Läuft bei der Geburt alles glatt? Werde ich eine gute Mutter sein? Wie wird sich die Beziehung zu meinem Partner verändern, wenn wir ein Kind haben? Die meisten Schwangeren haben solche Ängste und fühlen sich gestresst. Sie sehnen sich nach Auszeiten, die neben einem Job, Arztterminen und ersten Besorgungen für das Baby häufig zu kurz kommen.

Das hat die Industrie rund um Achtsamkeit und Meditation erkannt. Immer mehr Onlinekurse speziell für werdende Mütter kommen auf den Markt. Ein Beispiel ist "Expectful", eine US-amerikanische App, die in Zusammenarbeit mit Psychologen und Hebammen entwickelt wurde. Ein Abonnement kostet 9,99 Dollar (rund neun Euro) pro Monat. Nicht gerade günstig, könnte man meinen, dennoch scheint "Expectful" beliebt zu sein: Seine Nutzerzahlen haben sich im vergangenen Jahr verdoppelt. Wie hoch sie genau sind, will die Firma allerdings nicht preisgeben. Jedoch hätten Frauen aus 50 Ländern weltweit ein Abo.

Die App bietet eine Auswahl an geleiteten Meditationen auf Englisch – zum besseren Einschlafen, zum leichteren Aufstehen, als Begleitung beim Spazierengehen. Offeriert werden auch Mediationen für jede Woche der Schwangerschaft. Darin wird erklärt, was sich gerade im Bauch tut. Idealerweise soll man dadurch zur Ruhe kommen und eine Beziehung zum ungeborenen Kind aufbauen. Wie das funktioniert? Ich – im siebenten Monat schwanger – probiere es aus. Ich habe bereits ein wenig Erfahrung mit Meditation, aber dafür mein Smartphone zur Hand zu nehmen ist neu für mich.

Bequem hinsetzen, tief atmen

Es ist 7.30 Uhr in der Früh, also entscheide ich mich für die Meditation "Mindful Mornings". Praktischerweise kann man die Dauer des Programms auswählen, zur Option stehen fünf, zehn oder 20 Minuten. Ich entscheide mich für zehn Minuten – so viel Zeit habe ich gerade noch, bevor ich unter die Dusche springen muss – und drücke auf Play.

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Meditation wirkt gegen Angst und Stress, zeigen Studien zum Thema.
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Eine sanfte Frauenstimme, die ein wenig an einen Roboter in einem Science-Fiction-Film erinnert, heißt mich willkommen. Sie fordert mich auf, eine bequeme Haltung einzunehmen. Sitzen oder liegen sei beides okay. Ab dem zweiten Trimester der Schwangerschaft, mahnt sie, solle man allerdings nicht mehr auf dem Rücken liegen – denn das begünstigt das sogenannte Vena-cava-Syndrom: Das Gewicht der Gebärmutter drückt auf die untere Hohlvene (Vena cava inferior), die Blut zum Herzen transportiert. Dadurch kann der Kreislauf der Mutter geschwächt und das Baby mit zu wenig Sauerstoff versorgt werden.

Ich lege mich also seitlich hin, klemme einen Polster zwischen meine Beine und einen unter den Bauch und versuche mich zu konzentrieren.

Die Frauenstimme sagt, ich solle nun meine Augen schließen. Außerdem werde ich angehalten, mich auf meinen Atem zu konzentrieren, auf jedes Ein- und jedes Ausatmen. Ich soll bewusst wahrnehmen, wie der Bauch beim Einatmen größer und beim Ausatmen flacher wird. Die Konzentration auf den Atem spielt bei Meditation grundsätzlich eine wichtige Rolle. Dadurch soll es gelingen, mit den Gedanken nicht abzuschweifen.

Bei mir funktioniert das zunächst nicht so gut. Anstatt mich auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren, wie vorgegeben, denke ich an die E-Mail, die ich noch beantworten muss, an den Interviewtermin am Nachmittag und daran, dass ich vor der Arbeit noch zur Post muss. Meine Gedanken springen von einem To-do zum nächsten.

