Türkis und Grün verhandeln eine Regierung. Wie in vielem, sind sie auch beim Wohnen weit auseinander.

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Wer erinnert sich noch an die Sieben-Euro-Miete? Die Wiener Grünen-Chefin Maria Vassilakou, spätere Vizebürgermeisterin, packte die Idee erstmals im Jahr 2010 aus, kurz vor den Wiener Wahlen. Sieben Euro, mehr sollte man bei einer Richtwertmiete im Altbau inklusive Zuschlägen nicht zahlen müssen. 2012 wurde sie dann auf alle Mietverhältnisse ausgeweitet.

2017, kurz vor jener Nationalratswahl, bei der die Grünen für zwei Jahre aus dem Parlament flogen, wurde eine Maximalmiete von 7,50 Euro gefordert, für alle Mietverhältnisse – mit Ausnahme des ungeförderten Neubaus. Dort sollte die Regelung erst nach 30 Jahren gelten. Klubchef Albert Steinhauser ließ den Slogan "Genug geblutet" großflächig auf eine Wiener Hauswand malen.

Mietpreisbegrenzung für alle Wohnungen

Von der Forderung nach klaren Obergrenzen für alle Mietverhältnisse sind die Grünen bisher nicht abgerückt. Einzig die 7,50 Euro kamen zuletzt nicht mehr vor. "Freie Preisbildung für Neubauwohnungen bis 30 Jahre nach der Erbauung, danach eine moderate Grundmiete und eine Mietpreisbegrenzung", so umriss Werner Kogler wenige Wochen vor der jüngsten Wahl im STANDARD-Fragebogen einen Eckpfeiler des grünen Mietrechts.

Die ÖVP hat allerdings auch so einen Eckpfeiler. Er heißt: "Keine generelle Mietzinsobergrenze, denn sie verhindert die Schaffung von neuem Wohnraum."

Die Regierungsverhandler führen ihre Bemühungen um eine neue Koalition am Freitag fort. Erstmals im Rahmen der tatsächlichen Koalitionsgespräche treffen die sechsköpfigen Steuerungsgruppen von ÖVP und Grünen aufeinander.
ORF

Miete gemäß energetischem Zustand

Es ist nicht der einzige Punkt, bei dem die türkisen mit den grünen Vorstellungen nicht kompatibel sind. Die ÖVP will vor allem die Schaffung von Wohnungseigentum unterstützen, die Grünen halten das für nicht sehr wichtig.

Einigkeit herrscht darin, dass die Mieten stärker vom energetisch-technischen Zustand eines Hauses abhängig sein sollen. Im Detail könnte es sich aber auch hier spießen: Die ÖVP ist eher der Meinung, dass es für top sanierte Altbauten höhere Zuschläge zum Richtwert oder sogar einen "marktkonformen" Mietzins geben soll – als Anreiz, zu sanieren. Genau so stand es im letzten türkis-blauen Regierungsprogramm. Die Grünen sind eher der Meinung, dass es "für wenig energieeffiziente Wohnungen Abschläge bei der Miete geben soll", wie es Kogler formulierte.

"Freier Markt ist gescheitert"

Bautensprecherin der Grünen wird aller Voraussicht nach die Vorarlberger Neoparlamentarierin Nina Tomaselli, zuletzt grüne Bereichssprecherin für Bauen, Wohnen und Raumordnung im Vorarlberger Landtag. Sie beschrieb vor wenigen Wochen im Fachmagazin ´"Bau & Immobilien Report" ihren Zugang folgendermaßen: "Die Politik muss sich die Vormacht am Wohnungsmarkt wieder zurückholen, denn der Plan mit der unsichtbaren Hand des freien Marktes, mit dem sich alles in Wohlgefallen auflöst, ist gescheitert." Und es müsse von einer "mutigen" Politik an vielen Schrauben gedreht werden.

Eine davon betrifft die Sanierungen, wo die Rate auf jährlich drei Prozent des Bestands gehoben werden müsse. Weiters ist sie für verbindliche ÖkoStandards in der Wohnbauförderung und den Bauordnungen sowie für eine Stärkung des gemeinnützigen Sektors, aber auch einen "fairen und treffsicheren Zugang" zu gemeinnützigen Wohnungen sowie deren transparente Vergabe.

Bautensprecher großteils fix

Kompromisse sind ganz bestimmt denkbar. Bei manchen Themen – etwa den Maklerprovisionen – hat ja auch die ÖVP in jüngster Zeit bereits Bewegung signalisiert.

Tomaselli wird übrigens nicht die einzige neue Bautensprecherin sein. Bei den Neos löst Felix Eypeltauer, bis vor kurzem Büroleiter der Salzburger Wohnbaulandesrätin, Gerald Loacker ab. Ansonsten dürfte es nur bekannte Namen geben: Ruth Becher (SPÖ) und Philipp Schrangl (FPÖ) sind bereits fix, bei der ÖVP dürfte auch wieder Johann Singer nominiert werden. (Martin Putschögl, 15.11.2019)