Der Nationalrat sorgt ab 15. Dezember für mautfreie Fahrt für Mautflüchtlinge in Grenzgebieten.

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Wien – Mit der im Budgetausschuss auf den Weg gebrachten Pkw-Maut-freien Fahrt auf Autobahnen in Grenzgebieten hat der Nationalrat eine Tür aufgemacht, die der Autobahngesellschaft Asfinag weit höhere Einnahmenausfälle bescheren könnte als die veranschlagten 28 Millionen Euro. Für mehr als zwei Dutzend Streckenabschnitte gab es seitens der Bundesländer in den vergangenen 15 Jahren Begehren nach Ausnahmen. Sie reichen von Amstetten über Wiener Stadtautobahnen bis Villach-Stadt.

Vorderhand muss Verkehrsminister Andreas Reichhardt von der Pflicht zur Entrichtung der zeitabhängigen Maut, wie berichtet, nur vier Autobahnteilstücke ausnehmen: die A1 (Walserberg-Salzburg-Nord, die A7 (Hafenstraße-Urfahr), die A12 (Kufstein-Kufstein-Süd), die A14 (Hörbranz-Hohenems) und die Linzer Stadtautobahn A26.

Aus für Vignette angepeilt

Geht es nach den Grünen, ist dieses partielle Aus für die Vignettenpflicht erst der Anfang. Erklärtes Ziel war bereits im Wahlkampf 2017 die Abschaffung der Vignette in ganz Österreich. Der Vorarlberger Vizelandeshauptmann Johannes Rauch (Grüne) will mittelfristig dort hin und im Gegenzug die Mineralölsteuer erhöhen und das Dieselprivileg abschaffen. "Das ist Konsens", sagt Rauch, dafür gebe es einen einstimmigen Beschluss von ÖVP und Grünen im Ländle-Landtag. "Denn die Vignette ist das dümmste Instrument", sagt Rauch. Die Pauschalabgabe belohne Vielfahrer, sei daher nicht verursachergerecht und auch sozial ungerecht.

Um die Erosion der Einnahmen bei der Asfinag hintanzuhalten – die Vignette bringt dem staatlichen Autobahnbauer pro Jahr eine halbe Milliarde Euro ein –, müsste ein Teil der Mineralölsteuereinnahmen (MöSt) von jährlich rund 4,5 Milliarden Euro zweckgewidmet werden, sagt Rauch, es dürfe kein Budgetproblem entstehen.

Zwickmühle Zweckwidmung

Diese Idee rührt freilich an einem heiklen Punkt. Eine solche Zweckwidmung der MöSt-Einnahmen gab es bereits in den 1990er-Jahren, die Töpfe wurden allerdings regelmäßig ausgeräumt und – zweckwidrig – zum Stopfen von Budgetlöchern verwendet, während die Asfinag außerbudgetär Milliardenschulden anhäufte. Erst das Maastricht-Regime beendete diese Abwege, die Schulden müssen seither in Relation zu den Einnahmen rückzahlbar sein, was mit Lkw-Maut und Pkw-Vignette bis dato sichergestellt war.

Die MöSt-Milliarden sind seit jeher ein Eckpfeiler des Bundeshaushalts. Wifo-Ökonomin Claudia Kettner kann dem Vorschlag aus Vorarlberg, die Autobahnvignette abzuschaffen und stattdessen die MöSt zu erhöhen, dennoch viel abgewinnen. Die Vignette als Abgabe sei ohne jeglichen Lenkungseffekt. Im Gegenteil: Je mehr gefahren wird, umso mehr zahlt sich der Kauf einer Vignette aus. Die MöSt anzuheben sollte dagegen einen Lenkungseffekt haben, weil mehr bezahlt, wer mehr fährt. Das wäre aus ökologischen Gesichtspunkten auch einer kilometerabhängigen Pkw-Autobahnmaut vorzuziehen, sagt Kettner.

Letztere trifft auch Fahrzeuge ohne Verbrennungsmotor, macht also Fahren mit Elektroautos teurer. Von einer höheren MöSt wären E-Autos nicht betroffen. Für einen Obolus spricht, dass auch E-Autos die Autobahninfrastruktur nutzen (und Asphalt abnutzen).

Bessere Klimabilanz

Wiewohl genaue Berechnungen über die Auswirkungen und Effekte einer MöSt-Erhöhung weder bei den Grünen noch im Wifo vorliegen: Mit dieser Maßnahme könnte man zwei Fliegen mit einem Schlag treffen. Denn Österreichs hohe MöSt-Einnahmen sind klimaschutztechnisch problematisch, weil Sprit in Österreich billiger ist als in den Nachbarländern und Diesel auch noch niedriger besteuert wird als Benzin ("Dieselprivileg"). Das begünstigt den sogenannten Tanktourismus, aus dem rund 25 Prozent der MöSt-Einnahmen kommen, also mindestens eine Milliarde Euro.

Um gegenüber den Nachbarländern an Treibstoffattraktivität zu verlieren, müsste die MöSt um mindestens 8,5 Cent steigen, was aber die Einnahmen des Fiskus – auch von ausländischen Transitfahrzeugen – empfindlich mindern und Pendler belasten würde, wie die SPÖ stets ins Treffen führt. Letzteres müsste mit dem Ausbau von Öffi-Verkehr und der Pendler-Pauschale abgefedert werden. Vor zwei Jahren rechnete Georg Willi, damals noch Grünen-Verkehrssprecher, nunmehr Innsbrucker Bürgermeister, so: Autofahrer, die es pro Jahr auf weniger als 4.500 Kilometer Fahrleistung bringen, würden durch eine Umlegung des Vignettenregimes (rund 1,9 Cent pro Kilometer Fahrleistung) sogar begünstigt. (Luise Ungerboeck, András Szigetvari, 13.11.2019)