Johann Gudenus und Heinz-Christian Strache werden verdächtigt.

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Schwere Geschütze fährt die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) gegen die Beschuldigten in der Causa Casinos AG (Casag) auf. Die Rede ist von Chatgruppen, in denen die Beschuldigten miteinander konferiert hätten, von einschlägigen Telefonaten und anderem Informationsaustausch.

Das erschließt sich aus den fast 30-seitigen Anordnungen zu den Hausdurchsuchungen, die am Dienstag bei Casag-Aufsichtsratschef Walter Rothensteiner, Ex-Finanzminister Hartwig Löger und Josef Pröll sowie in der Staatsholding Öbag stattfanden. Wie berichtet sind Rothensteiner, Löger, Öbag-Chef Thomas Schmid und Aufsichtsratsvizechef Pröll neu auf die Beschuldigtenliste gekommen, in ihren Wohnungen beziehungsweise Büros fanden Durchsuchungen beziehungsweise freiwillige Nachschauen statt. Der STANDARD betont, dass die Beschuldigten die Vorwürfe bestreiten und dass für alle die Unschuldsvermutung gilt.

Entgegenkommen für Novomatic

Im Kern geht es um den Vorwurf, dass hinter der Bestellung von Peter Sidlo (FPÖ) zum Casag-Finanzchef ein parteipolitischer Deal stand und man Casag-Mitaktionärin Novomatic im Gegenzug zur Bestellung Entgegenkommen bei Glücksspiellizenzen versprochen habe. Sidlo sei nicht für den Posten geeignet, hatte der Personalberater Egon Zehnder gemeint. Gegen Ex-Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ), Sidlo, Novomatic-Chef Harald Neumann und Novomatic-Eigner Johann Graf wird schon seit dem Sommer ermittelt.

Der frühere Rechnungshofpräsident Franz Fiedler erläutert im "ZIB2"-Interview unter anderem, wann aus politischen Absprachen Korruption und somit ein Fall für die Justiz wird.
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Die WKStA hat laut Anordnung zur Hausdurchsuchung, die dem STANDARD vorliegt, in den Ermittlungen noch einiges zusammengetragen, was die Vorwürfe der anonymen Anzeige "in weiten Bereichen" bestätige, wie es heißt. So kommt es, dass sie Rothensteiner und Pröll nun vorwirft, die Bestellung Sidlos "über aus parteipolitischen Erwägungen ausgeübten politischen Druck" mitbeschlossen zu haben.

Parteipolitische Erwägungen

Der damalige Finanzminister Löger soll Casag-Präsident Rothensteiner mitgeteilt haben, dass es wegen eines "Deals" zwischen Novomatic und "den Blauen" keinen Alternativkandidaten zu Sidlo gebe. Er habe seine Bereitschaft zu dessen Bestellung signalisiert und versucht, Aufsichtsratsmitglieder auch vom tschechischen Großaktionär Sazka von einer einstimmigen Bestellung zu überzeugen.

Zu der sollte es dann ja auch kommen, wobei sich die Sazka, die gegen Sidlo war, der Stimme enthielt. Löger habe ausschließlich aus "parteipolitischen" und "koalitionstaktischen" Erwägungen gehandelt. Angestiftet dazu hätten ihn Graf und Neumann von der Novomatic.

Thomas Schmid wird nun auch als Beschuldigter geführt.
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Lögers Kabinettschef Schmid, laut Justiz "erster Ansprechpartner im Finanzministerium für Glücksspielangelegenheiten", soll dabei geholfen haben. Er habe für Novomatic-Chef Neumann zur Vorbereitung seines Gesprächs mit dem Minister am 31. Jänner 2019 um 13.03 Uhr eine abfotografierte Unterlage des Ministeriums geschickt, in der es um Lizenzen und die Vergabe von Online-Lizenzen gegangen sei.

Gesetzesänderung notwendig

Seine Nachricht dazu: "Das sagen die Experten bei uns – Gesetz für Entflechtung notwendig". Vier Stunden später habe ein Termin zwischen Graf, Neumann und Löger stattgefunden, bei dem auch der "Hintergrunddeal" zur Sprache gekommen sei, "Sidlo ist ein Muss", sei da festgestellt worden.

Zudem soll der heutige Chef der staatlichen Beteiligungsholding Öbag den Finanzminister bei seiner Überzeugungsarbeit an Rothensteiner unterstützt haben.

Löger bestreitet die Vorwürfe so wie alle anderen Beschuldigten.
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In Tatbeständen des Strafgesetzbuches geht es also um den Verdacht der Bestechung (Löger, Schmid, Rothensteiner und Pröll) und des Amtsmissbrauchs (Löger). Rothensteiner und Pröll werden zudem der Untreue verdächtigt. Der Grund dafür: die Kosten, die der Vorstandswechsel in der Casag durch die vorzeitige Auflösung der Vorstandsverträge von Alexander Labak und Dietmar Hoscher mit sich brachte.

