Vielleicht beherbergt unser Sonnensystem weit draußen an seinem Rand einen bisher unbekannten Riesenplaneten.
Illustr.: ESO/Tom Ruen

Am 24. August 2006 haben die Mitglieder der Internationalen Astronomischen Union (IAU) den Begriff "Planet" neu definiert und dabei den Pluto zum Zwergplaneten herabgestuft. Dadurch besitzt unser Sonnensystem mittlerweile nur mehr acht anerkannte Planeten. Vielleicht aber ist auch das nicht korrekt, denn womöglich versteckt sich weit draußen am Rande des Sonnensystems mindestens ein weiterer großer Planet vor unseren Blicken. Seit der Astronom Michael Brown vom California Institute of Technology (Caltech) und sein Kollege Konstantin Batygin vor über drei Jahren diese freilich schon ältere Idee erneut aufgegriffen haben, wird sie in der astronomischen Fachwelt in regelmäßigen Abständen sowohl verworfen als auch durch neue Analysen wiederum untermauert.

Grundlage der Hypothese eines neunten Planeten ist ein Phänomen, das die Astronomen als "orbitales Clustering" bezeichnen – eine charakteristische Anordnung der Umlaufbahnen zahlreicher transneptunischer Objekte (TNO), die auf den gravitativen Einfluss einer großen Masse im fernen Kuipergürtel zurückgehen könnte. Brown und Batygin nehmen Gegenargumente zwar sehr ernst, sind aber immer wieder auch schnell mit neuen Daten und Berechnungsmethoden bei der Hand, die ihre Hypothese tatsächlich zu bestätigen scheinen.

Orbitale Unregelmäßigkeiten zahlreicher transneptunischer Objekte bilden aktuell die Basis der Planet-Neun-Hypothese.
Illustr.: Illustr.: James Tuttle Keane/Caltech

Konkretes Bild über Planet Neun

So stellten sie Anfang des Jahres im renommierten "Astronomical Journal" aktuelle Resultate vor, wonach die Wahrscheinlichkeit dafür, dass die orbitalen Unregelmäßigkeiten der Objekte im Kuipergürtel rein zufällig zustande kommen, bei 1:500 liegt. Mit anderen Worten: Es wird immer plausibler, dass der ominöse Planet Neun wirklich existiert. Was sich aus diesen Beobachtungen schließen lässt, ergibt auch schon ein recht konkretes Bild über diesen fernen Riesen: Er dürfte die rund fünffache Erdmasse besitzen und im Schnitt in ungefähr 400 Astronomischen Einheiten Distanz (AE, also die 400-fache Distanz zwischen Erde und Sonne) seine Kreise ziehen.

Trotz dieser vermuteten Größe ist es äußerst schwierig, ein derart fernes planetares Objekt vor dem allgegenwärtigen Galaxien- und Sternengefunkel auszumachen, zumal die aktuelle Position des Planeten auf seiner Umlaufbahn zumindest aufgrund der bisher bekannten Daten kaum vorherzusagen ist – und doch besteht eine gewisse Hoffnung, den dunklen Riesen doch noch zu finden: Ein internationales Astronomenteam hat nachgerechnet, ob das Weltraumteleskop Transiting Exoplanet Survey Satellite (Tess) der Nasa in der Lage wäre, Planet Neun zu entdecken.

Video: Was auf die Existenz eines neunten Planeten hindeutet.
caltech

Nachfolger der Kepler-Mission

Tess wurde im April 2018 ins All geschickt und erreichte rund zwei Monate später seine vorgesehene Umlaufbahn. Die rund 200 Millionen Dollar teure Mission soll, wie schon die erfolgreiche Vorgängermission Kepler, nach Exoplaneten suchen, indem das Teleskop mit seinen vier Kameras nach Verdunkelungen bestimmter Sterne Ausschau hält. Solche minimalen Verfinsterungen passieren, wenn Exoplaneten vor der Sternenscheibe vorüberzieht. Im Unterschied zu Kepler soll Tess ein insgesamt deutlich größeres Himmelsgebiet abdecken und ist empfindlich genug, um auch kleine Felsplaneten zu identifizieren.

Genau diese Fähigkeit macht Tess auch so interessant für die Suche nach Planet Neun. Wie die Forscher um Matthew J. Holman und Matthew J. Payne vom Harvard Smithonian Center for Astrophysics und András Pál von der Eötvös-Loránd-Universität Budapest im Fachjournal "Research Notes of the American Astronomical Society" berichten, sei Tess nämlich durchaus dazu in der Lage, Planet Neun am Rand des Sonnensystems zu entdecken. Die Berechnungen zeigen sogar, dass das Weltraumauge der Nasa den potenziellen Planeten möglicherweise sogar schon wahrgenommen hat.

Das Weltraumteleskop Tess der Nasa könnte den hypothetischen Planeten Neun im Kuipergürtel bereits erspäht haben.
Illustr.: Nasa/red

Software als unerlässliche Suchhilfe

Um Planet Neun in den Tess-Daten zu finden, müsste nach einem sich vor dem Sternenhintergrund hin- und herbewegenden lichtschwachen Objekt gesucht werden. Das allerdings wäre nur durch entsprechende Softwareunterstützung möglich. Schließlich sei, so die Forscher, der Orbit von Planet Neun noch weitgehend unbekannt. Daher müssten mit Computerhilfe alle infrage kommenden Umlaufbahnen überprüft werden.

Um ihre Theorie zu überprüfen, ließen die Wissenschafter um Holman ihre Software über die bisher verfügbaren Tess-Daten laufen, um festzustellen, ob sie drei bereits bekannte bedeutend kleinere transneptunische Objekte finden würden: den Zwergplaneten Sedna (1.000 Kilometer Durchmesser, maximal 880 AE entfernt), 2015 BP519 (520 Kilometer Durchmesser, maximal 820 AE entfernt) und 2015 BM518 (230 Kilometer Durchmesser, rund 36 AE entfernt).

Einfacher Nachweis macht Hoffnung

Die Forscher wurden nicht enttäuscht: Alle drei Himmelskörper konnten in den Tess-Daten verhältnismäßig einfach gefunden werden. Die Analyse des Experiments ergab, dass alle Objekte im nahen Infrarotbereich noch bis zu einer Helligkeitsmagnitude von etwa 21 nachgewiesen werden können.

Anhand bisheriger Untersuchungen gehen die Wissenschafter davon aus, dass Planet Neun eine Magnitude von 19 bis 24 besitzen dürfte. Damit sollte der Planet durchaus in Reichweite von Tess liegen. Michael Brown, der sich von dieser Studie begeistert zeigte, vermutet sogar, dass Planet Neun größer und sonnennäher ist als bislang angenommen, und damit vermutlich auch leichter mit Tess beobachtbar wäre. (tberg, 15.11.2019)