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Über die ganze Republik legt sich wabernd eine Schleimschicht des Alltagskorrupten. Auch heute gilt, dass du jemanden brauchst, wenn du ins Öffentliche oder auch nur Halböffentliche willst.

Foto: Getty Images / Wilfried Krecichwost

Jetzt ist schon wieder was passiert. Parteipolitischer Postenschacher bei einer staatsnahen Postenbesetzung! Die teilstaatliche Casinos Austria habe, blauen Begehrlichkeiten nachgebend, einen unqualifizierten Bezirksrat in den Casinos-Vorstand geschickt. Der türkise Finanzminister habe da auch Druck gemacht. Ein Gegengeschäft sei in Aussicht gestellt worden: Lizenzerteilungen für Miteigentümer Novomatic.

Manus manum lavat, sagten einst die alten Römer, eine Hand wäscht die andere. Wir wer’n kan Richter brauchen, die alten Österreicher, die gelernt haben, mit so etwas zu leben. So lange jedenfalls, solange es nicht übertrieben wird oder die Übeltäter sich übertrieben deppert dabei anstellen: der brustklopfende Imposant Ernst Strasser in Brüssel; die beiden blauen Patschachter auf Ibiza, die sich, aufgeganserlt von einer trotz schmutziger Füße „schaofen“ Russenoligarchennichte, bei einer b’soffenen G’schicht haben erwischen lassen.

Reichlich degoutant

Hierin haben die Österreicher durchaus ihre reiche und reichlich degoutante Erfahrung. Aber nein: Österreich – dieses kleine, verwordagelte Land, das so große Schwierigkeiten hat, sich selbst als stinknormal zu erleben – ist im Vergleich dennoch kein sehr besonders korruptes Land.

Johann Gudenus und Heinz-Christian Strache gaben in Ibiza tiefe Einblicke in ihre Sichtweisen zu Staatseigentum.
Foto: APA/Herbert Neubauer

Korrupt freilich allemal. Und durchaus auch in seiner eigenen Ausformung. Anderswo mag es – wie hierzulande klarerweise auch – die Ausschreibungskorruptionen geben, mittels derer lukrative Aufträge geschickt verknüpft werden, mit allerlei verschleierfähigen Kickbacks.

Oder klassische Handsalben, mittels derer Gefälligkeitsgesetze oder Regulative in die Welt gesetzt werden können; wir allesamt haben Ernst Strasser oder – zack, zack, zack – Heinz-Christian Strache diesbezüglich noch im Ohr. Und das ist ein Geräusch, das dem gleicht, wenn einer mit den Fingernägeln über eine Schultafel kratzt.

Gfraster, alle miteinander?

Österreich hat hierin eine lange, schmachvolle Geschichte. Die Zweite Republik begann sogar so. Peter Krauland, ÖVP-Minister für Vermögenssicherung und Wirtschaftsplanung von 1945 bis 1949, bediente sich, die Seinen und die roten Mitspieler am ehemals „deutschen“, zu einem Gutteil auch arisierten, Vermögen wie etwa der Druckerei Waldheim-Eberle, die um einen Bruchteil des eigentlichen Werts an ein schwarz-rotes Konsortium ging.

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Helmut Elsner wurde im Bawag-Prozess verurteilt. Wo das Geld blieb, wurde nie aufgeklärt.
Foto: Reuters/Heinz-Peter Bader

Der damals amerikanische Kurier deckte auf. Krauland wurde amnestiert. Er starb, unbehelligt, 1985. Fünf Jahre nachdem Bundespräsident Rudolf Kirchschläger in einem anderen – nicht weniger widerlichen – Zusammenhang davon gesprochen hat, es gelte nun, „die Sümpfe und die sauren Wiesen“ trockenzulegen.

Das war der AKH-Skandal. Eine weitgehend rote Angelegenheit. Zuvor gab es die schwarze Müllner-Affäre, da hatte Viktor Müllner, der niederösterreichische Landeshauptmannstellvertreter, Chef der Energie-Versorgung und Bauherr in der Südstadt, seiner Partei ordentliche Apanagen zukommen lassen. Es folgten in der roten Reichshälfte: der Lucona-Skandal. Der Bank-Burgenland-Skandal. Der mit der Gewerkschaftsbank Bawag.

Die Buwog-Angeklagten Meischberger, Hochegger und Grasser (von links nach rechts).
Foto: APA/Herbert Neubauer

Die Kärntner Hypo Alpe Adria. Die krakenhaften Eurofighter. Die Buwog. Da haben die Blauen ihre Affären gehabt. Bei den Grünen gibts den Wiener Hochhaus-Skandal-Verdacht. Wer mag es dem gelernten Österreich verdenken, wenn er sagt, Gfraster, alle miteinander? An mit’n andern derschlag’n.

Postenbesetzungen in den Landesgesellschaften

Andere Länder, keineswegs andere Sitten. Selbst der zuweilen lehrmeisternde große Nachbar hat seine korruptiven Narben. Die Flick-Affäre erschütterte die Bonner Republik. Der Flick-Konzern tat, erläuterte Manager Eberhard von Brauchitsch unumwunden, was nun auch Novomatic-Casinos zugeschrieben wird: „Pflege der politischen Landschaft“.

