Ein Monteur in der Nabe eines Windrads: Die Situation im bedeutendsten Windenergieland Europas, Deutschland, ist mehr als angespannt. Das spüren auch Zulieferfirmen in Österreich.
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Intendiert war, zumindest verbal, etwas anderes. Mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz 2017 wollte die Regierung in Berlin den Ausbau der Windenergie als wichtigen Pfeiler bei der Umstellung des fossil dominierten Energiesystems kostengünstiger voranbringen. Zwar nicht ganz ohne Deckel wie bisher, aber doch in einem vorab definierten, nach oben gehenden Zielkorridor. Dies auch deshalb, damit die Netzgesellschaften mit dem Stromleitungsbau nachkommen können.

Ein Blick in die Statistik vermittelt nun ein gänzlich anderes Bild: 2017, im Jahr des Inkrafttretens des neuen Förderregimes, gab es in Deutschland noch einen Rekordwert an Windenergiezubau. Dieser erklärt sich laut Stefan Gsänger, Generalsekretär des in Bonn beheimateten Weltwindenergieverbands, noch mit den vorhergehenden Förderrichtlinien. So seien 2017 zahlreiche Windanlagen ans Netz gegangen, die noch unter dem EEG alt genehmigt wurden und somit noch in den Genuss der Einspeisetarife kamen. Seither geht es bergab – mit fatalen Folgen für Zulieferunternehmen, nicht zuletzt auch aus Österreich.

Wichtigster Einzelmarkt

Deutschland ist der mit Abstand bedeutendste Windenergiemarkt in Europa und somit auch ein wichtiger Taktgeber für Unternehmen, die mit Windenergie etwas am Hut haben – und sei es, dass sie eine Kunststoffkomponente für Rotorflügel liefern. China hat mit 35 Prozent den aktuell höchsten Anteil an installierter Windkraftleistung weltweit, gefolgt von den USA mit 16,5 Prozent und Deutschland mit zehn Prozent. Im Gegensatz zu den beiden erstgenannten Ländern ist der Zubau in Deutschland zuletzt stark eingebrochen.

In einem Vergleich der ersten neun Monate, für die Zahlen aus 2019 schon vorliegen, zeigt sich nach dem Rekordwert 2017 (4170 MW) 2018 ein Rückgang der neu installierten Leistung auf 2073 MW und ein starker Einbruch auf 514 MW im heurigen Jahr. Gemessen am durchschnittlichen Zubau von Windkraftleistung in den ersten drei Quartalen der Jahre 2014 bis 2018 (2786 MW) liegt der Rückgang heuer bei mehr als 80 Prozent.

Ausschreibungen als Hauptgrund

„Die Ausschreibungen sind der Hauptgrund dafür“, sagte der Generalsekretär des Weltwindenergieverbands, Gsänger, bei einem Wien-Besuch dem STANDARD. Das und Anpassungen im Zusammenhang mit Bürgerwindparks hätten zu einer großen Verunsicherung bei potenziellen Betreibern geführt. Und: Die Kosten für den Windkraftausbau seien pro MW wegen geringen Interesses gestiegen statt, wie erhofft, gesunken, seit es Ausschreibungen gibt.

Die Folgen in Deutschland: 35.000 verlorengegangene Arbeitsplätze allein seit 2017. Darin noch nicht enthalten sind die knapp 3000 Stellen, die der Windturbinenbauer Enercon in Deutschland noch zu streichen beabsichtigt. Kurz zuvor hat auch die Windtochter des deutschen Industrieriesen Siemens angekündigt, sich von rund 1200 Mitarbeitern zu trennen. Da wie dort wurden die politischen Rahmenbedingungen und der harte Preiskampf als Grund genannt.

Weniger Beschäftigte

In Österreich, wo die rund 180 im Bereich Windkraft tätigen Unternehmen wegen Fehlens eines Turbinenbauers im Land noch mehr als anderswo auf Exporte angewiesen sind, spürt man das maue Geschäft in Deutschland auch. Gab es 2014, dem Jahr mit dem größten Zubau an Windkraft in Österreich und einer guten Situation auf den Exportmärkten, noch an die 5600 Beschäftigte in der Branche, sind es mittlerweile nurmehr 4000. Allein bei Enercon gingen 2018 rund 400 Jobs verloren – rund 200 im Werk im burgenländischen Zurndorf, wo Betonsockel für Windräder produziert wurden, 200 im Bereich der Windradinstallation.

Der Niedergang ist auch am Umsatz ablesbar: Setzten die Unternehmen der Windenergiebranche 2014 noch 680 Millionen Euro um, sind es jetzt nicht mehr als 400 Millionen. Elin Motoren im steirischen Weiz, spezialisiert auf Generatoren, haben nach Angaben von Stefan Schafferhofer, dem Leiter des Geschäftsbereichs Windenergie, jeden vierten Mitarbeiter in der Serienfertigung abgebaut. Teile der Produktion wurden nach Bosnien transferiert. Der Grund: die schwierige Marktsituation. (Günther Strobl, 17.11.2019)