Es ist erst Mitte November und bis zum Heiligen Abend ist es noch mehr als einen Monat hin. Auf dem Rathausplatz ist man dennoch schon bereit für Weihnachten. Heute, Freitag, eröffnet der Christkindlmarkt – und er besteht aus weit mehr als ein paar Punschhütten und Verkaufsbudeln. Auch heuer ist der Markt mit 152 Ständen eingebettet in den Wiener Weihnachtstraum, der sich über den gesamten Rathauspark zieht. Ein Riesenrad, Karusselle, ein kleiner Eislaufplatz, ein Pfad mit handgefertigten Krippen und der traditionsreiche Herzerlbaum sind dort zu finden. Alles romantisch beleuchtet, wie auf der Webseite der Stadt Wien Marketing GmbH, die als Veranstalter fungiert, versichert wird.

Die Aufbauarbeiten waren am Donnerstag in vollem Gange.

Jährlich zieht der Christkindlmarkt Millionen von Gästen aus dem In- und Ausland an, 2018 waren es 3,5 Millionen Besucher. In der jüngsten Vergangenheit wurde immer wieder Kritik laut, weil die Wiener nicht davon profitierten. Freunderlwirtschaft oder Intransparenz lauten weitere Vorwürfe der Oppositionsparteien.

Mit dem Vermerk „zornig“ verfasste Christoph Wiederkehr, Klubobmann der Neos, am Mittwoch ein Posting auf Facebook: „Während der Christkindlmarkt (…) jedes Jahr Millionenumsätze macht, sieht die Allgemeinheit davon kaum etwas.“ Der Rechnungshof habe „ganz klar empfohlen“, dass die Stadt eine angemessene Miete für gewinnträchtige Events wie den Christkindlmarkt auf dem Rathausplatz verlangen solle. Doch was ist dran an den Vorwürfen? Tatsächlich gibt es zwei Kontrollberichte, auf die sich Kritiker beziehen: Der Wiener Stadtrechnungshof untersuchte 2017 die Vergabe von Christkindlmärkten in Wien. Der Bundesrechnungshof beleuchtete 2019 die Vergabe des Rathausplatzes.

Stadt hebt keine Miete ein

Im Bericht des Stadtrechnungshofs wird aufgezeigt, dass an Auf- und Abbautagen auf dem Rathausplatz keine Marktgebühren eingehoben wurden. In den Jahren 2015 bis 2017 waren das zwischen 26 und 32 Tage, die somit für die Marktbetreiber gebührenfrei blieben. Dies sei laut den Prüfern „nicht nachvollziehbar“.

Der Rechnungshof im Bund kritisierte, dass – einem Gemeinderatsbeschluss folgend – von Veranstaltern keine Mieten für den Rathausplatz eingehoben werden. Er empfahl ein „der Attraktivität des Platzes adäquates Mietentgelt“ einzuheben und davon nur Eigenveranstaltungen der Stadt Wien auszunehmen.

Auch heuer werden wieder Millionen Besucher erwartet.

Eine Eigenveranstaltung ist der Christkindlmarkt nicht. Als Veranstalter fungiert der private Verein zur Förderung des Marktgewerbes. Die Stadt erhält nur die vorgeschriebene Marktgebühr, darüber hinaus gibt es keine Mietvorgaben. Pro Stand und Tag sind das 5,99 Euro. 2017 waren es rund 48.000 Euro. Ausgenommen sind weiter die Tage für den Auf- und Abbau. Warum keine Miete eingehoben wird? Gerlinde Riedl, Chefin der Stadt Wien Marketing GmbH, will keine „Lex Christkindlmarkt“ schaffen, wie sie dem STANDARD sagt. Sie vertritt die Ansicht, dass es der Stadt gar nicht erlaubt ist, Mieten einzuheben, wenn Marktgebühren verlangt werden. Im Stadtrechnungshofbericht von 2017 steht, dass für Anlassmärkte, wie der Christkindlmarkt einer ist, „keine zusätzlichen privatrechtlichen Entgelte, beispielsweise in Form einer umsatzabhängigen Pacht“ eingehoben werden dürfen.

Nicht gewinnbringend

Bleibt der Vorwurf der Intransparenz. Vereinsobmann ist SPÖ-Funktionär Akan Keskin. Er ist Spartenobmann-Stellvertreter Handel in der Wirtschaftskammer Österreich und Inhaber des Lokals Orient Occident am Naschmarkt. Als Vereinsobmann erhält er eine Entschädigung von 3000 Euro brutto pro Monat, wie die Wochenzeitung Falter in Erfahrung brachte. Das Geschäft am Christkindlmarkt ist für den Verein, der weitere Adventmärkte in Wien verantwortet, laut Angaben auf ihrer Homepage nicht gewinnbringend.

Was vielen aufstößt, sind die undurchsichtigen Kriterien bei der Standvergabe. Wobei hier laut Eigenangaben nachgebessert wurde: Es gibt ein Punktesystem und eine Jury, die über die Vergabe entscheiden: Keskin: „Seit 2005 verzeichnet der Christkindlmarkt daher mehr als 50 Prozent neu hinzugekommene Betriebe.“

Vorwürfe der Freunderlwirtschaft im SPÖ-Umfeld weist Keskin, dessen Orient Occident OG selbst einen Stand betreiben wird, im STANDARD-Gespräch zurück: Die Konzepte würden objektiv bewertet. Der Verein übernehme über die Marktgebühren hinaus Kosten in Höhe von 550.000 Euro, etwa für die Müllentsorgung, die Auslandswerbung oder die Kinderbackstube in der Volkshalle des Rathauses. (Rosa Winkler-Hermaden, 14.11.2019)