Allerdings gibt es schon etwas spezifisch Österreichisches in all den Sümpfen und sauren Wiesen, die trockenzulegen demnächst wohl auch Alexander Van der Bellen zu mahnen haben wird. Zumal das aktuelle Quatschgeräusch, das einem die Gummistiefel ausziehen könnte im tiefen Sumpfgrund, sich störend ins Koalitionsverhandeln drängt.

Schleimschicht des Alltagskorrupten

Über die ganze Republik legt sich, seit ihrer endgültigen Ausrufung im Jahr 1955, wabernd eine Schleimschicht des Alltagskorrupten. Auch heute noch gilt, dass du jemanden brauchst, wenn du ins Öffentliche oder auch nur Halböffentliche willst.

Nicht die Nationalbank oder der Vorstand der Casinos AG bedroht – der zornerregenden Dreistigkeit zum Trotz – das Land. Es sind die Postenbesetzungen in den ausgelagerten Landesgesellschaften, bei den Energieversorgern, den Müllverbänden, den Wasserversorgern.

Und, das Erbärmlichste von allem, im Schulwesen. Dem doch gewiss nicht parteifernen Wiener Bürgermeister Helmut Zilk kam, nach seinen eigenen Worten, das Speiben, wenn er an die Parteibuchwirtschaft in den Schulen dachte. Zilks Empörung perlte ab an der Fettschicht wohlleibiger Alteingesessenheit: Da könnt’ ja nämlich jeder kommen.

Aufteilung der Welt

Die Aufteilung der Welt und ihres Finanz- und Postenkreislaufes war in Österreich nie ein Streitpunkt. Sondern eine auf der mit Salben gut geschmierten Hand liegenden Logik: rot oder schwarz, tertium non datur. Ein Drittes gibt es nicht. Das galt bis in die 1990er-Jahre, bis den Wählern der Kragen Richtung Jörg Haider geplatzt war.

Die Eurofighter-Beschaffung ist bis heute nicht voll aufgeklärt.
Foto: APA/Erwin Scheriau

Jetzt freilich erwies sich – und erweist sich bis heute –, dass die blauen Saubermänner und -frauen ziemlich passgenau hineinrücken ins Bisherige. Die oppositionellen Korruptionsjäger entpuppten sich im Handumdrehen als jene, vor denen sie bislang so kreischend gewarnt haben. So bei Schwarz-Blau, so bei Türkis-Blau. Sodass also der verheerende Eindruck hängenbleibt: Pack schlägt sich, Pack verträgt sich.

In der dritten Gewalt der Republik hat sich einiges geändert. Die unerschrockene Untersuchungsrichterin Helene Partik-Pablé, die spätere FPÖ-Abgeordnete, ist dem damaligen Profil-Aufdecker Alfred Worm hilfreich beigesprungen.

Sie war unter den Ersten, die sich der eigenen Ehre und – nicht weniger wichtig – der geschriebenen anstatt der bloß gelebten Verfassung entsannen. Seither ist, zumindest, kein Korruptionist vor sich selbst sicher. Denn gerade das im Dunkel Gemunkelte drängt ans Licht.

Zitate aus Ermittlungsakten

Kein Wunder also auch, dass immer wieder versucht wird, die Journalisten unter Kuratel zu stellen. Und das ungeachtet des Umstandes, dass es heutzutage aus vielerlei Gründen unstatthaft geworden ist, den Boten zu köpfen, weil einem die Botschaft nicht gefällt.

Immer wieder freilich wird das versucht. Anfang des Jahres 2012 warf der langjährige Profil-Herausgeber Peter Michael Lingens, angesichts der damals gerade aktuellen Buwog-Gechichten einen Blick zurück.

Immer schon habe es den Versuch gegeben, vom Eigentlichen abzulenken und lieber von „medialer Jagdgesellschaft“ zur reden oder – damals in Richtung News, Profil und Falter – von „Amtsmissbrauchsjournaille“, weil aus Ermittlungsakten üppig und peinlich genau zitiert wurde.

Lingens schrieb damals: „Es hat in Österreich in der Vergangenheit zu viele Strafverfahren gegeben, in denen noch so eindeutige Indizien nicht zu Anklagen oder zumindest ernsthaften Untersuchungen geführt haben.“

Im Würgegriff der Politik

Daran hat sich bis heute leider wenig geändert. Denn die Staatsanwaltschaft bleibt, allen Beteuerungen zum Trotz, im Würgegriff der Politik. Mit „Politik“ ist – ihrem kruden Selbstverständnis folgend – die zweite Gewalt des so fein austarierten Gefüges gemeint: die Exekutive.

Die erste Gewalt, das Parlament, hat sich in vielerlei Bereichen zum Hilfsschackel degradieren lassen. Wo diese dennoch zu mucken wagt – die Neos-Abgeordnete Stephanie Krisper ist so eine –, werden „Maßnahmen“ ins Auge gefasst, Handybeschlagnahme etwa.

Über so etwas bleibt dann kaum anderes übrig, als dass die informelle vierte Gewalt das Wort erhebt. Auf die Gefahr hin, im Handumdrehen – Anna Thalhammer von der Presse etwa – ebenfalls ins Visier genommen zu werden.

Arbeit genug. Auch, oder vor allem, für die Koalitionsverhandler. (Wolfgang Weisgram, 16.11.2019)