Werner Kogler habe seine "alte Funktion als Aufdecker jetzt erst einmal nicht in der Vordergrund gerückt". Die Untersuchungsinstrumente, die zur Verfügung stehen, wolle er trotzdem besprechen.
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Ob Casinos-Affäre oder die neuen Vorwürfe rund um den Verfassungsschutz (BVT): Der Grünen-Bundessprecher Werner Kogler versucht es mit einer Doppelstrategie. Bei den Verhandlungen mit der ÖVP wollen sich die Ökos nicht irritieren lassen und machen wie geplant mit der Präsentation der rund 100 Koalitionsverhandler weiter. Gleichzeitig will Kogler die Arbeit an einem Untersuchungsausschuss zum mutmaßlichen Postenschacher in der Vorstandsetage des Glücksspielkonzerns aktiv vorantreiben – und schließt im Interview auch einen neuen U-Ausschuss zur Aufklärung der Vorgänge im BVT nicht aus. "Es muss beides gehen", sagt Kogler. Die heikle Casinos-Personalia will er mit ÖVP-Chef Sebastian Kurz gar nicht erst besprochen haben.

STANDARD: Was können Sie uns von den Sondierungs- und Verhandlungsgesprächen erzählen, das wir noch nicht wissen – ohne dass Sie danach Schwierigkeiten mit ÖVP-Chef Sebastian Kurz bekommen?

Kogler: Also ich kriege gar keine Schwierigkeiten. Jetzt haben wir einmal den Fahrplan fertig zusammengezimmert ...

STANDARD: ... das wissen wir, und sonst?

Kogler: Es ist jetzt nix Neues passiert. Mit Infos, die noch nicht allgemein bekannt sind, kann ich jetzt auch nicht dienen.

STANDARD: Passiert ist doch genug, etwa in der aktuellen Causa Casinos: Ist es für Sie vorstellbar, dass Ex-Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) bei dem mutmaßlichen Postenschacher den blauen Bezirksrat Peter Sidlo auf eigene Faust durchdrücken wollte?

Kogler: Ich habe meine alte Funktion als Aufdecker jetzt einmal nicht in den Vordergrund gerückt. Aber: Die Untersuchungsinstrumente, die zur Verfügung stehen, werde ich jetzt am Wochenende sehr wohl mit der sozialdemokratischen Fraktion besprechen – Stichwort Sondersitzung des Nationalrats. Ob Sondersitzung oder U-Ausschuss: Da sind wir ganz offen und gehen auf die anderen Fraktionen zu!

STANDARD: War das Thema bei den Gesprächen mit Sebastian Kurz?

Kogler: Nein.

STANDARD: Sie haben Herrn Kurz nicht gefragt, ob er selbst von dem mutmaßlichen Postendeal wusste?

Kogler: Nein. Ich bin aber auch dafür zuständig, dass jetzt die richtigen und nicht sinnlose Maßnahmen im Parlament eingeleitet werden.

STANDARD: Zusammengefasst kann man also festhalten: Die Grünen sind für einen U-Ausschuss zur Aufklärung der Causa Casinos?

Kogler: Wir legen auf drei Dinge Wert: den Untersuchungsgegenstand, die zeitliche Dimension und die Kooperation mit der Korruptionsstaatsanwaltschaft. Wenn das stimmt, sind wir dabei.

STANDARD: Wenn diese drei Dinge sichergestellt sind, wäre wohl auch ein zweiter BVT-U-Ausschuss hilfreich.

Kogler: Das muss man sich anschauen, wie viele U-Ausschüsse gleichzeitig Sinn machen. Aber es ist naheliegend, dass wir uns auch dort um weitere Aufklärung kümmern. Insbesondere weil der alte BVT-Ausschuss noch nicht alle Untersuchungsgegenstände abgearbeitet hat.

STANDARD: Nach allem, was man bisher weiß: Kann man der ÖVP wirklich das Innenministerium überlassen?

Kogler: Wichtig wird sein, dass es für das BVT einmal ein gescheites, vertrauensstiftendes Konzept gibt.

STANDARD: Naheliegend wäre wohl, die Funktion des Innenministers an einen Unabhängigen auszulagern. Streben Sie so eine Lösung auch in anderen heiklen Ressorts als Kompromissvariante an?

Kogler: Das ist sicher überlegenswert. Aber ich strebe jetzt einmal ein tragfähiges Regierungsübereinkommen an. Das wird schwierig genug. Wie viele sogenannte Unabhängige es geben könnte, ist später zu klären.

STANDARD: Sie schließen eine solche Variante also nicht aus?

