wohnung.

Zwei neue Bereiche

"Wenn die beiden Parteien (ÖVP und Grüne, Anm.) in Koalitionsverhandlungen eintreten, könnten sie sich auch von gegebenen Begrifflichkeiten lösen und etwas Neues begründen", sagte Fenninger. Er fordert eine Rücknahme der von Türkis-Blau durchgeführten Mindestsicherungsreform (jetzt wieder "Sozialhilfe" genannt).

Es sei zwar nicht davon auszugehen, dass eine neue Regierung zur alten Bezeichnung "Mindestsicherung" zurückkehrt. Aber man könnte inhaltlich etwas ändern und etwa zwei neue Bereiche schaffen, so Fenninger: jenen der "Existenzgrundsicherung" und jenen der "Wohnungsgrundsicherung". Und man sollte die Kinder aus der Mindestsicherung herausnehmen und eine eigene "Kindergrundsicherung" aufbauen, so Fenninger.

Die Sozialhilfe neu jedenfalls trage zur Verfestigung der Armut bei, betonte die Volkshilfe. Denn diese habe Kürzungen etwa bei Kindern, Alleinerziehenden, mehrköpfigen Familien sowie Menschen mit Beeinträchtigungen oder mit geringen Deutschkenntnissen gebracht.

Längerer Unterhaltsvorschuss

Doris Pettighofer von der Plattform für Alleinerziehende forderte, dass der Unterhaltsvorschuss nicht mehr mit dem 18. Lebensjahr des Kindes endet. Ab diesem Zeitpunkt müssen Kinder derzeit gegen den eigenen Vater auf Unterhalt klagen, was gerade für junge Menschen schwierig sei.

Eine Ausdehnung der Unterstützungsmaßnahmen wie Ausbildung bis 18 Jahre oder die Kinder- und Jugendhilfe fordert das Netzwerk Offene Jugendarbeit – und zwar "bis mindestens zum 24. Lebensjahr", so Manuela Synek. Die Katholische Jungschar erhofft sich, dass die neue Regierung die Kinderrechtskonvention als Gesamtes in Verfassungsrang hebt.

Existenzminimum und Gewaltprävention

Maria Fitzka-Reichart von der Schuldenberatung verwies auf das derzeitige Existenzminimum (933 Euro pro Monat für Alleinstehende). "Ein menschenwürdiges Leben ist damit kaum möglich", sagte sie und forderte eine Anhebung auf die Armutsgefährungsschwelle (1.259 Euro für Alleinstehende).

Christian Aigner vom Vertretungsnetz wünscht sich ein Bundesgesetz zur Absicherung von Menschen mit Behinderungen und psychischen Beeinträchtigungen. Und die Lebenshilfe Österreich fordert eine arbeits- und sozialversicherungsrechtliche Gleichstellung von Menschen in Tages- und Beschäftigungsstrukturen mit Arbeitnehmern.

Mehr finanzielle Mittel für Gewaltprävention, konkret 210 Millionen Euro pro Jahr, forderte Maria Rösslhumer vom Verein Autonome österreichische Frauenhäuser. Finanziert werden soll damit etwa der Ausbau von Frauenhäusern oder Bewusstseinskampagnen. Und die Diakonie forderte einen erleichterten Zugang zu Psychotherapie für Kinder sowie den Ausbau von Beratungs- und Therapieeinrichtungen und von psychosozialen Notdiensten. (APA, 12.11.2019)