Österreich hat die Kinderrechtskonvention 1992 ratifiziert und 2011 teilweise in die Verfassung aufgenommen. Damit ist das Land verpflichtet, die Kinderrechte national umzusetzen – sowohl in Gesetzen als auch durch Institutionen, die Kinder und Jugendliche schützen und stärken. Allerdings gibt es bis heute eine Reihe von Baustellen. Ein paar Beispiele:

Chancengleichheit unabhängig von der Herkunft

Laut UN-Kinderrechtskonvention hat jedes Kind das Recht auf bestmögliche Entwicklung und Entfaltung – völlig unabhängig davon, wo es geboren ist und wer seine Eltern sind. Sozialer Status und Bildungschancen sind in Österreich allerdings nach wie vor eine Frage der Herkunft: Nur 20 Prozent der Kinder aus armen Haushalten erreichen auf ihrem Weg durch das Schulsystem die Gymnasialreife. 324.000 Kinder und Jugendliche sind aktuell in Österreich armutsgefährdet. Im Flüchtlingsbereich gibt es ebenfalls Handlungsbedarf. Asylwerbende Kinder und Jugendliche sind einer Vielzahl von Diskriminierungen ausgesetzt – etwa im Bereich Schule und Ausbildung, Betreuung und in der Gesundheitsversorgung.

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1.774.000 Kinder gibt es in Österreich, davon ist jedes fünfte armutsgefährdet.
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Interessen bei Gesetzesbeschlüssen berücksichtigen

Ein weiteres Problemfeld ist die mangelnde Einbeziehung der Interessen von Kindern und Jugendlichen in politische Entscheidungen. Ein Beispiel: Das Gesetz zur Standortentwicklung berücksichtigt nicht, wie sich die Ansiedelung von Betrieben auf das Leben von Kindern und Jugendlichen in der Nachbarschaft auswirkt– etwa durch schlechte Luft oder durch die Verbauung von Freiflächen. SOS Kinderdorf schlägt deshalb einen Jugendcheck neu für alle Gesetzesvorschläge der Regierung vor: Jeder Entwurf soll von einer unabhängigen Stelle hinsichtlich seiner Auswirkungen auf Kinder und Jugendliche geprüft werden.

Psychosoziale Unterstützung auf Krankenschein

Über 80 Prozent der Familien in Österreich stehen unter Druck. Das hat eine Umfrage des Instituts für Jugendkulturforschung im Auftrag von SOS Kinderdorf ergeben. Viele Kinder und Jugendliche sind im Alltag großen Belastungen ausgesetzt und benötigen psychosoziale Unterstützung. Therapieplätze auf Krankenschein sind allerdings rar. Ein flächendeckender Ausbau therapeutischer Angebote ist dringend notwendig.

Gewaltschutz im Internet, mehr Prävention

Die Einstellung zu physischer Gewalt in der Erziehung hat sich in den letzten Jahrzehnten stark verändert. 78 Prozent lehnen das Schlagen mit der Hand als Erziehungsmethode ab, 1977 waren es noch 51 Prozent. Gleichzeitig steigt allerdings die psychische Gewalt gegenüber Kindern, ausgelöst etwa durch Überforderung der Erwachsenen oder Unwissen über die Auswirkungen. Alarmierend hoch ist die Zahl der Kinder und Jugendlichen, die sexueller Gewalt im Internet ausgesetzt sind. Sie liegt laut einer Studie bei fast 30 Prozent. Viele Betroffene fühlen sich machtlos und holen sich keine professionelle Hilfe. Hier gibt es dringenden Handlungsbedarf– sowohl was die Strafverfolgung der Täter betrifft als auch bei der Prävention.

Optimale Betreuung außerhalb der Familie

Wenn ein Kind nicht bei seinen Eltern leben kann, hat der Staat dafür zu sorgen, dass es außerhalb der Familie bestmöglich versorgt und betreut wird– etwa in einer Pflegefamilie oder in einer Wohngruppe. Die Qualität dieser Betreuung ist in Österreich von Bundesland zu Bundesland allerdings sehr unterschiedlich – etwa was die Gruppengröße betrifft oder die verpflichtende Beteiligung von Kindern bei wichtigen Entscheidungen. Eine österreichweite Harmonisierung der Betreuungsstandards steht noch aus. (20.11.2019)