Kogler: Ich schließe nach meinen Erfahrungen der vergangenen zwei Jahre sowieso nurmehr selten etwas aus oder ein.

Werner Kogler, geboren 1961 in Hartberg (Steiermark), leitet seit dem Rauswurf aus dem Nationalrat im Oktober 2017 die Grünen.
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STANDARD: Für die CO2-Steuer lässt sich ja leicht ein semantischer Ausweg finden, das haben Sie selbst schon angekündigt.

Kogler: Ich bin immer schon ein Gegner des Begriffes CO2-Steuer gewesen. Weil wir für eine ökologisch-soziale Steuerreform eintreten. Die CO2-Steuer wurde ja von Gegnern einer solchen Maßnahme als Begriff geprägt, um den Eindruck zu erwecken, da wird alles viel teurer. Das stimmt so nicht. Es braucht eine Gesamtreform, das heißt: Umweltschädliche Emissionen sollen teurer werden. Umweltfreundliches Verhalten, umweltfreundliche Produktionsweisen sollen im selben Ausmaß billiger werden. Das ist eine große Umsteuerung und State of the Art. Das hatte nie den Schlachtruf CO2-Steuer. Das ist nur in letzter Zeit in Mode gekommen!

STANDARD: In Vorarlberg haben sich Schwarz und Grün darauf verständigt, in einzelnen strittigen Punkten einen koalitionsfreien Raum zuzulassen. Wäre das auch ein Ausweg im Bund?

Kogler: Das strebe ich nicht an. Ein Koalitionsabkommen sollte alle Lebensbereiche abdecken. Allenfalls bei unvorhersehbaren Ereignissen könnte das zur Konfliktlösung taugen. Aber ich möchte festhalten: Ich strebe das nicht an.

STANDARD: Noch einmal Vorarlberg: Für bestimmte wichtige Investitionen kann man sich dort vorstellen, Schulden zu machen.

Kogler: Allein schon beim Klimaschutz ist es unsere Linie, dass es hier massive Investitionen braucht. Auch der erwartete wirtschaftliche Abschwung wird sich automatisch auf den Haushaltssaldo auswirken. Das muss man in der Zusammenschau sehen. Eine sklavische Nulllinie jedes Jahr kann nicht das Ziel sein. Das Nulldefizit als Selbstzweck ist ökonomisch unvernünftig. Ganz eine andere Frage ist, wie man sich das über mehrere Jahre im Ausgleich vorstellt. Dazu werden wir Ökonomen beiziehen.

STANDARD: Beim Tempo 140 haben Sie schon klargestellt, dass Sie sich nicht vorstellen können, dass das überlebt.

Kogler: Mir fehlt die Fantasie, dass wir diesen Versuch verlängern.

STANDARD: Gibt es noch andere blaue Relikte aus der vergangenen Regierung, die Ihrer Meinung nach entsorgt gehören?

Kogler: Darüber habe ich nicht intensiv nachgedacht. In meiner Welt voraussichtlich ja! Wichtiger bleibt aber sicher das Erreichen von Zielen.

STANDARD: Für die Absegnung eines Koalitionspaktes braucht es einen grünen Bundeskongress. Da genügt eine einfache Mehrheit, genügt Ihnen die auch?

Kogler: Wir waren in letzter Zeit verwöhnt mit 98- oder 99-Prozent-Mehrheiten. Insofern darf es ruhig auch einmal weniger sein. Aber dort sind wir ja noch nicht. Letztlich müssen wir im Vorstand einschätzen, ob wir das Ergebnis dem Bundeskongress vorlegen. Ist das der Fall, rechne ich mit deutlich mehr als 51 Prozent.

STANDARD: Bei der ÖVP verhandelt auch der amtierende Nationalratspräsident mit. Finden Sie das nicht auch seltsam?

Kogler: Ich weiß nicht, wer es noch seltsam findet.

STANDARD: Wir.

Kogler: Die ÖVP hat den Herrn Präsidenten vorgeschlagen. Wolfgang Sobotka ist offenkundig ein wichtiges Parteimitglied, insofern wundert mich das nicht.

STANDARD: Die Grünen wirken bereits jetzt handzahmer als noch vor wenigen Wochen. Trauen Sie sich nicht mehr?

Kogler: Wieso? Das finde ich überhaupt nicht. Das ist mehr Fantasie als Wirklichkeit. Sie sehen schon allein beim Thema U-Ausschuss, dass wir darauf drängen, die aktuellen Vorwürfe aufzuklären. Das würde ich mir bei jeder anderen Partei einmal anschauen, die sich in Regierungsverhandlungen befindet. (Peter Mayr, Karin Riss, 15.11.2019)