Keine homogene Masse, sondern ein Kollektiv mit unterschiedlichen Hintergründen: Menschen, die hinter Mauern leben und leiden.

Foto: Jakub Kavin

Wie spricht man über Traumata, ohne in überzogenes Pathos abzudriften und dabei nur die eigene Leidensgeschichte zu präsentieren? Jakub Kavin arrangierte anlässlich des 30-Jahr-Jubiläums im Theater Archedie Stückcollage Mauer anhand einer kollektiven Recherchearbeit und eines Stücks von Thyl Hanscho. Dabei illustriert der Regisseur eindrucksvoll und mit kreativer Raffinesse unterschiedliche Fluchtgeschichten.

Grundgedanke der Inszenierung ist es, mit einem mehrsprachig-diversen Ensemble auf globale Fluchterfahrungen zu verweisen, diese aber aus dem konkreten DDR-Hintergrund loszulösen. Das Publikum mag im ersten Moment irritiert sein, wenn sich die Protagonisten abwechselnd auf Deutsch, Ungarisch, Japanisch, Farsi, Tschechisch und Polnisch unterhalten. Trotz der fehlenden Übersetzung erschließt sich der Kontext jedoch durch die Erfahrungsverwandtschaft der Einzelschicksale.

Der Kampf zwischen dem Staat und denen, die ihn bewohnen.
Foto: Jakub Kavin

Wie ein lauerndes Unheil hört man zu Beginn den Takt eines Schlagstocks an einer Gefängniszelle, während eine Person aus dem zehnköpfigen, schwarz-grau gekleideten Ensemble argwöhnisch beäugt wird, nachdem sie das "fremde", französische Wort "Fauxpas" benutzt hat und damit eine potenzielle Gefahr darstellt.

Szenenwechsel: Den Mauerfall zelebrieren wild tanzende Menschen unter einem pink-lilafarbenen Lichtspiel. Geschmeidig weicht dieses Bild einer ozeanblauen Beleuchtung, die bewusst Assoziationen an ein Meer evoziert, in dem Geflüchtete nach dem rettenden Festland suchen. Mauer zeigt reale wie auch fiktive Schilderungen, die sich auf persönliche Erfahrungsberichte stützen. Das Ensemble schlüpft in jeweils verschiedene Rollen, durch die die Folgen der Flucht einprägsam und taktvoll präsentiert werden. Trotz individueller Unterschiede wird dadurch der Rahmen eines geteilten Erfahrungshorizonts eröffnet. Ein Traum unter den vielen Albträumen des 21. Jahrhunderts. (Huy Van Jonny Diep, 12.11.2019)