Ein Urteil des EuGH könnte zu Lockerungen im österreichischen Staatsbürgerschaftsgesetz führen.

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Der österreichische Verwaltungsgerichtshof (VwGH) prüft momentan ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom März, dem zufolge bei drohender Ausbürgerung eine Verhältnismäßigkeitsprüfung vorzunehmen ist, wenn damit auch der Verlust der Unionsbürgerschaft droht. Das berichtet die Tageszeitung "Presse" in ihrer Freitagsausgabe. Demnach hat der Wiener Anwalt Kazim Yilmaz den VwGH angerufen, weil er der Meinung ist, dass das EuGH-Urteil auch Auswirkungen auf das österreichische Staatsbürgerschaftsgesetz haben müsste.

Doppelstaatsbürgerschaften sind in Österreich verboten und werden nur in seltenen Fällen bewilligt. Ausgehend von dem Fall eines Niederländers, der mit der holländischen auch die EU-Staatsbürgerschaft verloren hätte, entschied der EuGH im März, dass bei jedem Doppelstaatsbürger zu prüfen ist, ob der Verlust eines Passes verhältnismäßig ist. Insbesondere das in der EU-Grundrechtecharta geschützte Recht des Privat- und Familienlebens sowie Kriterien wie Verwurzelung im jeweiligen Land, Pflege familiärer Bindungen, Berufsausübung, aber auch allfälliger Verdienste um den Staat müssten berücksichtigt werden.

Anwalt geht von Lockerung österreichischer Gesetze aus

Anwalt Yilmaz geht davon aus, dass mit dem EuGH-Urteil auch die österreichischen Gesetze bezüglich Doppelstaatsbürgerschaft gelockert werden müssten. Der EuGH habe "eindeutig klargestellt", dass bei jedem drohenden Verlust einer Staats- und der Unionsbürgerschaft die Verhältnismäßigkeit zu prüfen sei, sagte Yilmaz gegenüber der "Presse". Die Staatsbürgerschaftsbehörden in Österreich würden diese Prüfung bisher dennoch verweigern, und von den Landesverwaltungsgerichten gebe es unterschiedliche Entscheidungen. Manche würden argumentieren, dass der Fall des Niederländers anders gelagert sei. Das hält Yilmaz für falsch.

Der Wiener Anwalt ist Experte im Staatsbürgerschaftsrecht. Er hat auch die Frage einer von der FPÖ vorgelegten angeblichen Wählerevidenzliste mit zehntausenden Namen von Austrotürken – von denen einige die österreichische Staatsbürgerschaft verloren – vor den Verfassungsgerichtshof gebracht. Das Höchstgericht hat diese Liste als nicht authentisch erkannt, daraufhin gab es keine neuen Feststellungen beziehungsweise Verfahren mehr. (red, APA, 15.11.2019)