In Fällen, in denen die Nichtbereitstellung bzw. -haltung von Lohnunterlagen sanktioniert wird, darf nur mehr eine einzige Strafe bis zum gesetzlich vorgesehenen Höchstmaß verhängt werden.

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In einer vieldiskutierten Entscheidung (Rs C-64/18 ua) hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) im September die Verhängung von Millionenstrafen im Zusammenhang mit Verstößen gegen das Lohn- und Sozialdumpinggesetz für unionsrechtswidrig erklärt.

Die Strafen waren unter anderem verhängt worden, weil Lohnunterlagen von 217 ausländischen Arbeitnehmern vom Unternehmen nicht oder nicht vollständig bereitgehalten wurden.

Aufgrund des im österreichischen Verwaltungsstrafrecht geltenden Kumulationsprinzips wurde über die Geschäftsführer von Andritz pro betroffenen Arbeitnehmer eine gesonderte Strafe verhängt, die Strafe mit der Anzahl der Arbeitnehmer somit multipliziert. Wie sich diese Entscheidung auf die Judikatur in Österreich auswirkt, hat der Verwaltungsgerichtshof erfreulicherweise vor kurzem klargestellt (VwGH 15. 10. 2019, Ra 2019/11/0033-0034).

Der VwGH musste einen Sachverhalt beurteilen, der mit dem EuGH-Fall vergleichbar war: Weil ein slowakisches Unternehmen die Lohnunterlagen von 25 Arbeitnehmern, die in Österreich beschäftigt wurden, nicht bereitgestellt hatte, verhängte das Landesverwaltungsgericht Wien über den Geschäftsführer 25 Geldstrafen zu je 6000 Euro, insgesamt 150.000 Euro, oder eine Ersatzfreiheitsstrafe von neun Monaten, neun Tagen und vier Stunden. Dazu kam ein Kostenbeitrag von zehn Prozent für das behördliche und von 20 Prozent für das gerichtliche Verfahren.

Der VwGH setzte sich dabei ausführlich mit der Judikatur des EuGH auseinander und wendete dessen Einschränkungen konkret auf diesen Fall an. Demnach darf in Fällen, in denen die Nichtbereitstellung bzw. -haltung von Lohnunterlagen sanktioniert wird, nur mehr eine einzige Strafe bis zum gesetzlich vorgesehenen Höchstmaß verhängt werden.

Weder gibt es eine Mindeststrafhöhe noch kommt das Kumulationsprinzip bei solchen Sachverhalten zur Anwendung. Zudem darf keine Ersatzfreiheitsstrafe mehr verhängt werden. Die Auferlegung eines Verfahrenskostenbeitrages, berechnet von der nunmehr der Höhe nach begrenzten Strafe, ist hingegen zulässig.

10.000 bis 50.000 Euro Strafe

Die Höchststrafen für das Nichtbereithalten von Lohnunterlagen bewegen sich aufgrund dieser Judikatur im Bereich von 10.000 Euro bei erstmaligem Vergehen bis hin zu 50.000 Euro im Wiederholungsfall. Diese Strafen dürfen nun aber nicht mehr mit der Anzahl der betroffenen Arbeitnehmer multipliziert werden.

Als Folge der Judikatur des EuGH und des VwGH ist das Kumulationsprinzip in Bezug auf die Bereithaltung von Lohnunterlagen nicht aufrechtzuerhalten. Die zukünftige Regierung ist daher umso mehr gefordert, mit einer durchgreifenden Neuregelung des Verwaltungsstrafrechts solche Wertungswidersprüche zwischen verschiedenen Strafbestimmungen zu vermeiden. Erwägenswert wäre dabei die gänzliche Abschaffung des Kumulationsprinzips. (Barbara Klinger, Martin Lanner, 18.11.2019)