"Niemand findet das toll", gestand Regierungschef Mark Rutte bei einer Pressekonferenz ein.

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Wegen der Grenzwertüberschreitung wurden größere Bauprojekte für Straßen und Flughäfen auf Eis gelegt.

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Die Ankündigung des Reduktionsprogramms zog in den vergangenen Monaten Proteste mit sich.

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Auf den niederländischen Autobahnen gilt künftig ein Tempolimit von 100 km/h. Damit soll die Stickstoffverschmutzung reduziert werden. "Es ist eine Scheißmaßnahme", sagte Premierminister Mark Rutte, der das Paket am Mittwoch vorstellte. Niemand sei dafür, aber es diene dem Gemeinwohl. "Wir müssen sicherstellen, dass die Niederlande nicht in einer Sackgasse landen und Arbeitsplätze unnötig verloren gehen", so Rutte.

Nachdem ein Gericht im Mai tausende Bauprojekte auf Eis gelegt hatte, weil die Niederlande seit Jahren die EU-Grenzwerte für Stickstoffemissionen überschreiten, hatte Rutte um Lösungen gerungen. Die Bauarbeiten an rund 18.000 Autobahn-, Flughafen-, Windpark- und Wohnprojekten wurden eingestellt. Das Forschungsinstitut EIB erwartete deshalb bis 2021 einen Rückgang um acht Prozent in der Bauindustrie – 40.000 Arbeitsplätze seien gefährdet.

Geringste Geschwindigkeit auf Europas Autobahnen

Gelten soll die Maßnahme ab 2020 – dann sind die Niederlande gemeinsam mit Zypern das Land mit der geringsten Geschwindigkeit auf Autobahnen in Europa. Allerdings nur tagsüber. Zwischen 19 und 6 Uhr sei es auf den betroffenen Strecken weiterhin erlaubt, 130 km/h zu fahren.

Die Reduzierung der Obergrenze am Tag ist nur ein Teil des Maßnahmenpakets zur Reduzierung der Stickoxide (NOx). Die NOx-Luftverschmutzung wird zwar in erster Linie auf die Emissionen von Pkws, Lkws und schweren dieselbetriebenen Nutzfahrzeugen, die im Bau verwendet werden, zurückgeführt. Zudem würden aber Nitrate in landwirtschaftlichen Düngemitteln und Abwässern schädliche Algenblüten im Grundwasser und der Kanalisation verursachen.

Die Stickstoffverschmutzung pro Kopf ist in den Niederlanden viermal höher als im EU-Durchschnitt. 61 Prozent der entsprechenden Emissionen sind laut Schätzungen auf die Landwirtschaft zurückzuführen.

Zu den Maßnahmen gehören auch Einschränkungen für Landwirte, dagegen wurde zum Teil auf Autobahnen protestiert.
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Ammoniak im Urin

Die Landwirte haben in den vergangenen Monaten mehrmals größere Proteste abgehalten. Sie befürchten, dass sie die Hauptlast der Korrekturmaßnahmen tragen müssen. Zu den am Mittwoch angekündigten Sofortmaßnahmen gehört auch die Reduzierung der Proteinmenge im Tierfutter. Das soll helfen, das stickstoffhaltige Ammoniak im Urin der Nutztiere zu reduzieren.

Bis zuletzt konnten Bauherren und Landwirte Ausnahmegenehmigungen beantragen – im Gegenzug für das Versprechen, die Stickstoffmenge in Naturschutzgebieten nach Abschluss ihrer Projekte zu verringern. Das sei nicht mehr möglich, sagte Rutte. Zudem kündigte er weitere Maßnahmen in den kommenden Monaten an, um die EU-Emissionsgrenzwerte einzuhalten. (red, Reuters, 13.11.2019)