Wir von der Prähistorischen Abteilung des Naturhistorischen Museums Wien erforschen im Salzbergwerk Hallstatt riesige bronze- und eisenzeitliche Abbaukammern, die durch Hangrutschungen bereits in der Urgeschichte mit Material von der Oberfläche verfüllt wurden. Dadurch sind keine Hohlräume mehr erhalten, und die Erforschung dieser urgeschichtlichen Bergwerke erfolgt zum überwiegenden Teil mittels Forschungsstollen. Diese werden von Hand mit dem Presslufthammer vorgetrieben und sind die primäre Informationsquelle über das Leben und Arbeiten der prähistorischen Bergleute – insbesondere im Bereich des auf dem Boden der Abbaukammern liegenden prähistorischen Betriebsabfalls. Aufgrund der zahlreichen perfekt konservierten Objekte, die vor über 3.000 Jahren im Bergwerk zurückgelassen wurden, ergeben sich erstaunlich detaillierte Einblicke in Lebens- und Arbeitsweise im Bergwerk sowie auf die Abfolge verschiedener Abbau- beziehungsweise Betriebsphasen.

Die richtige Bohrtechnik

Geht es allerdings darum, gezielt die einstigen Ausmaße der Abbaukammer zu erfassen, wird seit vielen Jahren mit dem Kernbohrgerät gearbeitet. Dabei wird ausgehend von unseren Forschungsstollen eine Bohrung im Füllmaterial der Abbaukammer, oberhalb des prähistorischen Betriebsabfalls, angesetzt. Sie wird so lange fortgesetzt, bis wieder festes Salz, also die Wand oder Decke der Abbaukammer, erreicht wird. Diese Arbeitsweise spart im Gegensatz zum Anlegen eines eigenen Forschungsstollens viel Zeit und liefert auf die Forschungsfrage nach der Ausdehnung der Abbauhallen dasselbe Ergebnis.

Während in der Vergangenheit überwiegend mit großem Bohrgerät auf einer fix verankerten Lafette und 100-Millimeter-Hohlbohrer gearbeitet wurde, entschieden wir uns dieses Jahr, einen kleineren, flexiblen Schlagbohrer mit einem 65-Millimeter-Bohrer einzusetzen. Ziel war es, den Bohrprozess zu beschleunigen und in kurzer Zeit so viele Versuchsbohrungen wie möglich anlegen zu können, um die ursprünglichen Ausmaße der Kammer zu erforschen. Zunächst allerdings musste die Technik erprobt werden. Da mit dieser Methode keine Bohrkerne gezogen, sondern nur das bröselige Sediment ausgewertet wird, das beim Bohren anfällt, mussten wir sichergehen, dass wir unterschiedliches Material beziehungsweise Gesteinsarten auf diese Weise auch unterscheiden und gezielt beproben können. So ging unser erfahrener Bohrist Thomas Ragger bei unseren aktuellen Untersuchungen in der bronzezeitlichen Abbaukammer im Bereich des Christian-von-Tusch-Werks insgesamt zwei Wochen durch alle Höhen und Tiefen dieser Prospektionsmethode.

Thomas Ragger beim Ansetzen einer Prospektionsbohrung.
Foto: D. Brandner – NHM Wien

Trotz Materialversagens, steckenbleibender Bohrer – er hat sie alle wieder herausbekommen – und immer länger und schwerer werdender Bohrgestänger konnte er die Verwendbarkeit der Technik unter Beweis stellen. Nicht selten stand er den ganzen Abend mit Schweißgerät und Flex in der Werkstatt des Grabungsquartiers, um durch das Anfertigen von Spezialwerkzeugen den Herausforderungen gerecht zu werden. Die Evaluierung der Bohrtechnik als Mittel zur Feststellung der prähistorischen Abbaugrenzen verlief also zufriedenstellend. Verschiedene Materialien der Füllmasse der Abbaukammern wie Lehm, Kalk, Gips und Salz konnten während des Bohrens aufgrund des Verhaltens der Bohrmaschine erfühlt und auch gezielt über das Auffangen des Bohrkleins beprobt werden. Darüber hinaus war die Geschwindigkeit im Vergleich zu den bisher durchgeführten Kernbohrungen ebenfalls überzeugend.

