Die Casag erlebt ein blaues Wunder mit Peter Sidlo.

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Spätestens seit Ibiza-Gate wunderte es viele Österreicher nicht mehr, was in dieser Republik alles möglich ist. Das sollte es aber, denn die Skandale rütteln langsam an den politischen Grundfesten des Landes.

Hierzulande verkauft ein ehemaliger Parteichef gedanklich nicht nur die größte Zeitung des Landes und prahlt über Umgehungspraktiken bei Parteispenden, sondern konspiriert auch noch mit Europas größtem Glücksspielkonzern. Seit Dienstag kennt die Öffentlichkeit neue Details, die wahrlich nicht nur die FPÖ betreffen. Ein früherer ÖVP-Finanzminister, sein Kabinettschef, ein Ex-ÖVP-Chef und ein amtierender Raiffeisen-Boss stehen dabei im Mittelpunkt. Das sollten die Türkisen, am besten gleich ihr Obmann, jetzt einmal erklären, bevor eine neue Regierung gebildet wird.

Keine "b’soffene Gschicht"

Dass man die Vorgänge nicht einfach als "b’soffene Gschicht" abtun kann, wie es Heinz-Christian Strache versucht hat, war von Anfang an klar. Allerdings wurden das in der Finca gedrehte Video und die darauf aufgezeichneten Aussagen in erster Linie doch nur als Sittenbild der Freiheitlichen aufgenommen. Auch die weiteren Ermittlungen rund um Peter Sidlos Bestellung zum Finanzchef der Casinos Austria bestätigten bloß den sattsam bekannten Selbstbedienungsladen, den die FPÖ spätestens unter Jörg Haider zum Paradigma ausgerufen hat.

Nun weiß man: Die ÖVP öffnete dem Koalitionspartner die Ladentür so großzügig, dass sich die Freiheitlichen ausgiebig laben konnten.

Anders lassen sich die Fakten nicht erklären, wobei ein Punkt betont werden muss: Es geht hier nicht um die strafrechtliche Relevanz, sondern um moralische Ansprüche und politischen Anstand. Die Casinos-Affäre lässt diesbezüglich tief blicken und dokumentiert das falsche Spiel der Volkspartei. Finanzminister Hartwig Löger traf sich beispielsweise mit den Novomatic-Granden, vier Stunden nachdem sein Kabinettschef dem Glücksspielkonzern laut Staatsanwaltschaft Unterlagen zu Lizenzen übermittelt hatte.

Sidlo ist ein Muss

Casag-Präsident Walter Rothensteiner wieder notierte in sein eigenes Handy, der damalige Finanzminister "hat irgendeinen Hintergrunddeal mit den Blauen. Daher ist Sidlo ein Muss." So kam es dann auch, wobei weitere Grenzen überschritten wurden – etwa das peinliche Versteckspiel um das vernichtende Gutachten des Personalberaters zu Sidlos Qualifikationen. Die obersten Casinos-Kontrolleure gingen sogar noch einen Schritt weiter und bestellten Expertisen. Sie suchten einen Persilschein dafür, dass man die negative Einschätzung des Headhunters zu Sidlo nicht dem gesamten Aufsichtsrat vorlegen muss. Postenschacher kann ganz schön kompliziert sein.

Noch einmal: Zu welchen Schlüssen die Staatsanwaltschaft und möglicherweise die Gerichte kommen, ist eine Sache. Offenbart wird durch die Akten jedenfalls, wie die Politik mit Republikseigentum umspringt, wenn ein Großkonzern anklopft und Parteien umgarnt. Das zeugt insofern von einer flachen Lernkurve, als Novomatic seit vielen Jahren ein Hang zu unmoralischen Angeboten an politische Würdenträger nachgesagt wird.

Dem Thema sollten sich die Grünen nun intensiv widmen, bevor sie mit der ÖVP paktieren. Sie haben korruptionstechnisch eine ziemlich weiße Weste und können diesbezüglich keine faulen Kompromisse eingehen – sollte man meinen. (Andreas Schnauder, 14.11.2019)