Mehr als 30 Rollen gibt es in Niklas Ritters "Antoinette Capet – Die Österreicherin". Die Bregenzer Uraufführung kommt allerdings mit sieben Schauspielern aus.


Anja Köhler

Allein steht sie an der Rampe, im hellen Licht. Entsetzen im Gesicht. Lautlos weint sie. Hatte Marie Antoinette zuvor jede ernste politische Diskussion lachend verweigert, wollte lieber Party feiern und sich amüsieren, kracht jetzt die Wirklichkeit hinein und lässt sie schlagartig erwachen. 8000 Frauen marschieren gen Versailles, berichten Finanzminister und Kardinal atemlos. Marie Antoinette ahnt, nein, sie weiß, was das bedeutet: das Ende der Monarchie, das Ende ihres Lebens.

In diesem kurzen Moment kulminiert die Stärke des Abends, gespiegelt im Gesicht der Hauptdarstellerin Ines Schiller: Von Macht und Exzess und Deformiertheit des höfischen Prachtlebens runtergebrochen zur Verbrecherin, die als Antoinette Capet unter der Guillotine stirbt. Das Landestheater Bregenz rollt die Geschichte der Marie Antoinette auf, von der Geburt bis zum Schafott, und die Französische Revolution und die damalige Weltpolitik dazu.

Rasante Perückenwechsel

Regisseur Niklas Ritter schrieb für Bregenz sein erstes Stück ohne literarische Vorlage und inszenierte es auch selber, Antoinette Capet – Die Österreicherin. Das ist viel Stoff, den Ritter da verhandelt, doch für die mehr als 30 Rollen braucht er nur drei Schauspielerinnen und vier Schauspieler. Dazu zwei Musiker.

Rasante Kostüm- und Perückenwechsel, ein zupackend spielendes Ensemble, allen voran Felix Defèr, der als gebrechlicher, altersgeiler König Ludwig XV. ebenso überzeugt wie als verliebter, engagierter Axel van Fersen. Mit pompösen Kostümen und hohen Perücken lebt die Epoche im reduzierten, klugen Bühnenbild (Niklas Ritter und Justus Saretz) auf. Ein drehbares Kabinett in der Mitte der leeren Bühne wird Thron, Fluchtkutsche, Schlafgemach, Guillotine. Ein schönes Bild: Alles dreht sich um den Hofstaat, und der dreht sich um sich selber.

Niklas Ritter hat genau recherchiert, viele Originaltexte werden zitiert. Der mehr als dreistündige Abend hätte etwas Straffung vertragen, manchmal wird er zum Geschichtsunterricht. Aber einem empathischen: Ritter bleibt eng an Marie Antoinette, man leidet mit ihr, was auch an der Leistung Ines Schillers liegt, die sich wandelt von der Dauphine zur einsamen Königin. Alles für Machterhalt und Vaterland? Was damals nicht funktionierte, ist auch kein Konzept für heute. (Julia Nehmiz, 16.11.2019)