Allabendliche Vorbereitungen für die nächste Bohretappe in der hauseigenen Werkstatt im Hochtal von Hallstatt.
Foto: D. Brandner – NHM Wien

Salz!

Während bei besten Bedingungen in zwei Wochen acht Meter gebohrt werden konnten, waren es mit der neuen Methode dieses Jahr fast 25 Meter in derselben Zeit, wenn man alle Bohrungen zusammenrechnet. Die Methode funktionierte also, abgesehen von einigen zu erwartenden Startschwierigkeiten, planmäßig, doch nun kam das nächste Problem: An drei äußerst vielversprechenden Bohrstellen sollte laut unserem – auf dem aktuellen Kenntnisstand basierenden – Modell des prähistorischen Hohlraums nach maximal zwei Metern Bohrlänge bereits die Decke der Abbaukammer, "First" genannt, erreicht sein. Doch die Bohrungen standen nach 3,2 Metern immer noch in der Füllmasse aus Lehm und Kalksteinen an, und mit der bestehenden Ausrüstung konnten wir nicht weiter bohren. Das konnten wir nicht auf uns sitzen lassen!

Proben des Bohrkleins aus unterschiedlichen Tiefen des Bohrlochs: Lehm, Haselgebirge, Steinsalz (v. li.).
Foto: D. Brandner – NHM Wien

Nachdem unser Grabungsleiter Hans Reschreiter es geschafft hatte, die Finanzierung zu organisieren, waren die benötigten Verlängerungsmodule für das Bohrgestänge schnell bestellt, und die Arbeiten konnten fortgesetzt werden. Die Investition sollte sich lohnen. Zwei Stunden nachdem wir die Arbeiten am Bohrloch wiederaufgenommen hatten – aufgrund des langen Bohrgestänges mussten mittlerweile zwei Personen an der Maschine stehen –, war es endlich so weit.

Dass wir die Decke der prähistorischen Abbaukammer gefunden hatten, spürten wir allerdings nicht am Verhalten des Bohrgeräts, sondern schmeckten es zuallererst in der Luft. Nachdem wir, schon fast die Hoffnung verlierend, durch weitere eineinhalb Meter Lehm und Kalkstein gebohrt hatten, rieselte schließlich Salz aus dem Bohrloch an der Decke unseres Forschungsstollens. Wir alle lieben Salz, aber selten hat es so gut geschmeckt wie in jenem Moment. Um sicherzugehen, dass es sich tatsächlich um die Decke der Abbaukammer und nicht um eine Salzplatte im Versturzmaterial handelt, verlängerten wir das Bohrloch nochmals um einen Meter, aber es blieb dabei – Salz!

Kurze Pause während der Bohrungen – dort oben muss die Decke der Abbaukammer sein!
Foto: D. Brandner - NHM Wien
Das erste Stück Kernsalz aus der Bohrkrone – die Decke der prähistorischen Abbaukammer ist gefunden!
Foto: H. Reschreiter - NHM Wien

Neue Erkenntnisse

Nach der abschließenden Einmessung des Bohrloches und Einbindung in das 3D-Modell unserer Grabungsstollen kann nun ein weiterer kostbarer Fixpunkt für die Rekonstruktion der Abbaukammer hinzugefügt werden. Und wieder einmal übersteigt die festgestellte Größe der von uns untersuchten Hohlräume unsere Erwartungen. Die Decke der Abbaukammer liegt drei Meter höher als gedacht, was bedeutet, dass die Kammer in diesem Bereich also mindestens zwölf Meter hoch ist.

3D-Modell der Forschungsstollen in der bronzezeitlichen Abbaukammer (Christian-von-Tusch-Werk): Der rekonstruierte Hohlraum ist in Grün dargestellt. Die Bohrung, mit der wir die Decke der Abbaukammer feststellen konnten, ist rot eingezeichnet.
Foto: D. Brandner - NHM Wien

Nach dem erfolgreichen Probelauf werden wir nächstes Jahr die Technik noch verfeinern und weiter nach neuen Erkenntnissen bohren! (Daniel Brandner, 14.11.2019)