Es gibt ein paar Zutaten, die in der Lage sind, ein Essen fast im Alleingang köstlich zu machen, Würzmittel, nahe dran an der Magie, die den Unterschied zwischen fad und ganz vorzüglich bedeuten können. Ich versuche daher, sie stets und überall vorrätig zu haben. Fischsauce ist so ein Fall und Salzsardellen, Sojasauce, Kapern und Salzzitronen, vergorene Chilisauce, Hartkäse, getrocknete Shrimps , Steinpilze und Shiitake. Seit ein paar Monaten ist noch eine hinzu gekommen, die sich aktuell besonders großer Beliebtheit erfreut: die Nduja.

Foto: Tobias Müller

Nduja ist ein ganz wunderbarer Bastard aus Wurst und Creme, halb Schwein, halb Chilischote, eine Hochzeit aus Fleisch und Schärfe. Einfach so auf gutes Brot gestrichen (1) ist sie bereits wunderbar, so richtig spielt sie ihre Stärke aber in anderen Speisen aus – sie ist ein perfektes Beispiel dafür, was für ein großartiges Würzmittel Fleisch sein kann. Ihr Fett schmilzt dann in den Hintergrund und verleiht Rückgrat und Charakter, ihre schweinische Seite sorgt für Üppigkeit, die Chili für feuriges Temperament.

Das Dorf Spilinga in Kalabrien preist sich gern als Urpsrungsort und Mekka der Nduja-Produktion, die Wurst ist aber in großen Teilen des Südens wenn schon nicht häufig, so zumindest doch verbreitet (erst kürzlich habe ich eine sehr gute Version aus Campania auf einem neapolitanischen Bauernmarkt erstanden).

Der Name der Nduja geht auf die französische Andouillette zurück, im Gegensatz zu dieser war sie aber nie eine Rein-Darm-, sondern vor allem eine Innereienwurst, eine Art Letztverwertung des Schweins: Lunge und Milz, Leber, Herz und das weiche Fett, das sich nicht für Speck oder andere Würste eignete, wurden zusammen gemahlen, mit reichlich Chili gemischt, in den Blinddarm gemischt und zart geräuchert. (2) Dank Fett und Würze war die Wurst leicht ein, zwei Jahre haltbar.

Foto: Tobias Müller

Moderne Nduja-Macher setzen immer noch auf reichlich Fett – bis zu 50 Prozent – aber dafür mehr auf Kopffleisch denn auf Innereien. Bis vor nicht allzu langer Zeit ist sie trotzdem ein Arme-Leute-Essen geblieben. Weil die Italiener aber verdammt gut darin sind, ihr Arme-Leute-Essen zu vermarkten, hat sie es mittlerweile in Feinkosttheken und schicke Restaurants rund um die Welt geschafft. (Siehe auch hier)

Mag sein, dass mir hier in Süditalien einfach die Schärfe im Essen abgeht, und ich deswegen der Nduja so hoffnungslos verfallen bin, mag sein, dass mich einfach der Klang ihres Namens bezaubert hat. Jedenfalls kann ich gerade nur selten der Versuchung widerstehen, nicht zumindest ein kleines Stück von ihr in die Pfanne oder den Topf zu schmuggeln (und mir dann die cremig-klebrigen Reste von den den Fingern zu lecken).

Ich habe sie mit großem Genussgewinn in Eierspeise gerührt und unter diverses Blattgemüse von Spinat bis Löwenzahn gemischt, mit ihr Feigen-Pasta gewürzt, Pizza belegt und Zuppa di Fagioli, Bohnensuppe aufgepeppt. Am allerbesten hat sie mir in letzter Zeit wahrscheinlich in einer Art süditalienischem Mar y Muntanyna geschmeckt. Ich habe sie als Würze für einen klassischen neapolitanischen Oktopus-Eintopf verwendet, nach Vorbild der Spanier, die gern Chorizo zum Oktopus reichen. Es hat ganz großartig funktioniert.

Oktopus-Eintopf mit Nduja

"Der Oktopus muss im eigenen Saft schmoren", sagt der Neapolitaner gern, und meint es sowohl sprichwörtlich als auch wörtlich: Wenn er in den Topf kommt, bleibt er oft allein bis auf ein paar Paradeiser (Piennolo!) und vielleicht ein wenig Chili – beim Kochen lässt er genug Wasser, um am Ende in einer feinen Sauce zu schwimmen. Ich werfe dennoch gern noch ein paar Würz-Vongole und ein paar Stücke Nduja nach.

Die Neapolitaner kochen ihren Oktopus vergleichsweise kurz und schätzen es, wenn er noch etwas Biss hat. Wenn Sie ihn weicher schätzen, lassen Sie ihn länger schmoren. Vor der Zubereitung ein paar Tage einfrieren soll auch helfen, ihn zarter zu machen (was in Österreich ja eher kein Problem sein sollte). Ein Korken im Wasser mitgekocht hilft hingegen leider gar nicht.

Foto: Peter Mayr

Mir persönlich sind die kleinen, höchstens faustgroßen Oktopoden am liebsten. Ein prächtiges, ein Kilo schweres Exemplar tut’s aber natürlich auch.

1 Kg Oktopus

2, 3 Knoblauchzehen, gehackt

50-100 Gramm Nduja, je nach Schärfewunsch

2 Handvoll kleine Paradeiser, am besten Piennollo vom Vesuv

1 Handvoll Muscheln

Etwas Petersilie

1 Zitrone

In einem schweren Topf etwas Olivenöl heiß werden lassen.

Foto: Tobias Müller

Etwa zwei Finger breit Nduja aus der Haut pressen und braten, bis das Fett ausgelaufen ist und die Wurst beginnt, knusprig zu werden, dann ein wenig Knoblauch zugeben und weitere 30 Sekunden braten. Die Paradeiser zugeben und kurz warten, bis ihr Saft beginnt, auszulaufen.

Dann den ganzen Oktopus – oder die kleinen Oktopoden – einlegen und ebenfalls braten, bis er beginnt, ein wenig Saft zu lassen. Den Deckel schließen, die Hitze auf ganz niedrig reduzieren, und schmoren, bis der Oktopus die gewünschte Konsistenz hat, für Neapolitaner etwa 45 Minuten.

Die Hitze auf hoch schalten, die Muscheln in den Topf geben, und den Deckel wieder schließen. Unter gelegentlichem Rütteln kochen, bis sich die Muscheln geöffnet haben, etwa eine Minute. Die Hitze abschalten, gehackten Petersil einwerfen, Zitronensaft hineinpressen, einmal ordentlich durchrühren und fünf Minuten stehen lassen. Mit reichlich gutem süditalienischem Weißbrot servieren.

Foto: Tobias Müller

1: In Süditalien ist das Brot so gut wie immer hervorragend, ganz im Gegensatz zum Norden, wo es im Durchschnitt ungenießbar ist. Die Linie verläuft, glaube ich, irgendwo in der Gegend von Rom. Das Phänomen wäre einmal eine eigene Studie wert.

2: In Neapel werden diese Teile nicht verwurstet, sondern erst in Schmalz frittiert und dann mit etwas Paradeisern zu einem für die Gegend ebenfalls ungewöhnlich scharfen Eintopf gekocht, dem Soffritto. Er wird, wie könnte es hier anders sein, vor allem als Pastasauce serviert. Dazu ein anderes Mal mehr.

(Tobias Müller, 17.11.2019)