Herbert Kickl teilte beim FPÖ-Parteitag ordentlich aus und handelte sich damit eine Anzeige ein.

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Wolfgang Zanger hat ein schwer bedenkliches Liederbuch zu Hause, die Staatsanwaltschaft will ermitteln.

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Wien – Dem Immunitätsausschuss des Parlaments liegen derzeit zwei Anträge vor: Die Staatsanwaltschaft Leoben ersucht um die Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Angeordneten Wolfgang Zanger, die Staatsanwaltschaft Graz will gegen den Abgeordneten und Klubobmann Herbert Kickl ermitteln, beide FPÖ. Bei Zanger geht es um den Verdacht des Verstoßes gegen das NS-Verbotsgesetz, bei Kickl besteht der Verdacht der Verhetzung, gegen beide Abgeordnete liegen Anzeigen vor.

Kickl hatte beim FPÖ-Parteitag am 14. September in Graz unter anderem eine "Triple-A-Bewertung" für Asylwerber zum Besten gegeben, nämlich "aggressive afghanische Asylwerber". In der Sachverhaltsdarstellung des Vereins Fairness Asyl wird auch die Aussage Kickls von "IS-Kopfabschneidern, von diesen Massenvergewaltigern, von diesen Terroristen", die ein "FPÖ-Innenminister nicht auf Steuerkosten zurückholen" würde, zitiert.

Der Immunitätsausschuss des Nationalrats wird die Causa Anfang Dezember beraten. Die FPÖ will jedenfalls gegen die Auslieferung stimmen und schießt sich schon einmal auf den Verein Fairness Asyl ein: "Dieser Verein besteht hauptsächlich aus ultralinken Mitgliedern der Grünen und kommunistischer Randparteien: Je eine Aktivistin der Grünen und der linken Splitterguppe Wandel, unterstützt von einem Mitglied der Diakonie. Diese Personen sehen ihre Berufung in der Unterstützung von allerlei Einwanderern, bevorzugt aus Afghanistan", erklärte FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker.

Geschenk der Burschenschaft

Bei Wolfgang Zanger geht es um ein Liederbuch, das er nach eigenen Angaben vor Jahren als Geschenk erhalten hat. Laut einem Facebook-Eintrag des Abgeordneten liegt es "seither bei ihm daheim, verstaubt, ungelesen und nicht gebraucht". Der teils antisemitische und neonazistische Inhalt des Liederbuchs mit dem Titel "Liederliche Lieder" war Ende Oktober an die Öffentlichkeit gelangt. Das Buch dürfte als Geschenk der Burschenschaft Cheruskia an die Burschenschaft Pennales Corps Austria zu Knittelfeld weitergegeben worden sein, bei der Zanger Mitglied ist. Ein Exemplar landete auch bei ihm zu Hause, wie er selbst erklärte.

Bei der Burschenschaft selbst soll das Liederbuch nicht mehr aufliegen. Das Werk enthält Textzeilen wie "Heil Hitler, ihr alten Germanen, ich bin der Tacitus", eine Abwandlung der Bundeshymne mit den Worten "Land der Nehmer, Land der Geber, Land der Kriecher, Land der Streber" und Beleidigungen der jüdischen Bankiersfamilie Rothschild.

Trotz herber Kritik aus allen anderen Parteien stellte sich die FPÖ hinter Zanger. Er selbst rechtfertigte den Besitz des Buches, ohne sich dabei wirklich zu distanzieren. Bundesparteichef Norbert Hofer und der steirische Landesparteichef Mario Kunasek orteten Kalkül hinter der Veröffentlichung, um der FPÖ unmittelbar vor der Landtagswahl in der Steiermark zu schaden.

Geschmacklosigkeit

Für den blauen Generalsekretär Hafenecker ist auch dieser Auslieferungsantrag der Staatsanwaltschaft ein "durchschaubares Manöver gegen die FPÖ". Es handle sich bei dem Liederbuch in keinster Weise um eine Verherrlichung des Nationalsozialismus, sondern um eine Sammlung sexuell anstößiger, eben "liederlicher" Texte, die man aus heutiger Sicht ob ihrer Geschmacklosigkeit hinterfragen könne. Der von der "Kronen Zeitung" skandalisierte Text, in dem auch "Heil Hitler!" vorkomme, finde sich auch in Liederbüchern ÖVP-naher Verbindungen und sei in Wahrheit eine Parodie auf den Rassenwahn der Nationalsozialisten, behauptet Hafenecker.

Ausgeliefert wird üblicherweise, wenn bei dem verfolgten Delikt kein Zusammenhang mit der politischen Tätigkeit des Mandatars gegeben ist. Das wäre etwa bei Wolfgang Zanger und dem Liederbuch der Fall, glaubt Werner Zögernitz, Präsident des Instituts für Parlamentarismus und Demokratiefragen. "Laut bisheriger Praxis wird in einem solchen Fall ausgeliefert", sagt Zögernitz, ganz unwahrscheinlich erscheint ihm das aber im Fall von Klubobmann Kickl, dessen Rede auf dem Parteitag klar in Zusammenhang mit seiner politischen Funktion gestanden sei.

Ausnahmen

Gesetzliche Ausnahmen, wann jedenfalls ausgeliefert wird, gibt es auch. Der Schutz der Immunität gilt nicht bei behördlicher Verfolgung wegen Verleumdung oder bei der Verletzung der Informationsordnung des Nationalrats oder des Bundesrats.

Ausgeliefert wird auch, wenn der inkriminierte Tatbestand vor der Ausübung des Mandats geschehen sein soll, wie das etwa bei Philippa Strache der Fall ist. Gegen sie wird in Zusammenhang mit der Spesenaffäre ihres Mannes Heinz-Christian Strache wegen des Verdachts der Untreue ermittelt. Ihr Mandat als mittlerweile wilde Abgeordnete nahm sie erst im Oktober an.

Entschuldigung beim Staatsanwalt

Peter Pilz stand erst am 11. November vor Gericht. Nachdem seine Liste nicht erneut den Einzug ins Parlament geschafft hatte, lief auch seine Immunität aus, damit holte ihn ein Verfahren ein, das auf das Jahr 2011 zurückgeht. Damals hatte Pilz Staatsanwalt Hans-Peter Kronawetter in Zusammenhang mit der Causa Eurofighter als "Komplizen der organisierten Korruption" bezeichnet und ihm angelastet, ernsthafte Ermittlungen verweigert zu haben. Bei der Gerichtsverhandlung in St. Pölten vermittelte der Richter zwischen den Streitparteien und führte eine außergerichtliche Einigung herbei. Pilz zog seine Behauptung zurück und entschuldigte sich, damit entging er einer Verurteilung und einer Vorstrafe.

Seit 1979, seit diesem Zeitpunkt gibt es eine verlässliche Aufzeichnung, wurde 157-mal die Aufhebung der Immunität von Abgeordneten beantragt, in nur 36 Fällen wurde dem auch zugestimmt. Spitzenreiter bei den Anträgen sind übrigens Abgeordnete der FPÖ, ihre Abgeordneten waren 56-mal mit einem Auslieferungsbegehr der Justiz konfrontiert. (Michael Völker, 19.11.2019)