Er kann nichts dafür!
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Wien – "Der besorgniserregende Rückgang von Fischen, Fröschen, Krebsen, Muscheln oder Libellen in heimischen Flüssen und Seen ist menschengemacht. Wir zerstören, verbauen und verschmutzen ihren Lebensraum." So fasst WWF-Artenschutzexperte Arno Aschauer die Ergebnisse eines Reports zusammen, für den mehr als 500 Datensätze offizieller Berichte der Bundesländer an die Europäische Kommission ausgewertet wurden. Das ernüchternde Fazit: Von den 62 untersuchten Arten weisen mehr als 90 Prozent keinen günstigen Erhaltungszustand auf.

Belastungsfaktoren

Mehr als 60 Prozent der heimischen Flüsse attestiert der Nationale Gewässerbewirtschaftungsplan einen mäßigen bis schlechten ökologischen Zustand. Die Lebensraumzerstörung durch Flussbegradigungen, Uferverbauungen, Wasserkraft- und Querbauwerke sowie Transport- und Verkehrsinfrastruktur würden den Tieren das Leben besonders schwer machen.

Auch die Verschmutzung durch landwirtschaftlichen Pestizideinsatz und Nährstoffeintrag sei ein wesentlicher Belastungsfaktor. Der schlechte Gewässerzustand dezimiere nicht nur Tierpopulationen, sondern schade letztlich auch dem Menschen: "Wir graben vielen Tieren, aber auch uns selbst das Wasser ab. Der drastische Schwund naturnaher Lebensräume und Artbestände zerstört das Gleichgewicht in Flüssen und Seen. Das gefährdet wichtige Ökosystemleistungen wie Hochwasserschutz, Wasserreinigung oder Fischerei", so Aschauer.

Vor dem Hintergrund, dass Österreichs Wirbeltierbestände laut Berechnungen der Universität für Bodenkultur in den vergangenen 30 Jahren um durchschnittlich 70 Prozent eingebrochen sind, sei daher auch die Zukunftsperspektive für in oder am Wasser lebende Tiere düster.

Natürliche Räuber spielen so gut wie keine Rolle

Die Auswertung der offiziellen Daten ist aber auch für einen Aspekt relevant, der traditionell für Kontroversen sorgt, nämlich: Wie sehr sind natürliche Räuber am Rückgang anderer Arten schuld? Laut WWF sind Tiere wie der Fischotter durch den Bericht entlastet: "Der Fischotter wird gerne zum Sündenbock für den Rückgang von Fischbeständen und anderen seltenen Tieren in Österreichs Gewässern gemacht. Tatsächlich untermauern die Bundesländer-Bewertungen jedoch, dass Prädatoren nur in einem Teil Österreichs und einem Einzelfall – der Äsche – einen von mehreren Belastungsfaktoren darstellen", sagt Aschauer.

Er verwies zugleich auf die wichtige Funktion der Fischotter in naturnahen Ökosystemen, beispielsweise als eine Art "Gesundheitspolizei" innerhalb der Nahrungskette oder beim Zurückdrängen invasiver Arten. "Die Politik ist daher in erster Linie gefordert, das Zerstören, Verbauen und Verschmutzen der Natur einzudämmen anstatt Wildtieren die Schuld am Artensterben umzuhängen. Gesunde Lebensräume sind die Voraussetzung für gesunde Artbestände", stellte der WWF-Biologe klar.

Die Konsequenzen

"Die letzten intakten Gewässerabschnitte müssen vor weiterer Beeinträchtigung bewahrt und die Renaturierung von Flüssen und Seen entschlossener als bisher angepackt werden", forderte Aschauer. Der WWF kritisierte, dass Hunderte konkrete Sanierungsprojekte von Gemeinden, Verbänden und Wassernutzern seit Jahren in der Warteschleife hängen, weil die Umweltfördermittel des Bundes gestrichen wurden.

"Es war ein schwerer Fehler, 2015 den Fördertopf für Gewässersanierungen von 23 Millionen Euro pro Jahr auf nahezu null zu kürzen. Die nächste Bundesregierung steht hier in der Pflicht, eine Kehrtwende einzuleiten", appellierte Aschauer an die Koalitionsverhandler und fordert die schnellstmögliche Umsetzung des im September vor der Nationalratswahl von allen Parteien beschlossenen Entschließungsantrags, wonach "umgehend die nötigen Mittel für die Förderung gewässerökologischer Maßnahmen bereitzustellen" sind.

Um Gewässersysteme wieder in funktionierende Lebensräume umzuwandeln, forderte der WWF Österreich, gewässer- und artenschädigende Subventionen zu streichen – etwa im Bereich der Ökostrom-, land- und forstwissenschaftlichen Förderungen. Weiters müsse der Nationale Gewässerbewirtschaftungsplan ambitioniert umgesetzt, personell aufgestockt und bis 2027 ausfinanziert werden. (red, APA, 14. 11. 2019)