Und wie kommt die WKStA zur Ansicht, dass es einen "Deal" gegeben hat? Vor allem aus der Auswertung von Handy- und anderen Daten, die bei den Razzien bei Strache, Johann Gudenus (damals FPÖ) und Co beschlagnahmt wurden.

Entlarvende Whatsapps

So schrieb Sidlo am 12. August seinem Freund Gudenus auf Whatsapp Folgendes: "Hallo Joschi, ich habe mit meinen Freunden bezgl. Casinos gesprochen, sie wären bereit und auch fähig, den Deal zu machen. Bitte Meeting für Anfang September koordinieren, gleich mit Hubert (laut WKStA: Fuchs, Anm.)." Die Antwort: "Ok, lass uns bald in Ruhe reden."

Hohe Bedeutung misst die Staatsanwaltschaft auch einer Aktennotiz von Rothensteiner nach einem Telefonat mit Löger bei, das spielte am 1. Februar dieses Jahres. Löger habe mit Graf konferiert, "der hat irgendeinen Hintergrunddeal mit den Blauen. Daher ist Sidlo ein Muss. Alternativkandidat von Neumann gibt es nicht mehr, Graf will es nicht."

Ex- und aktiver ÖVP-Chef Sebastian Kurz und Josef Pröll (rechts).
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Rothensteiner überlegte sich damals auch seine eigene Rolle als Casag-Aufsichtsratschef: "Habe Löger gesagt, dass ich damit eigentlich meine Funktion überdenken muss. Versteht er, bittet mich, ihn zu verstehen. Er wird mit Pröll und Sazka reden, damit wir einstimmig bestellen können ..."

"Relativierungsversuche"

Rothensteiner korrigierte und ergänzte das in seiner schriftlichen Stellungnahme an die WKStA zwar Ende des Sommers, aber die Staatsanwälte sehen das nur als "Relativierungsversuche".

Ihre Sicht der Dinge untermauert die WKStA zudem mit der Mail eines Sazka-Vertreters an Neumann. Daraus gehe hervor, dass Rothensteiner "explizit deponiert" habe, dass Sidlos Bestellung Regierungswille sei: "I heard loud and clear the message that this is the wish of both government als well as Novomatic representatives." Die zeitliche Kette, die die WKStA zusammenstellt, sieht so aus: am 31. Jänner Schmids Mail an Neumann; vier Stunden später Termin mit Löger; am 1. Februar Telefonat Löger – Rothensteiner mit dessen Erkenntnis "Sidlo ist ein Muss". Am 4. Februar schrieb Neumann an Schmid, ob es Neuigkeiten zur Casag gebe und ob "ihr mit Walter R. (Rothensteiner, Anm.) sprechen" konntet.

Treffen in London

Am 6. Februar trafen einander Fuchs und Graf in London, und Neumann berichtete Strache: "War echt mühsam, aber hier hat Löger auch sehr geholfen :)) lg aus London."

Schmid stand laut den Recherchen der WKStA in engerem Kontakt zum Novomatic-Chef als der Minister. Er habe Neumann die Kontaktdaten Lögers zukommen lassen, sich nach dem Fortschritt der Gespräche erkundigt und auch mal eingeladen: "Vielleicht kommst du einmal zu HBM und mir und wir reden weitere Vorgangsweisen gemeinsam durch." Zudem riet er dem Manager, Rothensteiner anzurufen: "Ruf du ihn auch an, unbedingt."

Bei FPÖ-Chef Strache stieß das alles auf großes Interesse. Am 16. Jänner fragte der Vizekanzler bei Neumann nach, ob er sich bei Sidlo auf sein Wort verlassen könne, "ist alles auf Schiene?". Neumann bejahte so: "Haben alles zur Unterstützung beigetragen. Barbara Kolm (OeNB-Vizepräsidentin, Anm.) hat auch mit dem Headhunter gesprochen. Bettina Glatz-Kremsner (ÖVP, heute Casag-Chefin, Anm.) ist auf unserer Seite. Thomas Schmid auch."

Heikle Chatgruppen

Zudem hätten sich Pröll, Rothensteiner und Neumann vor der Bestellung Sidlos im März auch in "Chatgruppen" miteinander unterhalten, heißt es in den Unterlagen der Justiz. Am 11. März habe Neumann da berichtet, "Sepp" habe ihn angerufen und gemeint, "sie (Sazka, Anm.) könnten es über das Thema Gaming-Erfahrung probieren". Gemeint war wohl, dass Sazka ins Treffen führen könnte, dass Sidlo noch nie in dem Bereich gearbeitet habe.

Zwei Tage später habe der Novomatic-Chef den Aufsichtsratsvizechef per Chat um Rückruf gebeten, um ein Schreiben eines Sidlo-kritischen Aufsichtsrats zu besprechen. Irgendwann dürfte die Sache dann zu langwierig geworden sein. Pröll hielt im Chat fest, es sei Zeit für eine Entscheidung, eine Lösung müsse her.

Die Causa hat am Mittwoch eine neue politische Komponente erhalten: Löger ließ wissen, dass er nicht mehr als Finanzminister zur Verfügung stehe. (Renate Graber, 13.11.2019)