Das Layout der TVThek des ORF seit 2009.

Foto: ORF

Wer Fernsehen und Radio ganz ohne Rundfunk streamt, zahlt auch weiterhin keine GIS. Jedenfalls bis eine Mehrheit im Nationalrat hier das Rundfunkgebührengesetz und das ORF-Gesetz ändert.

Aber: Der ORF darf GIS-Gebühren für seine Streamingangebote verwenden. Für die kostenfreie TVthek. Und seit Donnerstag auch für sein kostenpflichtiges Abrufportal Flimmit. Wenn die Entscheidung der Medienbehörde KommAustria rechtskräftig wird.

TVthek und Flimmit sollen bald in das digitale Großprojekt des ORF eingehen: eine Streamingplattform unter dem Titel ORF On mit Social-Media-Funktionen. Debatten über das Fernsehprogramm wünscht sich Erfinder Franz Manola in den Onlineforen dieses ORF-Players. Die Programmmacher sollen dort ihre Sendungen erklären und darüber diskutieren.

Als die Medienbehörde am Donnerstag über die Zukunft des kostenpflichtigen Flimmit entschied, feierte ORF-Onlinechef Thomas Prantner gerade die ersten zehn Jahre der frei zugänglichen TVthek, sein wichtigstes Projekt als Onlinedirektor und heute Vizedirektor in der ORF-Technik, zuständig für Online.

Wurst und Willkommen

Die TVthek darf TV-Sendungen, die Rechte vorausgesetzt, live streamen oder bis zu sieben Tage nach Ausstrahlung anbieten, solange das ORF-Gesetz nicht längeren Abruf erlaubt.

Die meisten Abrufe in den ersten sieben Jahren hatte das Finale des Song Contest 2014, als Conchita Wurst das Wettsingen gewann. Seit 2017 wird die Nutzung der TVthek wie das klassische Fernsehen nach Reichweite gemessen.

Foto: STANDARD-Grafik / ORF

Platz eins seit Anfang 2017: Christoph Grissemann und Dirk Stermann spielen in Willkommen Österreich das Ibiza-Video mit den damaligen FPÖ-Politikern Heinz-Christian Strache und Johann Gudenus nach. Reichweite: 55.600. Im klassischen Fernsehen sehen 300.000 bis 400.000 Menschen die Satire- und Talk-Show.

Onlinechef Prantner setzt TVthek und TV in ein Verhältnis: 2,2 Prozent der Bevölkerung ab 14 Jahren nutzen sein Portal pro Tag über Internet und App; das ORF-Fernsehen erreicht pro Tag gut 49 Prozent der Menschen ab 14.

Online zählt ein kurzer Kontakt mit dem Video zur Reichweite, im TV muss man zumindest eine Minute durchgehend zusehen.

Die TVthek hatte 2010 1,2 Millionen Visits pro Monat, 2019 bis Oktober 8,3 Millionen im Monatsschnitt. ORF.at kam im Oktober 2019 auf fast 84 Millionen Visits, das ORF-Onlineangebot insgesamt auf beinahe 103 Millionen.

TVthek im Monat gleich hinter Youtube

Aus der Bewegtbildstudie der RTR und der Arbeitsgemeinschaft Teletest (AGTT) vom Frühjahr 2019 liest Prantner eine durchaus prominente Marktstellung seiner TVthek im Vergleich zu internationalen Streamingangeboten. Sein Fokus: Nutzung von Mediatheken und Videoportalen in den vergangenen vier Wochen. Hier kommt Youtube auf 71,7 Prozent der Bevölkerung ab 14. Die TVthek liegt mit 42,6 Prozent Monats-Reichweite auf Platz zwei – vor Amazon Prime Video mit 32,5 Prozent und Netflix mit 26,5 Prozent.

Log-in für GIS-Zahler

Was passiert mit der TVthek, wenn 2020 ORF On anrollt? "Der ORF-Player ist das entscheidende Zukunftsprojekt des ORF, damit unser Unternehmen auch in zehn Jahren für Österreich und seine Bevölkerung als starker, moderner öffentlich-rechtlicher Rundfunk relevant bleibt", sagt Prantner im STANDARD-Interview (unten).

Um auf den Player zugreifen zu können, könnte es künftig ein Log-in mit Nachweis der GIS geben, erklärte ORF-Chef Alexander Wrabetz schon mehrfach. Prantner dazu: "Die Entscheidung ist derzeit noch völlig offen und hängt von rechtlichen und medienpolitischen Rahmenbedingungen ab. In jedem Fall hätte eine Log-in-Allianz zwischen ORF und Privaten positive Auswirkungen auf den Medienstandort Österreich."

Thomas Prantner, ORF-Onlinechef.
Foto: ORF/Hans Leitner

STANDARD: Wie sehen Sie als als Onlinechef – formal Vizedirektor in der technischen Direktion – die laufende Entwicklung der sehr groß angelegten Streamingplattform ORF-Player, die unter der Marke ORF On gerade vorbereitet wird?

Prantner: Der ORF-Player ist das zentrale Projekt unserer Digitalisierungsoffensive, wird in der Generaldirektion von Projektleiter Franz Manola entwickelt und in Kürze in unserer Tochtergesellschaft ORF On angesiedelt und operativ umgesetzt. Als ORF-Onlinechef und Aufsichtsratsvorsitzender der ORF On werde ich alles dafür tun, dass der ORF-Player erfolgreich gelauncht wird.

