Ein neues Gutachten hält fest, dass Peter Sidlo die Voraussetzungen für eine Bestellung zum Finanzchef der Casag nicht erfüllt hat.

Foto: Casinos Austria / Christof Wagner

Es sind schwere Geschütze, die die Staatsanwaltschaft im Postenschacherfall Casinos Austria auffährt. Gleich zehn Beschuldigten, darunter Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache und der frühere Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP), wird vorgeworfen, sie hätten die Bestellung des Blauen Peter Sidlo zum Finanzvorstand der Casinos durchgezogen und Novomatic im Gegenzug Glücksspiellizenzen in Aussicht gestellt oder davon gewusst.

Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft stützt sich dabei auf viele Informationen, die sie bei Razzien im August erhalten hat. Die Akten enthüllen dabei auch einen bemerkenswert regen Nachrichtenaustausch hoher Amtsträger und Manager.

So wendet sich Novomatic-Chef Harald Neumann schon vor der Regierungsbildung von ÖVP und FPÖ im November 2017 an seinen Pressesprecher. Man solle sich doch mit FPÖ-Neoabgeordnetem Markus Tschank treffen, meint Neumann.

Auf die Erwiderung des Pressemanns, wonach Tschank für den Bereich nicht zuständig sei, schreibt der Novomatic-Chef zurück: "egal brauchen jemanden der das thema kasinolzenzen einbringt!"

Der von der WKStA skizzierte "Tatplan" sieht dann so aus. Es dauert seine Zeit, bis die Vertragsauflösung des alten Vorstands eingeleitet ist und FPÖ-Mann Sidlo ins Rennen geschickt wird. Im Jänner dieses Jahres unterhalten sich Strache und Neumann dann über den Fortschritt bei der Postenbesetzung.

Der FPÖ-Obmann fragt den Novomatic-Chef: "Bezüglich Peter Sidlo kann ich mich auf dein Wort verlassen und ist alles auf Schiene?" Antwort Neumanns: "Haben alles zur Unterstützung beigetragen."

Nach einem Vorgespräch mit Löger wird der Sack am Rande der Glücksspielmesse in London zugemacht, glaubt die Behörde. Neumann schreibt am 6. Februar 2019 an Strache: "War echt mühsam aber hier hat Löger auch sehr geholfen:)) lg aus London".

Die nicht mehr ganz jungen Aufsichtsratschefs Walter Rothensteiner, Josef Pröll und Neumann bedienen sich moderner Kommunikationsmethoden. Sie unterhalten sich in einer Chatgruppe und entwerfen Strategien, um gegen den in Bezug auf Sidlo kritisch eingestellten Mitaktionär Sazka ruhigzustellen.

Whatsapp-Verwirrung

Eine bereits am Mittwoch enthüllte Whatsapp-Nachricht Sidlos an Ex-FP-Klubobmann Johann Gudenus wird nun übrigens von beiden Involvierten als aus dem Zusammenhang gerissen dargestellt.

Sidlo, damals Investmentexperte, schrieb am 12. August 2018: "hallo Joschi, habe mit meinen Freunden bezüglich Casinos gesprochen, sie wären bereit und auch fähig den deal zu machen." Es sei dabei um einen Investmentdeal und nicht um seine Bestellung gegangen, erklärt Sidlo der Austria Presse Agentur.

Die Frage, ob Sidlo überhaupt für den Job als Finanzchef geeignet war und eingesetzt werden durfte, beschäftigt auch den Aufsichtsrat der Casag. Die Vertreter der Sazka glauben das offenbar nicht. Sie haben ein Gutachten zur "glücksspielrechtlichen Beurteilung" der Bestellung Sidlos bei Thomas Müller in Auftrag gegeben, er ist assoziierter Professor am Institut für Öffentliches Recht an der Uni Innsbruck.

Seine elf Seiten umfassende Expertise vom 25. Oktober liegt inzwischen dem Aufsichtsrat vor, es geht um die Frage, ob Sidlo den Anforderungen entspricht, die das Glücksspielgesetz für Geschäftsleiter in der Branche verlangt. Und ob ihn der Aufsichtsrat bestellen hat dürfen. Kurz zusammengefasst, lautet Müllers Antwort: Nein.

"Herr Mag. Sidlo erfüllt diese Voraussetzungen nicht. Seine Bestellung hat daher die glücksspielrechtlich vorgezeichneten Grenzen überschritten", schreibt er in seinem Gutachten. Das Gesetz schreibt fest, dass Geschäftsleiter theoretische und praktische Kenntnisse im Glücksspielbereich haben müssen sowie Leitungserfahrung.

Die ist auf jeden Fall dann anzunehmen, wenn jemand zumindest drei Jahre lang in einem Unternehmen vergleichbarer Größe und Geschäftsart nachweisen kann.

Rechtswidrige Bestellung

Sidlo, studierter Jurist, erfülle das nicht, schreibt Professor Müller. Es gebe keinen Anhaltspunkt dafür, dass er im Glücksspielsektor beschäftigt war, in seinem Lebenslauf finde sich kein relevanter Berührungspunkt mit dem Glücksspielsektor. Auch bei der Leitungserfahrung des Blauen sieht der Gutachter schwarz.

Er habe nur Kleinstunternehmen wie die Sigma Investment (neun Mitarbeiter) oder "kleinere Abteilungen" geführt. Die Casag hat rund 1900 Mitarbeiter in Österreich.

Die Bestellung Sidlos zum Finanzchef durch den Aufsichtsrat ist in den Augen des Gutachters daher rechtswidrig. Daran ändere auch die Tatsache nichts, dass die Bestellung dem Finanzminister (damals Löger, Anm.) angezeigt und von Selbigem nicht untersagt worden sei. Und: Der Jurist vertritt die Ansicht, dass der Minister sozusagen als zuständiger Aufseher der Branche die Geschäftsführung durch Sidlo sofort bescheidmäßig untersagen müsste.

Neben einer von den Casinos in Auftrag gegebenen Prüfung und Ermittlungen der Justiz will sich nun auch der Rechnungshof einschalten. Deren Präsidentin, Margit Kraker, sprach sich am Freitag für eine Entsendung von Aufsichtsräten durch den Bund aus. Direkt prüfen darf er die Casag nicht, da der Bund weniger als 50 Prozent der Anteile hält. (Renate Graber, Andreas Schnauder, 15.11.2019)