Die frühere kaufmännische Burgtheater-Geschäftsführerin Silvia Stantejsky steht wegen Bilanzvergehen, Untreue und Veruntreuung in Wien vor Gericht.

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Wien – Sieben Jahre nach Bekanntwerden der Finanzmisere am Wiener Burgtheater hat nun das gerichtliche Nachspiel begonnen. Nachdem die jahrelangen Ermittlungsverfahren gegen Ex-Burg-Direktor Matthias Hartmann und den mittlerweile pensionierten damaligen Chef der übergeordneten Bundestheater-Holding, Georg Springer, eingestellt wurden, blieb nur noch ein Name übrig: Silvia Stantejsky.

Die ehemalige kaufmännische Geschäftsführerin, verantwortlich für die Burg-Finanzen von 2008 bis zu ihrer Entlassung im Jahr 2013, muss sich in einem für vier Tage anberaumten Prozess vor dem Wiener Landesgericht für Strafsachen verantworten. Die Vorwürfe: Untreue, Veruntreuung und Bilanzfälschung. In Teilen, betreffend die ersten beiden Sachverhalte, zeigte sich Stantejsky schon im Ermittlungsverfahren geständig. Vor dem Schöffengericht wiederholte die 64-jährige nunmehrige Pensionistin am Donnerstag ihre Aussagen, versuchte aber, sich gegen den Vorwurf der Bilanzfälschung zu wehren. Für die Angeklagte gilt die Unschuldsvermutung, im Falle einer Verurteilung drohen ihr ein bis zehn Jahre Haft.

Gefasst, aber auch emotional

Angesichts der Schwere der Vorwürfe zeigte sich Stantejsky bei ihrer Befragung weitgehend gefasst, argumentierte sachlich, erst als emotionale Erinnerungen hochkamen, flossen mehrfach auch Tränen.

Stantejsky, die von 1980 an fast ihr gesamtes Berufsleben im Burgtheater verbrachte, galt über all die Jahre als "gute Seele" des Hauses. Vor Gericht schilderte sie, vom Richter befragt, ihr enormes Arbeitspensum, das Sechzehnstundentage, Urlaubszeit-, Nacht- und Wochenendarbeit umfasst haben soll. Ihrem früheren Geschäftsführer-Gehalt von 7.000 Euro steht heute eine Pension von 1.800 Euro gegenüber, außerdem sitze sie auf einem Schuldenberg in sechsstelliger Höhe und sei seit 2011 in psychiatrischer Behandlung.

Oberstaatsanwältin Veronika Standfest hielt in ihrer Anklage fest, dass Stantejsky sich einen "luxuriösen Lebensstil" geleistet, privat über ihre Verhältnisse gelebt und daher das fragwürdige System des Bargeldverkehrs im Burgtheater "ausgenutzt" haben soll, um sich zu bereichern. Stantejsky bestritt nicht, sich an Künstlergagen (30.000 Euro) sowie an ihr zur "Verwahrung" in bar anvertrauten Honoraren des Direktors Matthias Hartmann (273.000 Euro) und des Regisseurs David Bösch (185.000 Euro) teilweise selbst bedient zu haben.

Die Angeklagte fügte zur dolosen Handhabe mit der Bargeldhauskassa aber an, dass sie mitunter mehrfach private Mittel in die Kassa eingezahlt habe und auch die widerrechtlich entnommenen Summen wieder habe rückführen wollen. "Ich hatte nie vor, mir einen Euro davon zu behalten. Ich habe mich nie bereichern wollen." Sie habe irgendwann aber "nicht mehr trennen können, was von Hartmann ist, von mir, von Bösch" und daher auch mit fremdem Geld "Löcher gestopft". Teile der Schulden hat Stantejsky mittlerweile außergerichtlich beglichen.

Springer wollte schwarze Null sehen

Zur inkriminierten Bilanzfälschung ging die Staatsanwältin auf Stantejskys Argumentation ein, wonach diese unter dem Druck gestanden sei, im Budget jährlich "eine schwarze Null zu machen": "Ja", so die Staatsanwältin, "es war bestimmt so, dass Holding-Chef Springer die schwarze Null gefordert hat." Es stelle sich aber die Frage, warum Stantejsky "die Zahlen nicht auf den Tisch gelegt hat". Und weiter: "Es mag sein, dass sie den schwarzen Peter hat. Aber sie war die kaufmännische Geschäftsführerin."

Stantejskys Anwältin Isabell Lichtenstrasser hielt dem entgegen, dass ihre Mandantin sehr wohl auf die prekäre Finanzlage des Burgtheaters hingewiesen habe. Dass die schwarze Null "in der Realität nicht möglich war, war allen Beteiligten sonnenklar", so Lichtenstrasser. Sowohl Georg Springer als auch der Aufsichtsrat hätten auf Warnungen nicht reagiert, lange hatten auch die Wirtschaftsprüfer nichts beanstandet.

Hartmann habe kein Ohr für Finanzbelange gehabt

Dass Matthias Hartmann keine Verantwortung für Jahresabschlüsse trage, weil ausschließlich sie diese bearbeitet habe, bestätigte Stantejsky zwar; die Angeklagte hielt aber fest, dass der Direktor immer mehr Aufgaben auf sie abgewälzt und kein Ohr für Finanzbelange gehabt habe: "Ich habe händeringend versucht, ihn in Kenntnis zu setzen, aber er hat gesagt: 'Lass mich mit deinen Excel-Listen in Ruhe.'"

Der Vorwurf der Bilanzfälschung knüpft sich stark an den Umgang mit "skartierten" Produktionen, im Klartext: Stücke, die nicht mehr gespielt und daher teils entsorgt, teils archiviert werden. Stantejsky hatte eine Vielzahl dieser Stücke weiter als Buchwert in den Bilanzen geführt – eine Praxis, die am Theater schon immer üblich, aber unter Stantejsky aus dem Ruder gelaufen sein soll.

Fortgeführt wird der Prozess am Freitag. Anfang nächster Woche sind Matthias Hartmann und Georg Springer als Zeugen geladen. Ein Urteil könnte es frühestens am Dienstag geben. (Stefan Weiss, 14.11.2019)