STANDARD: Die TVthek wird nach bisher bekannten Planungen Teil des ORF Player. Und dieser ORF-Player. Was bedeutet das für den Onlinechef des ORF, dessen wichtigstes Projekt die TVthek ist?

Prantner: Die ORF-TVthek wird eines der wichtigsten Module des neuen ORF-Players sein – und das ist gut so. Denn die ORF-TVthek ist mit 1,7 Millionen Usern, mehr als 8 Millionen Visits pro Monat und über 2,7 App-Downloads mittlerweile die größte österreichische Videoplattform. Sie wird ein Turbo für den ORF-Player sein.

STANDARD: Sie sind Aufsichtsratsvorsitzender der ORF Online und Teletext GmbH, für die der ORF gerade einen Geschäftsführerjob ausgeschrieben hat. Wer wäre denn aus Ihrer Sicht ein geeigneter Kandidat oder eine geeignete Kandidatin?

Prantner: Es gibt hoffentlich viele spannende interne und externe Bewerbungen qualifizierter Kandidatinnen und Kandidaten.

STANDARD: Franz Manola, der ORF.at entwickelt und lange geleitet hat, war schon einmal lange Geschäftsführer der ORF Online und Teletext GmbH. Wäre er ein geeigneter Kandidat dafür – statt wie geplant als Berater nach seinem ORF-Abschied weiterzumachen?

Prantner: Franz Manola hat mit der Gründung von ORF.at 1997 Mediengeschichte in Österreich geschrieben, er hat maßgeblich dazu beigetragen, dass im ORF HD eingeführt wurde und er konzipiert im Auftrag von Generaldirektor Wrabetz den ORF-Player. Ob er sich für die ausgeschriebene Funktion bewirbt, ist seine Entscheidung. Ich bin jedenfalls sehr froh, dass er als Mitglied des Aufsichtsrates der ORF ON eine starke Rolle einnimmt.

STANDARD: Wollen Sie womöglich selbst ins Management der ORF On wechseln?

Prantner: Nein, das schließe ich definitiv aus.

STANDARD: Wo sehen Sie Ihre künftige Position? In der ÖVP, die auch den künftigen Kanzler stellen dürfte, ist eine Neuorganisation des ORF mit einem Vorstand statt des bisherigen Alleingeschäftsführers mit untergeordneten Direktoren.

Prantner: Ich habe als stellvertretender Direktor für Technik, Online und neue Medien einen Vertrag bis 2021. Was danach ist, werden wir sehen.

STANDARD: Die ORF Online GmbH hat derzeit zwei Geschäftsführer – Karl Pachner und Beatrice Cox-Riesenfelder, deren aktuelle Verträge noch bis Jahresende laufen. Will der Aufsichtsratschef Thomas Prantner, dass sie weitermachen?

Prantner: Ja.

STANDARD: Die ORF-Journalisten von TV, Radio und Online sollen künftig in einem multimedialen Newsroom zusammenarbeiten – die Journalisten in der Onlinetochter mit ihren schlechteren Verträgen arbeiten dann zusammen mit ihren Kollegen aus dem Mutterhaus ORF mit den (meist) deutlich besseren KVs. Lässt sich das dauerhaft vereinbaren? Wie kann man diese Problematik lösen?

Prantner: Im ORF-Konzern gibt es mehrere Kollektivverträge und es ist üblich, dass sämtliche Beschäftigte zusammen- und miteinander arbeiten – ob räumlich, fachlich oder beides. Die Beschäftigten der ORF Online und Teletext GmbH haben marktübliche Verträge. Im neuen multimedialen Newsroom werden MitarbeiterInnen aller 3 Medien zusammenarbeiten.

STANDARD: Noch heuer soll die Radiothek – nach jahrelangen Verfahren insbesondere vor dem Bundesverwaltungsgericht – online gehen. Was kann man sich erwarten?

Prantner: Das Audio-Pendant zur TVthek. Die ORF-Radiothek wird alle 12 ORF-Hörfunkprogramm live und on demand 7-days-catch-up, erneuerte Podcasts, ein Archiv und weitere Funktionen und Services beinhalten.

STANDARD: Was erwarten Sie vom ORF Player für die TVthek und für die gesamte Onlinestrategie des ORF?

Prantner: Nach Gründung von ORF.at 1997 und der ORF-TVthek 2009 ist der ORF-Player der dritte große Meilenstein in der Digitalentwicklung des ORF. Er ist das entscheidende Zukunftsprojekt des ORF, damit unser Unternehmen auch in 10 Jahren für Österreich und seine Bevölkerung als starker, moderner öffentlich-rechtlicher Rundfunk relevant bleibt.

STANDARD: Aus Wortmeldungen von ORF-General Alexander Wrabetz lässt sich schließen, dass man den ORF Player (und damit wohl auch die TVthek) künftig voraussichtlich nur als GIS-Zahlerin oder -Zahler nützen kann. Was wird das für die Nutzungszahlen bedeuten?

Prantner: Die Entscheidung ist derzeit noch völlig offen und hängt von rechtlichen und medienpolitischen Rahmenbedingungen ab. In jedem Fall würde eine Log-In-Allianz zwischen ORF und Privaten positive Auswirkungen auf den Medienstandort Österreich haben. (Harald Fidler, 15.11.2019)