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er Fund von Vogelmumien gehört für Archäologen in Ägypten zum Alltag. In einigen Begräbnisstätten wurden Millionen Ibisse entdeckt.
Foto: REUTERS/Mohamed Abd El Ghany

Nicht nur Menschen wurden im alten Ägypten mumifiziert, sondern auch Tiere, denen eine besondere religiöse Bedeutung zukam – und das in bemerkenswerter Zahl. So hat man in einstigen Kultstätten Millionen von Vogelmumien gefunden, darunter sehr viele Ibisse. Wie die Ägypter an diese Vögel kamen, wird seit langem diskutiert. Eine Hypothese lautet, dass es eine antike Massentierhaltung zu Opferzwecken gegeben haben könnte.

Wissenschafter um Sally Wasef von der Griffith University in Australien sind dieser Frage nun genauer nachgegangen. Sie analysierten die DNA von Mumien des Heiligen Ibisses (Threskiornis aethiopicus), eines in weiten Teilen Afrikas vorkommenden Verwandten unseres Waldrapps. Im Zeitraum vor rund 2700 bis 1800 Jahren wurden diese Tiere massenhaft in Opferritualen getötet, mumifiziert und beigesetzt. Sie wurden als Inkarnation des Thot verehrt. Dieser Gott des Mondes und der Weisheit wurde dementsprechend meist mit dem Kopf eines Ibisses dargestellt.

Szene aus dem Ägyptischen Totenbuch: Der ibisköpfige Thot (Bildmitte) protokolliert das Urteil, das das Totengericht über einen verstorbenen Menschen gefällt hat.

Mumien-DNA

In der Vergangenheit sind Archäologen in etlichen Ausgrabungsstätten auf mumifizierte Ibisse in Tongefäßen gestoßen, etwa in der berühmten Nekropole Sakkara am westlichen Nilufer. Allein in dieser Anlage dürften einst zehntausende Ibismumien jährlich bestattet worden sein, insgesamt 1,75 Millionen. Das ist aber noch kein Rekord: In der mittelägyptischen Tiernekropole von Tuna el-Gebel sind es Schätzungen zufolge sogar vier Millionen Vogelmumien – so viele wie in keiner anderen bekannten Stätte.

Wie Wasef und Kollegen nun im Fachmagazin Plos One berichten, untersuchten sie zunächst das Erbgut von 40 mumifizierten Ibissen aus sechs ägyptischen Katakomben. Von 14 Mumien konnten sie die vollständige mitochondriale DNA bestimmen. Die Daten dienten im nächsten Schritt zum Vergleich mit lebenden Vögeln: Dafür sequenzierten die Forscher das Erbgut von 26 wildlebenden Ibissen aus zehn Regionen in Afrika und verglichen die genetische Vielfalt der lebenden Vögel mit jener der mumifizierten.

Genetische Vielfalt

Das Ergebnis: Die Diversität war in beiden Gruppen ähnlich. Den Forschern zufolge deutet das darauf hin, dass es sich bei den Opfertieren um wildlebende, höchstens kurz in Gefangenschaft gehaltene Exemplare gehandelt hat. Denn bei über mehrere Generationen hinweg gezüchteten Vögeln wäre eine weitaus geringere genetische Vielfalt zu erwarten.

Wie genau die antiken Vogelfänger vorgingen, bleibt unklar. Möglicherweise seien die Ibisse in ihrem natürlichen Lebensraum – an Gewässern – gefüttert und gezähmt worden oder kurz vor anstehenden Opferritualen gefangen und in Gehegen gehalten worden, vermuten die Forscher. "Wenn sie bewusst gezüchtet wurden, dann nur für kurze Zeiträume, bevor sie geopfert und bestattet wurden", heißt es in der Studie.

in Heiliger Ibis über Sambia. In Ägypten gibt es den Vogel heute nicht mehr.
Foto: Imago

In Ägypten kommt der Heilige Ibis heute nicht mehr vor. Mit dem antiken Opferkult, so großdimensioniert er auch war, hat das allerdings nichts zu tun: Der Vogel ist erst Mitte des 19. Jahrhunderts aus dem Land verschwunden. In Europa gibt es seit den 1970er-Jahren mehrere Populationen, hier wird der Heilige Ibis aber nicht verehrt: Seit 2016 steht er auf der Liste der invasiven Arten der Europäischen Union. (dare, 14. 11. 2019)