Mit der App namens Lernsieg können Lehrer bewertet werden.
Foto: APA/GEORG HOCHMUTH

Pro: Sagen, was einem nicht passt

von Conrad Seidl

Verbieten. Das war das Erste, was Lehrervertretern in den Sinn gekommen ist, als die App zur Bewertung von Lehrern angekündigt worden ist. Wo kommen wir denn da hin, wenn Schüler den Lehrern Feedback geben können! Wir sind doch hier nicht in einem Restaurant oder Hotel, Lehrer sind doch keine Uber-Fahrer oder Ärzte. Dort ist es längst üblich, Feedback, Punkte und Sterne zu vergeben, aber doch nicht in der Schule!

Das wäre nicht nur eine verkehrte Welt, wenn Schüler Noten vergeben; es könnte für die Lehrer doch höchst unangenehm werden, selbst benotet zu werden! Das ist tatsächlich zu erwarten: Bewertungen sind nicht immer fair, Kritik nicht immer sachlich. Und: Kritik zu ertragen ist schwer – sogar dann, wenn man einsieht, dass sie im Einzelfall berechtigt ist. Noch schwerer ist es, Kritik zu ertragen, die man für unberechtigt hält. Besonders schwer ist der Umgang mit Kritik, wenn man sie nicht gewohnt ist.

Nun: Man kann Kritik nicht so einfach verbieten, wie sich das manche Personalvertreter vorstellen. Die Lehrer werden sich daran gewöhnen müssen, kritisiert zu werden und von ihren Schülern auch schlechte Noten zu kassieren. Per App einmal Dampf abzulassen, einmal zu sagen, was einem nicht passt – das wird Schülerseelen entlasten und im besten Fall zu einer positiven Feedbackkultur führen. Daran, dass Feedback funktioniert, sollten Lehrer und Schüler ein gemeinsames Interesse haben.

Reden ist besser als Voten

von Petra Stuiber

Er habe seinen Traum einer transparenten Schule umsetzen wollen, sagte der Erfinder der Lehrerbewertungs-App, der 17-jährige Schüler Benjamin Hadrigan, bei der Präsentation derselben. Und: Er habe den Schülern eine Stimme geben wollen.

Es könnte sein, dass der junge Mann hier etwas verwechselt. Freie Meinungsäußerung lernt man nicht, indem man Bewertungssternderln verteilt. Man lernt sie, wenn man seinen Standpunkt gegenüber jemandem vertritt, der eine andere Meinung hat. Transparenz erreicht man, wenn man nach zähem Ringen einen erreichten Kompromiss gegenüber der eigenen Klientel erklärt und verteidigt. Der ehemalige Schulsprecher Hadrigan sollte das wissen – und hoffentlich auch selbst praktiziert haben. Zum Beispiel im Schulgemeinschaftsausschuss, wo Schüler mit Lehrern und Eltern die Probleme "ihrer" Schule zu lösen versuchen. Diese Einrichtung gibt es schon lang, sie ist fast so etabliert wie die Lehrergewerkschaft. Dort, zuallererst, gehört Schülerprotest hin, wenn es mit einem Lehrer gar nicht klappt.

Hadrigans App hat nämlich einen entscheidenden Haken. Sie kann nicht erkennen, ob der Bewerter tatsächlich ein betroffener Schüler ist – oder jemand von außen, der bei einer Kampagne mitmacht.

Anonymes Bashing via App wird wenig bewirken; es sei denn, man sieht gezieltes Fertigmachen unliebsamer Personen als Problemlösung an.