Die Konsumlaune der Deutschen hievte deren Wirtschaftsentwicklung im Sommerquartal wieder leicht in die Wachstumszone. Eine Rezession, also zwei rückläufige Quartale in Folge, wurde abgewendet.

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Damit steht fest: Wir haben keine Rezession.“ Ein wirklicher Grund zur Freude ist das leichte Wachstum im dritten Quartal für den deutschen Wirtschaftsminister Peter Altmaier aber nicht. Auch wenn die Wirtschaft zum Vorquartal um 0,1 Prozent gewachsen ist – über dem Berg ist sie damit noch nicht. Das weiß auch Altmaier – zumal die aktuellen Wachstumsdaten einen früheren Befund seinerseits bestätigten, nämlich jenen einer „gespaltenen Konjunktur“.

Tatsächlich schrieben sich die jüngsten Entwicklungen auch im Sommerquartal fort. Mit dem einzigen Unterschied, dass die Konjunkturstützen im Gegensatz zum um 0,2 Prozent rückläufigen zweiten Quartal diesmal die Oberhand gewannen. Am Bau, im Handwerk und im Dienstleistungssektor sind die Auftragsbücher weiterhin gut gefüllt, zudem erweist sich auch der private Konsum als verlässlicher Fels in der Brandung.

Jobmarkt läuft gut

Die gute Laune der deutschen Verbraucher ist zum großem Teil dem Jobmarkt zu verdanken. Die Arbeitslosenquote verharrt seit Monaten mit 3,1 Prozent auf dem tiefsten Stand seit fast vier Jahrzehnten, was für Auftrieb bei der Lohnentwicklung sorgt. Zudem treibt auch die anhaltende Diskussion über das Abwälzen der Negativzinsen auf Verbraucher die Deutschen in Konsumtempel, anstatt das Geld am Ende des Monats auf die hohe Kante zu legen.

Daimler setzt – wie viele andere deutsche Autokonzerne – den Sparstift an.
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Unübersehbar sind aber auch die tiefen Bremsspuren, welche der schon seit längerem rückläufige Industriesektor, allen voran die Autobranche, hinterlässt. Besserung ist derzeit nicht in Sicht. „Die Ursachen der Wachstumsschwäche – der Handelskrieg, der Brexit und die Krise der Automobilindustrie – werden uns auch 2020 in Atem halten“, sagt Jörg Zeuner, Chefvolkswirt der Fondsgesellschaft Union Investment.

Sorge um Langfristperspektive

„Keinen Grund zur Selbstzufriedenheit“ sieht auch Ökonom Friedrich Heinemann vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung. Er hält es für unerheblich, ob das Quartalswachstum knapp über oder unter der Nulllinie liegt. „Sorgen muss vielmehr bereiten, dass die längerfristige Wachstumsperspektive Deutschlands absinkt.“

Nach einem ungewöhnlich langen Aufschwung seit der tiefen Rezession im Jahr 2009 hält hingegen Carsten Brzeski, Chefvolkswirt von ING Deutschland, eine zwischenzeitliche Wachstumsschwäche „nicht für eine große Krise“. Er stellt sich schon länger angesichts des Auseinanderdriftens von Industrie und Dienstleistungen die Frage, ob sich deren Entwicklung wieder angleichen wird – oder es zu tektonischen Verschiebungen kommt.

Industrie schwächelt

Denn die Schwäche der Industrie schlägt auch auf den Exportsektor durch, der zuvor viele Jahre der deutschen Wirtschaft Beine gemacht hatte. Wird der einstige Exportweltmeister nach US-amerikanischem Vorbild zum Dienstleistungs- und Konsumweltmeister mutieren? In den USA tragt der Verbraucher traditionell etwa zwei Drittel zur Wirtschaftsleistung bei. Auf kurze Sicht spricht dagegen, dass sich zuletzt das deutsche Konsumklima ebenfalls eingetrübt hat. Die monatliche Erhebung des Marktforschers GfK ergab für November den tiefsten Wert seit Herbst 2016.

Heuer erwartet die deutsche Regierung im Gesamtjahr bloß 0,5 nach 1,5 Prozent Wachstum im Vorjahr – wobei für ein rascher Aufschwung auch in den folgenden Quartalen nicht in Sicht ist. Oder wie es CDU-Minister Altmaier formuliert: „Der Aufwärtstrend hat begonnen, aber es geht sehr langsam.“ Was das in Zahlen bedeutet? Laut Regierungsprognose für 2020 ein Prozent Wachstum. (Alexander Hahn, 14.11.2019)