Noch fünf Minuten – durchhalten

Die Sprecherin hat offenbar Verständnis dafür. Ablenkungen seien nicht ungewöhnlich, und man solle sich deshalb keine Vorwürfe machen. Das Wichtige sei, dabeizubleiben. Also gut, weiter geht's.

Ich achte weiter darauf, wie mein Bauch sich hebt und senkt, spüre meinen Atem an meinen Nasenflügeln vorbeirauschen. Die Matratze ist noch warm, und zwischen den Polstern fühle ich mich wohl und geborgen. Da merke ich, dass mein Hals trocken und mein Nacken verspannt ist. Ich sollte dringend ein Glas Wasser trinken. Und ein Besuch im Schwimmbad ist auch überfällig.

Das ist übrigens ein weiterer nachgewiesener Nutzen von Meditation: Sie hilft, den eigenen Körper wieder stärker zu spüren, wieder mehr auf wichtige Signale zu achten.

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Er wollte Mediation unter Schwangeren "genauso populär machen wie Nahrungsergänzungsmittel", sagte Markus Krassner, Gründer der "Expectful"-App, dem US-Magazin "Fast Company".
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Ein kurzer Blick auf das Display verrät mir, dass mittlerweile fünf Minuten vergangen sind. Ich werde unruhig, kann kaum stillhalten. Soll ich aufgeben und aufstehen? Die Frauenstimme motiviert mich weiterzumachen und erinnert mich daran, warum ich das hier tue: "Wenn Sie sich morgens bewusst Zeit nehmen, in der Sie achtsam in Kontakt zu sich selbst und Ihrem Baby treten, werden Sie gelassener, und das hilft Ihnen, mit Überraschungen in der Schwangerschaft umzugehen."

Die App bietet aber nicht nur Achtsamkeitsübungen für die werdenden Mütter, sondern auch für ihre Partner. Programme für die Zeit nach der Geburt werden ebenfalls offeriert. Es gibt außerdem Audiotracks für Frauen, die gerne schwanger werden möchten, oder für Paare, die ihr Kind verloren haben.

Bei allen Tracks läuft im Hintergrund ein Meeresrauschen. Das irritiert mich. Wellen brechen zu hören fühlt sich unpassend an, wenn man im November in einer Wiener Wohnung liegt und es draußen regnet. Ein Vorteil ist, dass man bei "Expectful" die Hintergrundgeräusche umstellen kann: auf leise Instrumentalmusik, Regen oder sanfte Trommelrhythmen. Es ist auch möglich, die Begleitmusik ganz auszuschalten, und das ist mir am liebsten.

Nur mit viel Disziplin

Drei Minuten noch, die Einheit neigt sich dem Ende zu. "Sie können Ihre Arme jetzt gerne auf Ihren Bauch legen." Ich muss mich zusammenreißen, um nicht wieder einzuschlafen. Denn jetzt ist es langsam an der Zeit, wieder rauszufinden aus dem Dämmerzustand und aufzustehen. "Lassen Sie sich dabei aber so viel Zeit, wie Sie brauchen."

Die letzte Übung: die Stille auf sich wirken lassen und Kraft sammeln für den neuen Tag. Die Sprecherin erinnert noch einmal daran, alles, was sich so im Kopfkino abspielt, und auch die Welt draußen auszublenden. "Achten Sie darauf, präsent zu sein. Wenn man präsent ist im Hier und Jetzt, dann erübrigen sich viele Sorgen ganz von selbst." Das fällt mir immer noch nicht leicht.

Ich merke aber: Jeden Tag, mit jeder Meditation wird es einfacher. Mit jedem Mal kann ich besser fokussieren und komme schneller zur Ruhe. Auch wenn es mir nie perfekt gelingt, mit den Gedanken voll dabei zu sein, werden die täglichen zehn Minuten nach zwei Wochen zu einer Art Zufluchtsort für mich. Es ist eine Zeit, in der ich nichts tun, nichts denken muss. Damit es wirklich funktioniert, ist allerdings viel Disziplin notwendig. (Lisa Breit, 24.11.2019)