Mensch und Natur im Einklang: Für Eneko Atxa und sein Team rangiert Nachhaltigkeit vor Fine Dining.

Foto: Mikel Ponce

Graue, anliegende Jean, schwarzer Hoodie und der für viele Basken so charakteristische schwarze Stecker im Ohr. Beine überkreuzt, ein Schluck Wasser, der tut gut nach dem vielen Trubel um seine Person auf dem Gastronomiekongress in San Sebastián.

Wenn man Eneko Atxa so dasitzen sieht und den Mann nicht kennt, würde man nicht glauben, dass er 42 Jahre alt ist. Vielleicht weil er Tatendrang versprüht wie ein 25-Jähriger. Noch weniger würde man vermuten, dass dieser dann doch noch relativ junge Baske schon seit Jahren zur Elite des globalen Gastrozirkus zählt.

Und dass sein Restaurant Azurmendi, das als Glaskubus auf die Straße von Bilbao nach San Sebastián hinunterblickt, kulinarischer Sehnsuchtsort für viele ist.

Nachhaltigstes Restaurant 2018

Das macht Eneko Atxa froh. Glücklich aber wird er durch andere Dinge. Und diese haben erstaunlich wenig mit seinem Restaurant in Spanien oder seinen Dependancen in Lissabon, London oder Tokio zu tun. Koch werden, das wollte er schon immer.

"Köche sind beliebte Menschen. Sie bereiten anderen mit Essen eine Freude" , sagt Atxa über seinen Grundantrieb. "2006 habe ich mit 29 Jahren mein Restaurant eröffnet." Im Jahr 2011 kochten Atxa und sein Team so, wie sie es sich gewünscht hatten: mit Zutaten, die sie fair und lokal erstanden hatten. Frei im Kopf und auf dem Teller. Nur das Umfeld, sprich das Restaurant, das passte nicht mehr.

Darum fingen Atxa und sein Team kurzerhand an, neben dem alten Gebäude ein neues Restaurant zu bauen. Und zwar eines aus recyceltem Material, das mit Solarenergie arbeitet und Regenwasser nutzt, mit einem Wort, nachhaltig funktioniert. Und zwar im Bau wie im laufenden Betrieb bis heute.

Auch die in kulinarischen Kreisen bedeutende Liste der "50 Best" fand das gut und zeichnete Azurmendi 2018 als nachhaltigstes Restaurant der Welt aus.

Die Formel des Glücks

Zu sprühen aber beginnt der Baske, wenn es um Gesundheit geht. Schließlich verstehe man als Koch etwas von Ernährung. Für alles, was über sein Wissen hinausgeht, spinnt Atxa Netzwerke aus Experten. Sein erstes Projekt auf gesundheitlichem Terrain sollte ein Kochbuch sein: "Wir sind zum örtlichen Krankenhaus hin und haben gemeint: Wir wollen ein Buch mit euch machen."

Entstanden ist ein Kochbuch mit Kapiteln wie Herzinsuffizienz oder Diabetes. Atxa und sein Team schlugen Rezepte für Menschen mit besonderen Bedürfnissen in der Ernährung vor. Mediziner stellten deren Richtigkeit sicher. Und Atxa, dass es schmeckt.

Denn Krankenhausessen muss nicht grauslich sein. Und dass es das nicht ist, ist wichtig für die Genesung. Das war wohl die wichtigste Erkenntnis aus der Anwendung der Rezepte. "Kein Buch hat uns mehr Arbeit gekostet, keines hat uns mehr befriedigt."

"Köche sind beliebte Menschen. Sie bereiten anderen mit Essen eine Freude", sagt Atxa.

Kochgruppen in Krankenhäusern

Der Grund für Atxa, solche und ähnliche Unternehmungen voranzutreiben: "Ich bin mir sicher, auch du beschenkst lieber jemanden, als selbst beschenkt zu werden, oder?" Man hat die doppelte Genugtuung, so Atxa: sich zuerst auszudenken, womit man Freude bereiten kann, und dann die Reaktion darauf mitzuerleben.

Nach diesem Prinzip haben er und sein Team inzwischen Kochgruppen gegründet, die regelmäßig in Krankenhäusern kochen. Auch Kochschüler der Tourismusschulen sind mit an Bord. "Sie wissen gar nicht, welche Macht sie haben, gut kochen zu können. Es ist schön zu zeigen, dass sie sie auch so nutzen können", lächelt Atxa.

Gearbeitet wird mit dem Budget des Krankenhauses. Es gibt also keinen Sternenzauber, der nach Abtanzen des Starchefs wieder verpufft. 2020 gibt es zudem Tabletts im neuen Design. "Warum muss das, worauf das Essen serviert wird, eigentlich so hässlich sein?", fragte sich Atxa und schrieb ein Stipendium für ein neues Tablettdesign aus.

"Netzwerke, die Wissen nutzen, um Dinge zu bewegen, das interessiert mich", sagt Eneko Atxa. Und das reicht augenscheinlich bis zum Krankenhaustablett. (Nina Wessely, RONDO, 15.11.2019)