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Stephan Brandner aus Thüringen gilt als Vertrauter von Rechtsaußen Björn Höcke.

Foto: dpa/Jutrczenka

Es kommt nicht oft vor, dass die Arbeit des Rechtsausschusses des deutschen Bundestags auf so viel Interesse stößt. Am Mittwoch aber herrschte vor dem Saal reges Gedränge, denn gleich der erste Tagesordnungspunkt des Gremiums hatte es in sich: "Abwahl des Ausschussvorsitzenden".

So etwas hat es in der 70-jährigen Geschichte des Bundestags noch nie gegeben. Doch bei der Premiere gab es weitgehende Einigkeit. Alle Abgeordneten von CDU/CSU, SPD, FDP, Grünen und Linken wählten den Ausschussvorsitzenden Stephan Brandner ab. Nur seine AfD-Fraktionskolleginnen und -kollegen stimmten gegen den Rauswurf des 53-jährigen Bundestagsabgeordneten aus Thüringen.

Dieses Video kursiert im Netz: Die zwei Vorsitzenden der AfD-Bundestagsfraktion Alice Weidel und Alexander Gauland sowie der AfD-Bundestagsabgeordnete Stephan Brandner (Mitte) reagieren misslaunig auf die Fragen von Journalisten.

Schon als Brandner nach der Wahl 2017 und dem Einzug der AfD in den Bundestag zum Chef des Rechtsausschusses gewählt worden war, hatten viele Bauchweh. Brandner gilt als Vertrauter des Thüringer Rechtsaußen Björn Höcke und hat bereits als Abgeordneter im Thüringer Landtag so viele verbale Attacken geritten, dass er dafür 32 Ordnungsrufe kassierte.

"Judaslohn" für Lindenberg

Als er dann im Jänner 2018 den Vorsitz im Rechtsausschuss übernahm, erklärte er: "Ich freue mich auf die Aufgabe und denke, dass ich relativ wenig Skandale produzieren werde." Es klappte nicht. Vor allem zwei Aktivitäten bei Twitter lösten Empörung aus. Nach dem Anschlag auf die Synagoge von Halle verbreitete er einen Tweet, in dem es hieß: "Warum lungern Politiker mit Kerzen in Moscheen und Synagogen rum?" Schließlich seien die beiden Todesopfer Deutsche gewesen. Und das Bundesverdienstkreuz an den AfD-kritischen Sänger Udo Lindenberg bezeichnete Brandner als "Judaslohn".

Einen Rücktritt lehnte er ab, also holten die Abgeordneten der anderen Bundestagsfraktionen Gutachten sein. Schließlich war im Bundestag noch nie ein Vorsitzender eines Ausschusses abgesetzt worden. Doch man kam zu dem Schluss: Wer gewählt wurde, der kann auch wieder abgewählt werden.

"Die Abberufung von Brandner ist ein klares Signal gegen Hetze und Hass. Wir geben dem Amt damit endlich seine Würde zurück", sagt der Unionsobmann Jan-Marco Luczak (CDU).

"Ausgehetzt"

Er verwies auch darauf, dass der Rechtsausschuss des Bundestags eine besondere Funktion habe: "Er wacht über Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und die Werte des Grundgesetzes." Der Linken-Rechtspolitiker Niema Movassat sagte: "Es hat sich ausgehetzt für Herrn Brandner."

Der Geschasste selbst erklärte: "Die Altparteien haben sich dramatisch blamiert." Es sei "der beste" Vorsitzende gewesen. AfD-Fraktionsvorsitzender Alexander Gauland nannte die Abwahl "eine Mischung aus Dummheit und Anmaßung".

Brandner wird Mitglied im Justizausschuss bleiben, die AfD überlegt noch, ob sie einen neuen Ausschussvorsitzenden nominiert. Noch ein Posten ist vakant: Die AfD bleibt weiterhin ohne eigenen Vizepräsidenten im Bundestag. Keiner ihrer vier Kandidaten konnte bisher bei den Wahlen eine Mehrheit erzielen. (Birgit Baumann, 13.11.2019)