Sudabeh Mortezais mehrfach prämierter "Joy" war der österreichische Oscar-Kandidat, bis er diese Woche aufgrund der Sprachregelung der Academy disqualifiziert wurde.

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Die Entscheidung der Academy of Motion Pictures, zwei Filme, den österreichischen Anwärter Joy sowie den nigerianischen Film Lionheart, aus dem Rennen zu werfen, sorgt weiterhin für Diskussionen. Beiden Arbeiten wird vorgeworfen, dass mehr als 50 Prozent der Dialoge auf Englisch sind, was sie aus der Oscar-Kategorie des besten fremdsprachigen Films (ab 2020 bester internationaler Film) ausschließe. Der Fall Nigeria erweist sich jedoch als kniffliger als gedacht: Er weise, wie etwa die Multikulturalismusforscherin Kovie Biakolo auf CNN kommentierte, über den Anlassfall hinaus.

Eine Szene aus "Joy" – zum Vergleich mit und ohne Untertitel.
DER STANDARD/FreibeuterFilm

Denn der afrikanische Staat, der mit Nollywood eine der produktivsten Filmszenen der Welt beheimatet, würde mit dieser Entscheidung de facto dafür bestraft, dass er die Sprache der Kolonialherren übernommen habe: Englisch ist die offizielle Landessprache, auch wenn es noch rund 500 andere Sprachen gibt, die ebenfalls in Filmen gesprochen werden. Die prestigeträchtigsten Arbeiten, darunter der von Netflix vertriebene Lionheart, sind allerdings auf Englisch. Der seit einigen Jahren um Diversität und Inklusion bemühten Academy könnte damit auf dem Feld des fremdsprachigen Films ein Argumentationsproblem erwachsen.

Der österreichische Produzent Oliver Neumann (Freibeuter Film) und Joy-Regisseurin Sudabeh Mortezai haben unterdessen einen Brief an die Academy gerichtet, in dem sie nachweisen wollen, dass höchstens 46 Prozent der Dialoge des Films auf Englisch sind. Die Rechnung geht jedoch nur dann auf, wenn man Nigerianisches Pidgin neben Bini und Deutsch als eigene, für Englischsprecher nur mittels Untertitel verständliche Sprache miteinbezieht. Abgesehen davon lässt sich für den mehrfach preisgekrönten Film, der den Alltag von nigerianischen Sexarbeiterinnen in Wien nachvollzieht, auch das Argument ins Treffen führen, das schon für die Filme aus Nigeria gilt: Die Figuren sprechen ihre eigene Sprache. Neumann lädt die Academy ein, wegen dieser Fehleinschätzung ins Gespräch zu treten. (kam, 16.11.2019)