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Diese Szene wird Myles Garrett noch viele Jahre verfolgen.

Foto: Reuters/Blaze

Noch acht Sekunden verbleibende Spielzeit zeigte die Uhr an, und die Cleveland Browns würden über einen historischen Triumph jubeln können: Zum ersten Mal in der jüngeren Geschichte (seit der Neugründung 1999) konnten die Browns in einer Saison die beiden Divisionsrivalen aus Baltimore und Pittsburgh zumindest einmal besiegen. Während sich die Fans auf den Rängen auf den Siegesjubel vorbereiten, ging es im letzten Play mit Defensive End Myles Garrett am Spielfeld durch.

Dem First-Overall-Draftpick aus dem Jahr 2017 brennen nach einem Sack an Steelers-QB Mason Rudolph sämtliche Sicherungen durch. Garrett reißt Rudolph zunächst den Helm vom Kopf, um ihn wenig später mit selbigem auf den Kopf zu schlagen. Selten haben NFL-Anhänger solche Szenen gesehen. Dass Rudolph nicht ernsthaft verletzt wurde, gleicht einem Wunder. Mehrere Spieler waren in den anschließenden Tumult verwickelt und wurden ausgeschlossen. Steelers-Center Maurkice Pouncey trat in dem Chaos auf den am Boden liegenden Garrett ein. Die Footballwelt stellt sich heute folgende Fragen: Wieso kommt es überhaupt zu solchen Szenen? Wie lange wird Garrett gesperrt? Welche Strafe wäre angemessen?

NFL muss hart durchgreifen

Die NFL ist für ihren nicht immer nachvollziehbaren Umgang mit Spielersperren bekannt: Spieler, die zu Marihuana greifen, werden häufig härter bestraft als etwa jene, die außerhalb des Spielfelds gewalttätig auffallen. Und: Wer einmal eine Strafe bekommen hat, wird besonders beobachtet.

So ist zum Beispiel Vontaze Burfict kein Unschuldslamm. Der Linebacker der Oakland Raiders fiel seit seinem Ligadebüt für die Cincinnati Bengals immer wieder mit groben Unsportlichkeiten auf, vor allem auch in Spielen gegen die Steelers. Er wurde in seiner Karriere für sieben Spiele gesperrt, ehe er in der vierten Woche der aktuellen NFL-Saison seinen Gegenspieler mit einem vorsätzlichen Angriff aus dem Spiel nahm. Die NFL sperrte ihn daraufhin für die gesamte restliche Saison. Garrett dürfte Ähnliches blühen.

Lange Sperre darf kein Tabu sein

Je öfter man die Bilder und die verschiedenen Einstellungen der Aktion sieht, desto eher kommt man zu dem Schluss, dass Garrett hier mit einer Sperre bis Saisonende wohl noch glimpflich davonkommt. Zu viel Schaden hätte er bei seinem Gegenspieler anrichten können. "Ich habe einen Fehler gemacht und meine Fassung verloren. Ich bereue es", sagte er kurz nach dem Spiel. "Damit schwäche ich mein Team. Ich schätze es, dass meine Teamkollegen mir am Spielfeld zustehen wollten. Aber es hätte nie zu diesem Punkt kommen sollen. Die ganze Sache geht auf mich."

Die NFL brüstet sich in der jüngeren Vergangenheit gerne damit, viel über die Sicherheit der Spieler nachzudenken und auch tatsächlich etwas dafür zu tun. In diesem Fall muss sie hart durchgreifen. In den Anfangszeiten der Liga gab es gar lebenslange Sperren, als aktive Spieler noch Partien manipuliert hatten. Die letzten Sperren, die ein Karriereende bedeuteten, sind hauptsächlich aus schweren Vergehen der Personen und damit verbundenen Gefängnisaufenthalten resultiert. Jetzt muss die NFL selbst ein angebrachtes Urteil fällen. Lebenslange Bewährung könnte Teil der Strafe sein. Denn: Garrett ist einer der besten jungen Defensivspieler und Vorbild für unzählige junge Nachwuchssportler. Mit einer Geldstrafe allein ist es hier nicht getan.

Auch Chiefs-Quarterback Mahomes zeigte sich konsterniert.

Die Browns finden sportlich in die Spur

Vor den Skandalszenen wurde allerdings auch Football gespielt: Die Browns konnten den zweiten Sieg binnen weniger Tage feiern. Baker Mayfield (193 Yards, 17/32) sorgte für zwei Touchdowns per Pass und einen per Laufspielzug. Es war ein gutes Spiel des jungen Quarterbacks, der in bisher sechs Primetimespielen viermal als Sieger vom Platz ging. Dennoch muss er nach wie vor an der Chemie mit Star-Receiver Odell Beckham Jr. arbeiten. Der Sieg geht aber auch zu einem großen Teil an die Defensive der Browns: Angeführt von Joe Schobert (ein Sack, zwei Tackles für Raumverlust, zehn Tackles gesamt, zwei Interceptions), kam Cleveland insgesamt auf vier Turnover, ein deutliches Lebenszeichen. Dennoch bleiben die Browns ein undiszipliniertes Team, das sich mit acht Penalties das Leben selbst schwermacht. Zudem wurde mit Damarious Randall ein weiterer Spieler wegen eines Helm-an-Helm-Tackles ausgeschlossen.

Die Steelers hingegen müssen froh sein, wenn sie nächste Woche noch ein paar gesunde Starter aufs Feld bringen – Verletzungen plagen das Team. Zwei prominente Spieler fallen dabei auf: Runningback James Conner kam unlängst erst nach Schulterverletzung zurück und musste bereits in der ersten Hälfte wieder in die Kabine. Receiver Juju Smith-Schustter folgte ihm wenig später.

Der zweite Platz in der AFC North hinter den Baltimore Ravens bleibt weiterhin heißumkämpft. Die Browns werden den möglichen Playoff-Run aber sicherlich ohne Garrett antreten müssen. (Martin Senfter, 15.11.2019)