Stolpersteine, wie diese in Graz, sollen an jüdische Opfer der NS-Zeit erinnern.

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Walter Fantl ist vor kurzem im Alter von 95 Jahren gestorben. Eine private Initiative wollte/will im niederösterreichischen Bischofstetten eine Gedenktafel an seinem Geburtshaus anbringen. Der ÖVP-dominierte Gemeinderat wollte/will aber nicht so recht. Der neue Bürgermeister Werner Nolz sagt: "Im Krieg sind viele Menschen gestorben, und man macht nicht für jeden eine Tafel, aber es ist durchaus legitim."

Nun ist Fantl gar nicht im Krieg gestorben, sondern eben erst jetzt. Er war allerdings ausdrücklich von der damaligen Regierung zum Sterben vorgesehen. Er ist um Haaresbreite entkommen.

Vielleicht wäre es leichter gewesen, wenn Fantl beim Kameradschaftsbund gewesen wäre oder sein Name auf einem der vielen Kriegerdenkmäler in Niederösterreich stünde. Er war aber Jude.

Einzige jüdische Familie in Bischofstetten

Fantl war der Sohn der einzigen jüdischen Familie von Bischofstetten, die Eltern hatten dort ein kleines Geschäft. Fantls Familie wurde ermordet, er überlebte als Einziger, um seine Geschichte zu erzählen. Er tat das unter anderem für das heuer erschienene Buch des Historikers Gerhard Zeillinger: Überleben. Der Gürtel des Walter Fantl (Kremayr & Scheriau).

Holocaust-Berichte gibt es eine ganze Reihe, und viele wollen sie nicht mehr hören. Allerdings, das Video der "Frau Gertrude", die ebenso wie Fantl Auschwitz überlebt hatte, trug sehr dazu bei, dass Alexander Van der Bellen und nicht Norbert Hofer die Bundespräsidentenwahl gewann.

Am 10. November 1938, einen Tag nach dem Novemberpogrom, begann die Reise der Familie Fantl in den amtlich vorgesehenen Untergang, mit immer unheilvolleren Stadien: Zwangsübersiedlung nach Wien, gescheiterte Ausreisepläne, "Transport", Theresienstadt, im September 1944 Auschwitz-Birkenau. Dort wurde Fantl an der Rampe nach rechts gewinkt, sein Vater nach links. Wenig später erfuhr er: "Die auf die linke Seite kamen, waren nach einer Stunde tot."

Keine Kostenbeteiligung

Im Jänner 1945 wurde Fantl vor der Befreiung von Auschwitz noch auf einen Todesmarsch durch die eisige Landschaft nach Westen getrieben. Auch das überlebte Fantl. Als er 21-jährig gerettet wurde, wog er 38 Kilo. Sein Körper war durch den Gürtel, den er immer behielt, praktisch in zwei Hälften geteilt. Als Fantl dann im Sommer 1945 nach Bischofstetten zurückkam, wurde er mit den Worten begrüßt: "Ach Walter, hast du eine Ahnung, was wir hier mitgemacht haben!"

Der Gemeinderat von Bischofstetten hat beschlossen, sich nicht an den Kosten der Gedenktafel zu beteiligen, die eine private Initiative anbringen will, und hat die Verlegung von Gedenk-"Stolpersteinen" vor dem Geburtshaus, wie sie in vielen Städten schon existieren, abgelehnt. Immerhin, der neue Besitzer des Geburtshauses hat nichts gegen die Tafel.

Im Jahr 2019 gibt es FPÖ-Politiker, die meinen, dass "der "Nationalsozialismus auch sein Gutes hatte". Erinnern ist also angesagt. Vielleicht redet irgendwer in der niederösterreichischen ÖVP mit dem Bürgermeister von Bischofstetten, denn es reicht nicht, bei allerlei Gedenkveranstaltungen mit frommer Miene "Nie wieder" zu psalmodieren, wenn es dann bei den kleinen Gesten nicht klappt. (Hans Rauscher, 12.11.2019)