Was für viele schlicht Glück symbolisiert, ließ bei manchen alle Sicherungen durchbrennen.

Foto: KAV/Votava

Statt Glückwünschen wurde das Wiener Neujahrsbaby 2018 und dessen Familie aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit im Netz mit vielen Hasspostings und Beschimpfungen bedacht. Am Donnerstag hat sich deshalb ein Tiroler Liftwart am Wiener Straflandesgericht verantworten müssen, weil er die Mutter des Kindes wegen ihres Kopftuchs beleidigt hatte. Der 49-Jährige kam mit einer Diversion davon.

Normalerweise handelt es sich bei Beleidigung (Paragraf 115 Strafgesetzbuch) um ein Privatanklagedelikt. Eine Ausnahme besteht allerdings, wenn die beleidigende Aussage rassistisch oder fremdenfeindlich ist. Dann verfolgt das die Staatsanwaltschaft mit Ermächtigung des Opfers.

Vorgeschichte

Im Jänner 2018 kam es auf Facebook zu zahlreichen Diskussionen rund um das Neujahrsbaby und seine muslimische Familie. Der 49-Jährige regte sich dabei über den Vergleich eines Posters auf, dass doch auch "unsere Großmütter und Mütter" solche Kopftücher getragen hätten. "Du wagst es", begann der Liftwart seine Antwort – und beschimpfte die Familie des Silvesterbabys auf ordinärste Weise.

Am Donnerstag wollte der Tiroler klarstellen, dass die Aussage nicht auf die Familie des Kindes gerichtet war. Deren Anwalt, der sich im Namen seiner Mandanten mit einem Privatbeteiligtenanspruch von 400 Euro anschloss, erzählte allerdings, dass die Hasspostings sehr wohl Auswirkungen auf die Familie hatten. "Die Frau wurde auf der Straße bemitleidet und beschimpft", sagte der Rechtsvertreter.

Er habe damals eine schlechte Phase gehabt, meinte der 49-Jährige. "Da habe ich öfter was geschrieben, was nicht hätte sein müssen."

Angebot

Auf eine bereits von der Staatsanwaltschaft angeregte Diversion im Jänner 2019 zur Zahlung von 200 Euro reagierte der 49-Jährige nicht. "Das war wann? Ich bin ein bisschen schlampig beim Postkastenausräumen", meinte der Beschuldigte.

Nun schlug ihm Richter Stefan Apostol neuerlich eine Diversion vor, allerdings für die Zahlung eines Schadenersatzes für die Familie in der Höhe von 400 Euro sowie 100 Euro Pauschalkosten an den Staat. Nach einem Jahr Probezeit und Zahlung aller Kosten wird das Verfahren eingestellt. Der 49-Jährige nahm das Angebot an, die Staatsanwältin gab keine Erklärung ab.

Urteil

Mittlerweile wurden bereits mehrere Personen wegen Hasspostings in dieser Causa verurteilt. Der Tiroler Liftwart ist dabei noch relativ billig davongekommen. So wurde etwa im März ein 65-jähriger Pensionist wegen Verhetzung zu einer bedingten Haftstrafe verurteilt. Bereits im September zuvor gab es gegen eine 48-jährige Niederösterreicherin gar eine Verurteilung zu neun Monaten Haft – drei davon unbedingt. Die Frau war allerdings mehrfach vorbestraft.

Der Strafrahmen für Verhetzung wurde 2015 verschärft: Für Hetze vor größerem Publikum sind bis zu drei Jahre Haft vorgesehen, vorher waren es zwei Jahre. Möglich sind natürlich auch Geldstrafen. Auch die Anforderungen, um den Tatbestand zu erfüllen, wurden herabgesetzt: Zuvor war der Verhetzungsparagraf großteils auf Hass gegen Gruppen – "die Homosexuellen", "die Muslime" – ausgerichtet. Nur wer zu Gewalt gegen Einzelne aufrief, machte sich strafbar. Nun reicht das "Aufstacheln zu Hass". Weil der Begriff recht schwammig formuliert ist, liege es an den Gerichten, dem scharfe Konturen zu geben, sagte Strafrechtsprofessor Helmut Fuchs von der Uni Wien, als die Novelle beschlossen wurde. Die Neuerungen führten zu einem massiven Anstieg der Schuldsprüche wegen Verhetzung. (APA, red, 15.11.2019)